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Rot-Weiß Erfurt vs. Jahn Regensburg 2:3 / Rot-Weiße Bravehearts

RