Tag Archiv für Sponsel

Näherung an die Startelf gegen die Stuttgarter Kickers / V1.1

Ich hatte ja versprochen, dass ich je nach Nachrichtenlage, Vorbereitungsspielen, Pressemeldungen und sonstigem Gedöns hier ab und an über die aus meiner Sicht wahrscheinlichste Startformation des RWE am ersten Spieltag spekuliere.

Nun, es haben sich harte Fakten auf einer Position ergeben: Andreas Sponsel verlässt den Verein, um in Bayreuth Sport zu studieren und nebenbei noch ein bisschen in der fünften Liga zu kicken. Über die Verdienste von Andreas Sponsel ist in den letzten Tagen alles geschrieben worden, jegliches davon ist richtig. Ich kann seine Entscheidung gut nachvollziehen, schließlich ist Ex-Fußballprofi kein Beruf, auch wenn das einige bemitleidenswerte Gestalten a la Helmer, Strunz und Basler anders sehen. Über den Zeitpunkt der Entscheidung lässt sich diskutieren, aber dem Verein bleiben noch knappe drei Wochen um einen Ersatz für Sponsel aufzutreiben – wobei ich natürlich hoffe, dass die Verpflichtung möglichst zeitnah geschieht. Ich traue mir momentan kein Urteil darüber zu, ob Klewin bereits die Stabilität aufweist, um als Stammtorhüter in eine Profisaison zu starten. Bis zur Verpflichtung eines neuen Torwarts gehe ich einfach mal davon aus. Den heute verpflichteten Okan Derici werde ich mir gegen Brentford anschauen. Mit einigen Erwartungen.

Abgesehen von der Personalie Sponsel bleibe ich vorerst bei der Version 1.0 meiner Startelf-Annäherung.

Evtl. Startelf des RWE 1. Spieltag Saison 13/14 – Version 1.1 / 01.07.2013

Mit dem grünen Pfeil werden Änderungen zur vorhergehenden Version gekennzeichnet, in diesem Fall also nur Klewin gegen Sponsel. Große Unsicherheit bezüglich einer Personalie wird durch den Kegel angezeigt. Wobei sich in der Abwehr die von Anfang an vermutete Formation stabilisiert, darauf weisen die Testspielaufstellungen gegen Baunatal und Schweinfurt hin. Hier ist wohl allein die Frage: Kleineheismann oder Möckel. Engelhardt, Pfingsten-Reddig und Möhwald halte ich ebenfalls für gesetzt. Auf den beiden offensiven Außenbahnen scheinen sich momentan Strangl, Öztürk und Fillinger einem Wettbewerb um die Gunst von Walter Kogler zu liefern. Gleichermaßen macht die Mittelstürmer-Entscheidung zwischen Brandstetter und Tunjic den Eindruck völliger Offenheit. Von dem bevorstehenden Spiel gegen Brentford verspreche ich mir vor allem eindeutige Hinweise auf das von Kogler bevorzugte Spielsystem. 4-1-4-1, 4-2-3-1, oder vielleicht doch ein 4-4-2 – am Samstagabend wissen wir mehr.

Bis dahin – bleibt mir gewogen.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. 1. FC Saarbrücken 1:2 / Kein Fußball, nirgends

Saarbrücken gewann nicht nur diesen Kopfball / ©www.fototifosi.de

Die Frage, mit welcher Taktik Alois Schwartz gegen Saarbrücken beginnen würde, beschäftigte mich bereits ein paar Tage vor dem Spiel. Sollte er das 4-1-4-1 beibehalten, mit dem eine Stabilisierung der Mannschaft auf überschaubarem fußballerischen Niveau gelungen war? Oder wäre dieses System – mit drei zentralen Mittelfeldspielern – gegen den FCS eine zu hasenfüßige Wahl und ein 4-2-3-1 sinnvoller? Wen würde er für die Startformation aufbieten? Die Zeiten, in denen sich die Mannschaft von allein aufgestellt hatte sind vorüber – die Sperren abgelaufen, Langzeitverletzte trainieren seit Wochen wieder mit der Mannschaft. Es würde Härtefälle geben. Unvermeidlich.

Der Erfurter Cheftrainer entschied sich für das 4-1-4-1 und für Maik Baumgarten hinter den beiden Achtern Pfingsten-Reddig und Engelhardt. Das war überraschend, da bisher Oumari oder Engelhardt diese Position innehatten. Überraschend, ja; unplausibel, nein. Baumgarten hatte in den letzten Spielen zu überzeugen gewusst und diese zentrale defensive Position von der Pike auf gelernt. Auf der Bank saßen mit Morabit, Tunjic, Kopilas und Nielsen vier Spieler, die von ihrem Selbstverständnis her, ein eher problematisches Verhältnis zu einer dauerhaften Rolle als Ergänzungsspieler haben dürften.

Spätestens nach der Saarbrücker Führung durch Özbek war klar, dass der taktische und personelle Spielplan des RWE nicht aufging. Baumgarten bekam keine Sicherheit in seine Aktionen, vor allem das Aufbauspiel kam über Ansätze nicht hinaus. Darauf reagierte Pfingsten-Reddig. Er versuchte den Youngster beim Spielaufbau zu unterstützen, was jedoch dazu führte, dass er als offensive Relaisstation vor der gegnerischen Viererkette ausfiel. Die drei Offensivspieler spielten zu positionsbezogen und bekamen kaum Zuspiele mit denen etwas anzufangen war. Die Option, die beiden Außenverteidiger mit ins Angriffsspiel einzubeziehen, steht dem RWE (aus verschiedenen Gründen) seit Jahren nicht zu Gebote – warum hätte sich ausgerechnet in diesem Spiel daran etwas ändern sollen. Erst gegen Ende der 1. Halbzeit wurde es geringfügig besser, der Ball wurde Öztürk einige Male in die Füße gespielt und der versuchte (meist mit dem Rücken zum gegnerischen Tor) über engagierte Einzelaktionen so etwas wie Torgefahr zu erwirken. Dann entschied Schiedsrichter Sven Jablonski auf Rote Karte gegen den Saarbrücker Stiefler. Eine bei Weitem zu harte Entscheidung. Diesmal schien der Fußballgott dem RWE gewogen. Halbzeit.

Schwartz nahm Baumgarten vom Feld und brachte für ihn einen zusätzlichen Stürmer. Eine taktisch absolut richtige Entscheidung. Dass der Stürmer Nielsen und nicht Tunjic hieß, na ja, darüber kann man sicher diskutieren. Weil eigentlich klar war, wie das Spiel in der 2. Hälfte aussehen würde. Saarbrücken verteidigte tief (und überaus geschickt), dem RWE gelang es nicht seine Überzahl spielerisch zu nutzen. Trotzdem ergaben sich einige unübersichtliche Situationen im Strafraum des FCS. Und genau für diese Art von Präsenzfußball ist Mijo Tunjic der richtige Spieler. Ebenfalls diskutabel war die Entscheidung, Morabit nicht ebenfalls sofort nach der Pause zu bringen. Wenn ich böse wäre, könnte ich schreiben, dass dann das 0:2 früher fällt und der RWE mehr Zeit gehabt hätte, es noch zu egalisieren. Aber Morabit ist vermutlich schon gestraft genug, weil sein leichtfertiger Hackenfehlpass einen (gerechtfertigten) Tobsuchtsanfall von Andreas Sponsel nach sich zog. Abgesehen vom zweiten Tor für Saarbrücken natürlich. Es gelang noch der Anschlusstreffer, mehr nicht. Der FCS feierte einen eklatant wichtigen, verdienten Auswärtssieg. Verdient allein schon wegen der erstklassigen Abwehrleistung (eine Schlacht war gar nicht vonnöten), die die Saarländer in Unterzahl lieferten. Gegen einen Gegner allerdings, der vor allem fußballerisch an diesem Samstag alles vermissen ließ.

Doch sollte man in Erfurt davon absehen, nun gleich wieder das berühmte Kind mit dem nicht minder berühmten Bade auszuschütten. Nach dreiwöchiger Punktspielabstinenz kam die Mannschaft aus der Winterpause 2.0. Die mangelnde Spielpraxis merkte man ihr an, zumal gegen einen Gegner, der sich eine Woche vorher mit einer sehr ordentlichen Leistung gegen den KSC einen Punkt und das damit einhergehende Selbstvertrauen holte. Mindestens ebenso schwer wog der Umstand, dass die Mannschaft seit 2 Wochen kaum vernünftig trainieren konnte. Das ist keine Lappalie. Damit will ich nicht die vielen Fehlpässe und jeden unabgestimmten Laufweg entschuldigen. Jedoch: Die Spiele dieser 3. Liga werden oft durch Kleinigkeiten entschieden. Für jeden Verein, der da unten steht, geht es um alles. Der FC Rot-Weiß Erfurt verfügt zumindest nominell über einen Kader, der sich in diesem sportlichen Überlebenskampf behaupten kann. Damit diese Profifußballer das umsetzen können, müssen sie in der Mannschaftssportart Fußball miteinander üben. Fußballspielen üben. Dazu benötigt es professionelle Trainingsbedingungen. Sind diese nicht vorhanden, sieht man das auf dem Platz. Und wenn man diese Bedingungen nur anderenorts findet, muss man deshalb nicht gleich „eine langfristige Zusammenarbeit auf sportlicher Ebene“ heraufbeschwören. Mir jedenfalls genügt der Grusel vollkommen, der sich bei einem Blick auf die aktuelle Tabelle einstellt. Horrorszenarien, die auf nichts als auf Spekulationen gründen, braucht es da nicht auch noch.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. VfL Osnabrück 2:1 / Die Stunde der Veteranen

Sekunden vor der Entscheidung: Nielsen wartet auf Engelhardt © fototifosi.de

Er ist noch nicht fit genug, um 90 Minuten Drittligafußball spielen zu können. Sobald er es aber ist, werden die Anhänger des FC Rot-Weiß Erfurt noch viel Freude an ihm haben. Die Rede ist von Morten Nielsen, dem dänischen Neuzugang. Woher ich das weiß? Nun, ich weiß es natürlich nicht wirklich. Sagen wir, es ist eher so eine Ahnung. Das geht doch jedem zuweilen so; man sieht einen Spieler und denkt sofort: Das passt! Ist aber schon länger her, dass sich bei einem neuen RWE-Spieler diese Ahnung einstellte. Lässt sich in diesem Fall sogar exakt datieren – auf den 12.07.2011, als Smail Morabit im Testspiel gegen Werder Bremen am Steigerwald debütierte.

Mir hat die Vorbereitung des Siegtreffers durch den Dänen sehr imponiert, vor allem wegen der Dinge, die Morten Nielsen nicht tat. Als er den Ball von Morabit in den Fuß gespielt bekommt, wird er nicht hektisch. Er versucht des Weiteren nicht, nach innen zu ziehen und selbst zu schießen, genauso wenig probiert er es mit einem Alibizuspiel auf die beiden im Strafraum befindlichen, jedoch abgedeckten, Mitspieler. Während in der Szene alle anderen beteiligten Spieler nur auf den Ball starren, hat er den Kopf oben, sieht Engelhardt heranstürmen, verzögert kurz und legt das Spielgerät exakt in den Raum des Spielfeldes, der für den VfL in diesem Moment nicht zu verteidigen ist. Marco Engelhardt vollendet mit einem der spektakulärsten Tore der jüngeren Erfurter Fußballgeschichte. Selten war ein Sieg so verdient und zugleich so überlebensnotwendig – wie die Resultate einiger Konkurrenten um den Ligaverbleib zeigen sollten.

Das alles war um 13.59 Uhr nicht absehbar. Zur Liste der langzeitverletzten, rekonvaleszenten und gesperrten RWE-Spieler gesellte sich kurzfristig noch Dominick Drexlers Name. Ich war nicht amused. Alois Schwartz wohl ebenfalls nicht – er war zu massiven personellen Umbauten seiner Startelf gezwungen. Was er nicht veränderte, war die taktische Grundordnung. Engelhardt übernahm die defensive Position im zentralen Mittelfeld von Oumari  – der für den gesperrten Kopilas in die Innverteidigung rückte. Neben Pfingsten-Reddig spielte Baumgarten – und der Youngster machte seine Sache ausgesprochen gut. In welche taktische Notation lässt sich die Formation des RWE eigentlich fassen? Nun ja, der eine sagt so, der andere so. Für transfermarkt.de war es ein 4-2-3-1, für den Kicker ein 4-3-3. Der Kicker hat mehr recht. In der offensiven Ordnung ist es eindeutig ein 4-1-4-1. Engelhardt (oder Oumari) spielen absichernd zwischen den zwei Viererketten. Das erlaubt es Nils Pfingsten-Reddig in der Vorwärtsbewegung viel höher zu agieren (quasi als Mischung aus Achter und Zehner), wovon das Angriffspiel des RWE am Samstag ungemein profitierte. Das verlangt unserem Kapitän jedoch einen enormen läuferischen Aufwand ab, da er sich bei Ballverlusten schnell nach hinten orientieren muss. Dann wird aus dem 4-1-4-1 ein System mit drei Sechsern, eben jenes vom Kicker erkannte 4-3-3. Die Taktiknerds sprechen in solchen Fällen von einer Hybridformation. Fußball hat schon lange aufgehört ein einfaches Spiel zu sein.

Nach der frühen Führung des VfL zeigte sich schnell, dass der RWE im Winter 2013 nicht mehr die Mannschaft des ersten Saisondrittels ist. Von Panik und Ratlosigkeit keine Spur. Stattdessen wurde kämpferisch und fußballerisch alles unternommen, um sofort zurück ins Spiel zu finden. Pfingsten-Reddigs Können und Abgebrühtheit bei Elfmetern beginnt, historische Dimensionen anzunehmen. Bei nächster Gelegenheit mache ich mir mal die Arbeit, die besten Trefferquoten im deutschen Profifußball auszurechen – da ist er von der Spitze nicht mehr sehr weit weg, wenn überhaupt. Wie wichtig es ist, Elfmeter zu variieren, vor allem aber konzentriert zu schießen, konnte man sich am Sonntag bei Blaszczykowskis zweitem Elfmeter anschauen. Der verlässt sich immer darauf, dass er den Torhüter «ausguckt». Wenn dies nicht gelingt – und der Torwart in die richtige Ecke springt, dann hält er ihn oft auch, weil die Qualität des Schusses miserabel ist. Ganz anders bei Pfingsten-Reddig: Kein Keeper der Welt hält diesen Ball – scharf, hoch, platziert in die linke Torwartecke. Ein Weltklasse-Strafstoß.

Wenn der VfL Osnabrück gefährlich vor das von Sponsel gut gehütete Tor des RWE kam, dann war fast immer ein Spieler beteiligt, der bis Juni noch im Trikot der Erfurter auflief – wenn er denn mal auflief. Und den man dann sang- und klanglos aus seinem noch laufenden Vertrag gen Osnabrück ziehen ließ. Gaetano Manno wird in dieser Saison bei der Rangliste von kicker.de als notenbester Stürmer (und insgesamt zweitbester Feldspieler) der 3. Liga geführt. Warum das so ist, konnte am Samstag sehen, wer es sehen wollte. Nach der letzten Saison wurden viele Fehler gemacht, einer der größeren war, sich in der Einschätzung der fußballerischen Wertigkeit eines Gaetano Manno grundsätzlich geirrt zu haben.

Die Absenz von Kopilas merkte man nicht nur der RWE-Abwehr an, seine physische Präsenz fehlte auch bei Standards in der gegnerischen Hälfte, die allesamt von der VfL-Abwehr problemlos entsorgt wurden. Oumari agierte ungewohnt fahrig, Möckel solide, leistete sich allerdings einige Fehler im Spielaufbau. Die größte Baustelle der Mannschaft von Alois Schwartz bleibt die rechte defensive Außenbahn. Ofosu-Ayeh wusste zwar durchaus in der Offensive in einigen Szenen zu gefallen, kam mit Manno aber überhaupt nicht klar, was dessen starke Leistung natürlich noch zusätzlich animierte. Czichos spielte unauffällig, was ich als Kompliment verstanden wissen möchte. Thomas Ströhl ist für mich die größte positive Überraschung der bisherigen Saison. Mit seinem Comeback im Profifußball hatte ich nicht mehr gerechnet. Aber, ich bin ja nicht der Vatikan, hier werden Urteile schon mal nach weniger als tausend Jahren revidiert. Schade, dass er nicht wenigstens eine seiner beiden Großchancen nutzen konnte. Bei der Zweiten (nach kluger Vorarbeit Ofosus) sah man allerdings, dass sein rechter Fuß exklusiv dafür gut ist, nicht umzufallen.

Doch dieser Text soll nicht als gebloggte Krümelkackerei enden. Unterm Strich war es ein großartiger Sieg des RWE über einen starken Gegner. Wenn die Mannschaft sich weiter so entwickelt, dann bleibt uns vielleicht doch ein Zittern bis zum Ende erspart. Und dieser Däne, ihr werdet es erleben, wird daran einen erfreulichen Anteil haben.

SV Wehen Wiesbaden vs. RWE 3:1 / Selber schuld

Hier zu eigensinnig: Drexler übersieht Tunjic / Quelle und alle Rechte: www.fototifosi.de

Es ist nie eine besonders kluge Idee, eigene Niederlagen an der Schiedsrichterleistung festzumachen. Man kann das Resultat ohnehin nicht mehr revidieren, vor allem aber lenkt es von eigenen Fehlern ab. Und auf die sollte sich konzentrieren, wer im nächsten Spiel mehr Erfolg haben will.

Wie die Preisboxer: mit offenem Visier

Beide Mannschaften begannen das Spiel wie zwei in die Jahre gekommene Rummelboxer: Mit heruntergelassener Deckung – im Vertrauen darauf, dass der eigene Punch stärker ist als der des Gegners. Im Resultat erlebten wir ein Drittligaspiel mit einer großen Anzahl Tormöglichkeiten auf beiden Seiten. Wobei vor allem Morabit, Drexler und Möhwald (mit einigen großartigen Pässen und Flanken) dafür sorgten, dass der RWE eine Stunde lange die gefährlichere Mannschaft war. Drexler hatte in den letzten Spielen der Vorsaison fast alles verwandelt, was ihm vor die Füße fiel; dazu benötigt man auch ein wenig Glück. Glück, das ihm an diesem Samstagnachmittag in Wiesbaden in einigen Szenen fehlte. Tunjic – das war schon gegen den BVB zu sehen – benötigt weiterhin Spielpraxis unter Wettkampfbedingungen, um sich in das Angriffspiel des RWE einzufügen. Es sei daran erinnert, dass Reichwein erst im fünften Ligaspiel sein erstes Tor erzielte. Öztürk wirkt nicht völlig austrainiert, aber wenn die äußere Anmutung das alleinige Kriterium wäre, dann hätte es Ailton niemals auch nur in die Nähe eines Bundesligastadions schaffen dürfen. Soll heißen: auch ihm muss fairerweise noch Zeit eingeräumt werden, bevor man sich ein Urteil über sein Potenzial erlauben sollte. An Engagement, Laufbereitschaft, etc. fehlte es beiden nicht.

Naives Abwehrverhalten ermöglichte Wiesbaden viele Chancen

Konstatieren wir also eine gute Leistung des RWE in der Offensive. Natürlich hätte die Mannschaft – aufgrund der zahlreich herausgespielten Chancen – dieses Spiel gewinnen können. Wohlgemerkt: können, keinesfalls müssen. Dazu war die Abwehrleistung des Teams zu schlecht, weshalb Wiesbaden bereits in der 1. Halbzeit zu einigen hochkarätigen Chancen kam. Viele dieser Möglichkeiten kamen verblüffend (und beängstigend) einfach zustande: Ein Ball wird aus dem zentralen Mittelfeld auf einen der Flügel gespielt (teilweise durch einen simplen Flachpass, weil die Passwege offen sind), dort befindet sich der RWE-Außenverteidiger in einer für ihn schwierig zu verteidigenden Eins-gegen-Eins-Situation. Da die offensiven Außenbahnspieler gefühlte Lichtjahre vom Spielgeschehen entfernt sind, entschließt sich ein Innenverteidiger zu helfen. Das ist im Grunde richtig, aber nur dann, wenn beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind: Er kann mit hoher Wahrscheinlichkeit die Eingabe nach innen verhindern und er muss sicher sein, dass Mitspieler seine Aufgabe in der Abwehrzentrale übernehmen; sprich Zugriff auf die nachrückenden gegnerischen Angreifer haben. Fast lehrbuchhaft schief geht das bei einer Situation in der ersten Halbzeit, die Sponsel gerade noch so mit einem großartigen Reflex auf der Linie klären kann. Da es diesen Spiel- und Chancenaufbau des SVWW häufiger gab, muss man leider davon sprechen, dass in diesem ersten Saisonspiel die Balance zwischen Offensiv- und Defensivverhalten grundsätzlich unausgewogen war. Auch wenn (oder besser: gerade weil) Drexler und Möhwald ihre Stärken in der Offensive haben, müssen sie bereit und in der Lage sein, sich bei Ballverlusten sofort aggressiv nach hinten zu bewegen.

Jede Bezirksligamannschaft weiß: Die Mauer muss hochspringen

Leider war dies nicht alles, was es zu beanstanden gab. Das Verhalten bei Standards bildet anscheinend ein saisonübergreifendes Dilemma. Diesmal kam noch eine weitere Spezialdisziplin hinzu: der direkte Freistoß. Zlatko Janjic ist Rechtsfuß. Er war der einzige Spieler des SVWW der sich zur Ausführung des Freistoßes aufstellte. Position des Balles und die Rechtsfüßigkeit des Ausführenden ließen es sehr wahrscheinlich werden, dass er den Ball direkt aufs Tor schießen würde – über die Mauer, in die vom Torwart entfernte Ecke. So kam es dann auch. Hier stellen sich jetzt zwei Fragen: Warum stehen in unserer Mauer nicht ausschließlich großgewachsene Spieler? Und zweitens: Egal wie groß die Spieler sind, warum unternehmen sie nicht einmal den Versuch, durch Hochspringen den Ball zu erwischen? Fußballspiele werden um so eher durch Kleinigkeiten entschieden, je ebenbürtiger sich die Kontrahenten sind. Jedes Detail spielt eine Rolle. Nicht alle können zu jedem Zeitpunkt kontrolliert oder gar beeinflusst werden, bei Standards ist genau das aber der Fall: Hier kann ich mein eigenes Verhalten zu 100 Prozent steuern. Deshalb ist es unbegreiflich, wie es zu so einem Dilettantismus kommen konnte. Mein Gott: Die Mauer jeder Bezirksligamannschaft springt bei einem direkten Freistoß hoch.

Der RWE hat im letzten Jahr zweimal von einer „Doppelbestrafung“ profitiert

Last but least – ein Wort zum Elfmeter. Der RWE hat von ähnlichen Situationen in der letzten Saison zweimal profitiert. In Regensburg (nach einem Foul an Morabit) und in Chemnitz (nach einem Foul an Drexler). Selbst der DFB ist unglücklich mit dieser Doppelbestrafung, muss sich aber an die Regeln der FIFA halten. Gleiches gilt natürlich ebenfalls für den Schiedsrichter auf dem Platz. Wenn man sich die Szene ein paar Mal anschaut, wird deutlich, dass Oumari den Ball auch ohne Foul hätte bekommen können. Allerdings rutscht er ihm durch. Kann passieren – ist jetzt aber nicht direkt die Schuld des Schiedsrichters. Der bewertet alles Folgende völlig korrekt und im Einklang mit den Regeln seines Verbandes.

Im Übrigen wollen wir hoffen, dass es bei den bereits jetzt bekannten Konsequenzen dieses Spiels bleibt und Rolf Töpperwien ein paar Bier zu viel hatte, als er das zu sehen glaubte.

Jetzt kommt unter der Woche West Ham United – und das ist gut so. Eine weitere Möglichkeit die Mannschaft gegen sehr ernsthafte Konkurrenz weiter voran zu bringen. Da Morabit geschont werden soll, habe ich einen Vorschlag für die Aufstellung: Drexler spielt hinter Tunjic in der Angriffsmitte, dafür bekommt Göbel auf der linken Seite mal eine seriöse Chance von Anfang an. Außerdem könnte Emmerling die Gelegenheit nutzen und Jovanovic auf der rechten Abwehrseite testen, hier herrscht nach der Roten Karte für Oumari ohnehin Handlungsbedarf, da Rauw und Bertram im Spiel gegen Heidenheim die Innenverteidigung bilden werden.

Rot-Weiß Erfurt vs. Unterhaching / Irgendwie gewonnen

Pfingsten-Reddig schaut seinem Tor zu / © www.fototifosi.de

Es gab in dieser Saison einige Spiele, die der FC Rot-Weiß Erfurt im heimischen Steigerwaldstadion hätte gewinnen müssen. Jenes vom Samstag gegen Unterhaching gehört definitiv nicht in diese Kategorie. Wenn es dumm normal läuft, führen die Gäste zur Halbzeit mit 3:1. Mindestens.

Sponsel könnte auch Handballtorwart

Dabei begann es richtig gut. Pfingsten-Reddig, Morabit und der Meister höchstselbst waren an den Vorbereitungen zu Reichweins Führungstreffer beteiligt. Da waren noch keine 120 Sekunden gespielt und alle hofften auf eine Gala à la Sandhausen. Dass nichts daraus wurde, lag in erster Linie an der SpVgg Unterhaching. Bereits unmittelbar nach dem Gegentreffer hatten sie die Riesenchance auf den Ausgleich. Andreas Sponsel wurde zu einer ersten Glanzparade genötigt, weitere vier Mal wehrte er anschließend Schüsse aus kürzester Entfernung ab; die Sinnhaftigkeit seiner Vertragsverlängerung eindrucksvoll unterstreichend. Ihm allein war es zu danken, dass der Ausgleich erst kurz vor dem Halbzeitpfiff fiel. Gegen Hefeles Schuss aus abermals kürzester Distanz war er chancenlos. Es war ohnehin nur eine Frage, wann der Ausgleich fallen würde, nicht ob.

Ehrlich gesagt waren meine Hoffnungen auf eine bessere zweite Halbzeit des RWE arg limitiert. Wortschatz von Podolski nichts dagegen. Wer sich für die derzeitigen fußballerischen Baustellen des RWE interessiert, muss sich keinen Cutter suchen. Ein Videoband der ersten Hälfte genügt vollauf. En suite gaben sich alle Defizite die Ehre: Das zentrale Mittelfeld bekam keinen Zugriff auf ihre jeweiligen Kombattanten in dieser entscheidenden Zone. Entweder stand man zu weit von den Gegenspielern entfernt oder attackierte diese nicht aggressiv genug. Des Gleichen war die Raumaufteilung mangelhaft. Den Hachingern gelang es immer wieder, flache, vertikale Bälle zu spielen, ein sicheres Indiz dafür, dass das Verstellen der Passwege nicht wirklich funktioniert. Was die Verteidiger zuverlässig alt aussehen lässt.

Schlagseite auf links / Segen und Fluch in einem

Zudem hatte das Spiel des RWE, nicht zum ersten Mal, schwere Schlagseite nach links. Ich denke, nein, ich bin sicher, dass dies in erster Linie mit der Positionierung von Olivier Caillas auf der linken Abwehrseite zu tun hat. Wird hinten herausgespielt, ist es zumeist Caillas der den Spielaufbau betreibt. Er versucht zunächst schon (taktisch lehrbuchmäßig), das Aufbauspiel zentral anzulegen. Sind allerdings die Passwege auf die beiden 6er verstellt, spielt er dann aber sehr häufig einen langen Ball auf die linke Seite. Diese Zuspiele haben meist eine hohe Qualität, weswegen Morabit und Pfingsten-Reddig sich häufig in diesen Raum orientieren. Zusätzlich zum offensiven Spieler auf dieser Seite (z.B. Drexler) und zum evtl. noch aufrückenden Caillas selbst. Was für eine hohe spielerische Qualität auf dieser Seite sorgt. Meiner Schätzung nach sind mindestens die Hälfte aller Tore und Torchancen des RWE  in der zweiten Saisonhälfte auf diese Weise entstanden. So what, ist doch prima! Im Grunde schon, wenn da nicht noch die rechte Hälfte des Spielfeldes wäre. Dazu muss man sich klar machen, das Pfingsten-Reddig um nach links zu kommen, den eigentlich auf dieser Seite des zentralen Mittelfeldes agierenden Engelhardt quasi links überholen muss. Wird der Ball in so einem Moment vom Gegner abgefangen, ergeben sich auf unserer rechten Defensivseite unendliche Räume für schnelle Konter. Das ist dann kaum zu verteidigen.

Stefan Emmerling weiß um dieses Manko. Es ist halt nur verdammt schwer zu beheben, da unser Offensivspiel über die rechte Seite eklatante spielerische Defizite aufweist. Weidlich, mit mehr Schatten als Licht (und insgesamt einer Stagnation in seiner Entwicklung) und Ofosu-Ayeh, der zwar rackert wie ein Grubengaul, aber mit seinen Forrest-Gump-Gedächtnisläufen zu einem konstruktiven, passorientierten Spielaufbau wenig beiträgt. Nun, das Problem der linksseitigen Asynchronität wird sich mit dem Abschied von Olivier Caillas vermutlich erübrigen. Um eine raumgreifende initiale Spielgestaltung seiner Elf muss sich Stefan Emmerling jedoch weiterhin sorgen. Eine – möglicherweise auch durch neues Personal herbeizuführende – Verstärkung der rechten Seite spielt dabei in seinen Überlegungen gewiss eine Rolle.

Ein Endspiel in Chemnitz / Auch für die Mannschaft?

Wie gesagt, ich hatte mich eigentlich von allen Hoffnungen für diese Begegnung verabschiedet. Und die ersten Minuten der zweiten Halbzeit schienen wenig geeignet, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Doch dann drehte das Spiel, ebenso unvermittelt wie deutlich sichtbar: Der RWE gewann mehr Zweikämpfe, zweite Bälle wurden erobert, die Passgenauigkeit erhöht, es gelang sogar die ein oder andere Spielverlagerung auf die rechte Seite. Nach dem Tor von Pfingsten-Reddig waren die Hachinger zunächst nicht in der Lage etwas Zwingendes zu erwidern. Der RWE schien das Ergebnis nach Hause schaukeln zu können. Das war optimistisch gedacht. Von mir und wohl gleichfalls von der Mannschaft. Denn in den letzten Minuten kam es zu einem Dauer-Tohuwabohu im Erfurter Strafraum. Der Fußballgott mag ein launischer Himmelsfürst sein – grundhaft ungerecht ist er nicht. Das Glück, jenes uns in einigen Saisonspielen abging, war dem RWE in der crunch-time gegen Unterhaching gewogen. Die drei Punkte blieben im Steigerwaldstadion.

Jetzt Chemnitz. Die verloren zwar in Regensburg, allerdings höchst unglücklich, denn der CFC war dort in weiten Phasen das bessere Team. Die Mannschaft von Gerd Schädlich wird bis in die letzte Synapse hinein motiviert sein. Emmerlings Spieler erwartet zudem ein emotional aufgeheizter Hexenkessel. Dort kann nur erfolgreich sein, wer über 90 Minuten engagierten, strukturierten und konzentrierten Fußball spielt. Das Setzen gelegentlicher spielerischer Glanzlichter wird im Stadion an der Gellertstraße nicht mal ansatzweise genügen. Nicht gegen diesen Gegner, nicht in dieser Atmosphäre. Aber, ich wüsste keinen geeigneteren Anlass für die Mannschaft, alle Kritiker von ihrer fußballerischen und charakterlichen Stärke zu überzeugen. Auf geht’s Jungs!

SV Darmstadt 98 – RWE 1:1 / It’s crunch time, folks

Enges Spiel, enge Liga / © www.fototifosi.de

In ihrer lakonischen Sportsprache bezeichnen Amerikaner diese Zeit der Saison als Crunch-Time. Es geht um Alles oder Nichts, Sieg oder Niederlage, Mythos oder Fußnote, Held sein oder Loser. Amerikaner lieben das. Es gemahnt sie vermutlich an die anarchischen Zeiten der Inbesitznahme ihres Kontinents. Shootout im Saloon, quasi. Wie auch immer, so weit hergeholt ist der Vergleich zum diesjährigen Finale der Drittligasaison nicht. Gewinnt Osnabrück sein Nachholespiel gegen Münster, haben 9 Mannschaften (mehr oder weniger gute) Aussichten auf den Aufstieg in die 2.Liga (die meisten via Relegationsplatz), während 10 Mannschaften gegen den Abstieg spielen. Nur Saarbrücken scheint (zumindest momentan) jenseits von Gut und Böse positioniert. Das ist extrem spannend, zumal der sportliche Abstand zwischen den oberen und unteren Teams eher marginal ist, also niemand davon ausgehen kann, dass Mannschaften der ersten Tabellenhälfte gegen Mannschaften der zweiten Tabellenhälfte mal einfach so gewinnen. Schon gar nicht auswärts.

Holpriger Start – tolles Führungstor

Womit wir beim gestrigen Spiel des RWE in Darmstadt wären. Die erste halbe Stunde ließ Schlimmes befürchten. Mit jeder Tickermeldung kamen die Einschläge näher. Man las allzu vertraute Wortverbindungen: kein Zugriff auf das Spiel, unsicher bei gegnerischen Standards, null eigene Torchancen. Frustrierend. Dann stand es 1:0. Für den RWE. What a wonderful, wonderful world. Aber, es war kein Tor aus dem Nichts. Es war ein Tor, das aus dem Zusammenspiel zweier der besten Offensivspieler der Liga resultierte. Morabit mit der Hacke auf Reichwein, der narrt noch einen Verteidiger und schießt ein. Die individuelle Qualität so einen Treffer auch ohne Vorankündigung (z.B. mittels mehrerer ausgelassener Chancen) zu erzielen, haben beide. Bedauerlicherweise trifft das – mit negativen Vorzeichen – auf das Abwehrverhalten bei gegnerischen Standards ebenfalls zu: Die Mannschaft kann auf diese Weise jederzeit ein Tor kassieren und sie macht derzeit reichlich Gebrauch von dieser «Begabung». Obwohl Sponsels (momentane) Unsicherheit bei hohen Bällen nicht länger zu übersehen ist, trägt er an dem Treffer keine Schuld. Sein nach außerhalb des Strafraums abgewehrter Ball kann von einem Darmstädter viel zu leicht wieder in die Gefahrenzone befördert werden. Rauw ist nicht aufmerksam genug, Heil jubelt. Sic transit gloria mundi. Halbzeit.

Emmerlings Gelassenheit ist weg

Exkurs zu Stefan Emmerling. Zum ersten Mal, seit er Cheftrainer in Erfurt ist, merkt man ihm den Druck an, der auf ihm lastet. Seine sonstige – keinesfalls aufgesetzt wirkende – Gelassenheit ist wie weggeblasen. Die nach dem gestrigen Spiel getroffenen Aussagen sind ein schweres Indiz in diese Richtung. Mag ja sein, dass der Platz am Böllenfaltor mehr von einem Acker als von Wembley hatte. Eine gute Idee dies als Ausrede für die desolaten ersten 30 Minuten zu nehmen, ist es trotzdem nicht. Eine technisch bessere Mannschaft bleibt auch auf einem holprigen Platz die technisch bessere Mannschaft. Es ist zudem nicht überliefert, dass sich Stefan Emmerling über die chronisch miserable Qualität des Geläufs in Emden jemals beschwert hat als er dort noch die sportliche Verantwortung trug.

Im zweiten Spiel nacheinander korrigierte Emmerling seine Elf in der Halbzeit personell. Diesmal kamen mit Weidlich und Bertram gleich zwei Spieler, die nicht wenige (inklusive des Autors) gerne von Beginn an auf dem Platz gesehen hätten. Ich halte mich mit Kritik an der Aufstellung normalerweise zurück (und hatte bisher überdies wenig Grund dazu). Allerdings muss die Frage erlaubt sein, warum Drexler erneut begann, obwohl das bereits in Burghausen nicht wirklich funktionierte und er dort, ebenfalls nach der Halbzeit, durch Weidlich ersetzt wurde. Und warum, mit Tom Bertram, ausgerechnet derjenige unserer Innenverteidiger erneut auf der Bank saß, der zuletzt sowohl in seinem Abwehrverhalten zu gefallen wusste, als auch nach vorne die stärkste Wirkung erzielte? Ich frage mich überdies, warum von den Kollegen von Presse, Funk und Fernsehen danach nicht mal gefragt wird.

Kein Vorwurf an Manno

Dass in der Mannschaft dennoch vieles stimmt, konnte man in der zweiten Hälfte sehen. Vor allem nach Mannos Platzverweis war der RWE das bessere Team. Dank einer tadellosen kämpferischen Einstellung und der schlichtweg besseren Kondition. Darmstadt hatte keine Chance aus der Überzahl etwas Zählbares zu machen, mehr noch, sie versuchten es gar nicht erst. Das Remis ist letztlich ein gerechtes Resultat, daran ändert der Umstand nichts, dass es beide Mannschaften nicht wirklich weiter bringt. Ach so, ja: Der Platzverweis war keiner. Jedenfalls nicht nach meinen Maßstäben. Manno trifft in etwa zeitgleich mit dem Darmstädter Spieler den Ball. Brighache schreit, als wären seine Beine soeben von einem ICE überrollt worden, die Claqueure auf der Darmstädter Bank springen unisono erregt auf, der sehr junge Schiedsrichter Brand ist beeindruckt – und zeigt Rot. Dieses übertriebene Gepose nach Fouls ist ohnehin ein großes Ärgernis im Fußball (jedoch mitnichten ein neues). Klar muss Manno an der Mittellinie nicht so attackieren, aber mit dieser Überreaktion konnte er kaum rechnen. Da der DFB sogar Spieler sperrt, die nachweislich unschuldig sind, darf er wohl nicht auf Gnade hoffen. Mindestens zwei Spiele Sperre sind zu erwarten, fraglos eine Schwächung des Teams.

Mittendrin statt nur dabei

Müssen die Erfurter Fans nach diesem erneuten Unentschieden ihre Träume begraben? Natürlich nicht, warum auch? 21 Punkte sind noch zu vergeben. Es geht für den RWE noch gegen die direkten Mitbewerber aus Heidenheim, Offenbach und Chemnitz. Somit darf, vermutlich bis zum Ende der Saison, wahlweise gehofft, gebangt, gelitten und – wenn es gut läuft – gejubelt werden. Ich weiß nicht, ob es die bisher beste Drittligasaison ist, die wir derzeit sehen, aber es ist mit Sicherheit die spannendste. Und der RWE ist mittendrin statt nur dabei.

In diesem Sinne: it’s crunch time, folks!

RWE – Jahn Regensburg 2:2 / Wieder Murmeltiertag im SWS

Die ewige Wiederkehr des Gleichen ist ein zentrales Motiv im Werk Friedrich Nietzsches. Die Inspiration zu diesem Gedanken kam ihm bei einem Spaziergang am See von Silvaplana. Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das Schlechte liegt so nah – der Besuch mehrerer Heimspiele des RWE in dieser Saison bestätigt diese These des exaltierten Philosophen nachdrücklich. Was wiederum auch nicht ganz korrekt ist, denn es handelt sich keineswegs um ein neues Phänomen. Alle, die diesem Verein seit Jahrzehnten verbunden sind, werden sich schmerzlich erinnern: Schon viele Male war der Klub irgendwie dabei irgendetwas zu erreichen, scheiterte aber fast immer und hinterließ tiefe Spuren in den waidwunden Seelen seiner Fans. Sei es die Qualifikation für den UEFA-Cup in den 80iger Jahren, sei es der Pokalsieg, sei es momentan (und in den letzten Jahren) der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Ach, Rot-Weiß Erfurt – Du Fußballverein gewordener Konjunktiv.

Das ist bitter, vor allem wenn man weiß (oder zumindest zu wissen glaubt), dass die Mannschaft die gegenwärtig in den rot-weißen Trikots aufläuft, eigentlich alles mitbringt, um diesen Aufstieg zu erreichen. Wer, wie der RWE am Samstag, den Tabellendritten nahezu über die gesamte Spielzeit nach Belieben beherrscht, muss sich nicht ernsthaft die Frage vorlegen, ob er genügend Qualität aufzuweisen hat. Er hat. Ich habe in dieser Saison nur eine Mannschaft im Steigerwaldstadion gesehen, die besser war als der RWE und das war der VfR Aalen. Und dabei bezieht sich dieses besser, nicht mal auf die fußballerische Qualität der einzelnen Spieler. Aalen gewann hier, weil sie ein grandioses Defensiv-Pressing spielten, dass ich so in dieser Liga noch nicht gesehen habe.

Burghausen, Bielefeld, Regensburg – diese drei Heimspiele fallen mir sofort ein, wenn ich an die verpassten Chancen der laufenden Saison denke. Alle drei Spiele hätten gewonnen werden müssen! Dann stünde man da, wo die Mannschaft meiner bescheidenen Meinung nach hingehört: auf Platz drei der Tabelle. Sogar mit intakten Aussichten auf einen direkten Aufstiegsplatz. Dass ich hier stattdessen wieder nur ein Remis beschreiben, beklagen, ja, bejammern muss, ist wieder so eine kleine, stille Erfurter Fußballtragödie.

Schon in Wiesbaden war das Verhalten bei Standards miserabel

Vor einer Woche siegte der RWE (nach ebenfalls deutlich überlegenem Spiel) bei Wehen Wiesbaden mit 1:0. Zu Chancen kamen die Wiesbadener in diesem Spiel ausschließlich nach hoch in den Erfurter Strafraum geschlagenen Standards. Mit Glück und Sponsel wurde das Spiel gewonnen. Am Samstag das Gleiche – aus dem Spiel heraus keinerlei Tormöglichkeiten für die Gäste aus Regensburg, dafür erzielten sie gleich zwei Tore nach hoch ausgeführten Standards. Zwei Tore in zwei Minuten, kurz vor der Halbzeit. Ein Albtraum.

Ob das Abwehrhalten bei gegnerischen Standards unter der Woche auf dem Trainingsplan stand ist nicht überliefert. Es sah jedenfalls nicht danach aus, was aus meiner Sicht einem fahrlässigen Versäumnis gleich kommen würde. Das wird (und muss) sich diese Woche ändern, sonst werden das nicht die letzten Tore gewesen sein, die der RWE auf diese Weise kassiert.

Aus der Dominanz wird zu wenig gemacht

Doch selbst diese gravierenden Fehlleistungen bei Standards des Gegners hätten noch kompensiert werden können. Die Dominanz des RWE auf dem Platz war beeindruckend. In allen Belangen: Technisch, läuferisch und – vor allem gegen Ende hin – kämpferisch. Allerdings wurden daraus – wie bereits in Wiesbaden – zu wenige Tormöglichkeiten generiert. Das 1:0 war – für jeden sichtbar – sehr glücklich in seiner Entstehung; dem Ausgleich ging ein schöner Diagonalpass von Manno voraus, der allerdings nur zu Drexler kommt, weil die Regensburger Abwehr im Wachkoma lag. Die beiden direkten Torabschlusshandlungen, sowohl von Morabit als auch von Drexler sind dann wieder perfekt, keine Frage. Dennoch: In Relation zur Feldüberlegenheit muss sich die Mannschaft mehr klare Chancen erspielen. Ein Beleg für diese These ist die Tatsache, dass unsere Sturmspitze, Marcel Reichwein, in den beiden letzten Spielen mehr oder weniger in der Luft hing. Warum? Weil Manno (gegen Regensburg), Morabit und Drexler sehr stark bei Dribblings sind, diese eigentliche Stärke derzeit aber übertreiben und allzu oft am zweiten oder dritten Abwehrspieler scheitern, statt den Ball zirkulieren zu lassen. Die Zeiten des Heldenfußballs sind ein für alle Mal vorbei. Der rechtzeitig und akkurat gespielte Ball auf den freien Mitspieler ist im modernen Fußball keine Option mehr, sondern eine Pflichtübung. Jedenfalls für erfolgreiche Mannschaften.

Am nächsten Sonnabend kommt mit dem SV Sandhausen der Tabellenführer ins Steigerwaldstadion. Über letzte und allerletzte Chancen will ich hier und heute nicht weiter schwadronieren. Es wäre jedoch schön, wenn mir trübe Gedanken an überspannte Philosophen dieses Mal erspart blieben.

SV Wehen Wiesbaden – RWE 0:1 / Sieg in der Blechbüchse

Kaum hat der Erfurter Stadtrat den Bau der Arena beschlossen, fangen wir an uns über die Stadien der Anderen lustig zu machen. Ist nicht so ernst gemeint – die Brita-Arena mag von außen gesehen keine Architekturpreise gewinnen, innen bietet sie alles, was eine moderne Spielstätte haben sollte. Großartig die Akustik: Spärliche 2.500 Zuschauer am Samstag hörten sich wie zehntausend an. Bei deutlicher Pegel-Überlegenheit der RWE-Fans.

Der Mannschaft von Stefan Emmerling tat die Heimspielatmosphäre in der Fremde sichtlich gut (anders als die Heimspielatmosphäre im eigenen Stadion.)  Von der ersten bis zur letzten Minute war der RWE die spielerisch und taktisch dominierende Mannschaft. Gegen einen schwachen Gegner, wohlgemerkt. Wenn Wiesbaden so weiter macht, werden sie noch zur finalen Hoffnung für den FCC. Vom Aufstiegskandidaten Nummer eins direkt in die Hölle des Abstiegskampfes – Fußball kann grausam sein.

Umso besser, dass dies in der hessischen Landeshauptstadt kaum jemanden so richtig ans Gemüt zu greifen scheint. Anders ist der jämmerliche Zuschauerszuspruch nicht zu erklären. Nur Kohle rüberschieben macht halt doch keine Fußballmannschaft. Fairerweise darf die schier endlose Verletztenmisere der Wiesbadener nicht unerwähnt bleiben. Die Verantwortlichen des SVWW täten sich jedoch keinen Gefallen, damit sämtliche Unfertigkeiten ihrer Mannschaft entschuldigen zu wollen.

Marco Engelhardt überzeugte, nicht nur des Tores wegen

Natürlich war ich gespannt, wie Stefan Emmerling die Ausfälle von Zedi, Rauw und Manno personell-taktisch kompensieren würde. Mit der Aufstellung von Oumari, Weidlich und Drexler konnte man rechnen, doch dass Engelhardt (statt Weidlich) im zentralen Mittelfeld neben Pfingsten-Reddig spielte war – wenigstens für mich – überraschend. Meiner Beobachtung nach verlief die Formkurve des Ex-Nationalspielers zuletzt eher nach Süden. Er schien nach wie vor nicht fit genug zu sein, schon gar nicht für das laufintensive zentrale Mittelfeld. Allerdings, wenn es dann so kommt wie am Samstag, ist es schon wieder ein Vergnügen sich zu irren. Marco Engelhardt spielte keineswegs herausragend (schon gar nicht mit Blick auf seine Möglichkeiten), er fiel aber auch nicht ab, machte gemeinsam mit Pfingsten einen soliden Job bei der Spieleröffnung, gefiel durch gutes Kopfballspiel, war bis zum Schluss konzentriert – und, ach ja, schoss das entscheidende Tor des Spiels. Im Vergleich zu Rudi Zedi ist er die spielstärkere Option im zentralen Mittelfeld. Wir dürfen gespannt sein, wie Emmerling diese delikate Personalie entscheidet. Dabei sollte nicht aus dem Blick verloren werden, dass der SVWW der mit Abstand schwächste Gegner der letzten Wochen war. Kein Vergleich zu den bärenstarken Aalenern (8 Siege in Folge!) vier Tage zuvor.

Das größte Manko der ersten Halbzeit war das Resultat mit dem es in die Kabinen ging. Der RWE war so überlegen, dass es deutlicher als 0:1 hätte ausfallen müssen. Doch beim letzten Pass fehlte wie so häufig ein Quantum Konzentration, andere nennen es Torgeilheit. Und so agil Morabit erneut spielte, es war wieder eines dieser Matches, in denen seine Kalibration einen Tick zuviel in Richtung Einzelkämpfermodus verstellt war. Wenn Wiesbaden gefährlich vor das Tor des RWE kam, dann nur bei Standardsituationen, hier war die Anfälligkeit des RWE jedoch besorgniserregend.

Phil Ofosu-Ayeh – die Überraschung der letzten Spiele

Überleitung zu Andreas Sponsel: Er rettete zweimal aus kürzester Distanz im Stile eines exquisiten Handballtorwarts. Bei 7 der 10 Siege des RWE stand Andreas Sponsel im Tor, er kassierte nur 12 Gegentore bei seinen 15 Einsätzen. Sicher, das Abwehrverhalten der gesamten Mannschaft mag sich verbessert haben, aber Sponsel ist eben ein Keeper, den man direkt mit dem ein oder anderen Punktgewinn in Verbindung bringen kann. Einfacher formuliert: Der Mann hält Siege fest. Siehe Saarbrücken, siehe jetzt Wiesbaden. Überleitung Rolf Rombach: Vertrag verlängern, unbedingt!

Die deutsch-französische Sphinx im Trikot des RWE, die Rede ist von Olivier Caillas, widerlegte in diesem Spiel die schon als gesichert geltende Annahme, er spiele im linken Mittelfeld besser als auf derselben Seite der Viererkette. So ganz schlüssig fand ich das sowieso nie, weil Positionen im modernden Fußball eher fluide als fest gefügt sind (sein sollten). Er kann – ähnlich wie Philipp Lahm bei den Bayern – auch auf dieser Position seine spielerischen Qualitäten zur Geltung bringen. Bedingung dafür ist ein gut abgestimmtes Verschieben der Mannschaft in die freien Räume hinein, das hat gestern in Wiesbaden prima funktioniert und ermöglicht eine sehr offensivstarke Formation auf dieser Seite. Defensiv spielte Caillas seinen Part routiniert herunter, zugegeben, eine Routiniertheit, die von aufreizender Lässigkeit manchmal nur schwer zu trennen ist.

Die eigentlich Überraschung der Rückrunde stellt für mich Phil Ofosu-Ayeh dar, dessen Offensivtalent nie in Zweifel stand, der aber bei seinem Einsätzen am Anfang der Saison besonders im Abwehrverhalten und bei gegnerischem Pressing zu hektisch agierte. Davon konnte in den letzten Spielen nicht mehr die Rede sein. Fast lehrbuchmäßig sah sein Zusammenspiel mit Weidlich auf der rechten Seite in Wiesbaden aus, selbst wenn nicht jeder Ball in eine gefährliche Angriffssituation mündete. Das permanente Überlaufen des Mitspielers in Richtung Grundlinie ist nach wie vor ein ungemein effektives taktisches Mittel um mehr Breite (und Unausrechenbarkeit) in eine Offensivaktion zu bekommen. Wenn Phil Ofosu-Ayeh diese erfreuliche Entwicklung fortsetzt, betrachte ich unser Problem auf der rechten Abwehrseite als gelöst.

Quecksilbriger Ahrens

Dass sich beide nominellen Außenverteidiger häufig in die Angriffe einschalten können, setzt unter anderem voraus, dass ein Innenverteidiger nach außen rückt. Diese Automatismen funktionieren inzwischen deutlich besser als noch am Anfang der Spielzeit, was sicherlich ebenfalls ein Grund für die degressive Entwicklung bei der Anzahl der Gegentore ist. Taktische Feinheiten sind das eine, Fußballer zu haben, die in der Lage sind diese mit spielerischer wie kämpferischer Substanz zu beleben ist noch einmal etwas völlig anderes. Tom Bertram macht derzeit seine besten Spiele seit er wieder das Trikot des RWE trägt. Seine Leistung in der zweiten Halbzeit gegen Bielefeld war exorbitant, schade, dass ihm (und uns) das Siegtor verwehrt blieb und er stattdessen nur die Latte traf. In Wiesbaden fiel er in erster Linie durch seine gescheiten Pässe bei der Spieleröffnung auf. Defensiv wurden Oumari und er durch die biederen Angreifer des SVWW kaum gefordert.

Acht Minuten vor Ende des Spiels wechselte Emmerling Tobias Ahrens für Drexler ein. Ahrens nutzte seine Chance eindrucksvoll. Die bereits etwas müden Verteidiger der Wiesbadener hatten fortan keine ruhige Zehntelsekunde mehr, Ahrens attackierte sie, wo er sie traf, und hatte entscheidenden Anteil daran, dass dem SVWW keine gefährliche Offensivaktion mehr gelang. Im Gegenteil, er selbst erarbeitete sich noch eine Riesenchance, die er diesmal noch vergab. Doch Geduld, sein erstes Drittligator wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.

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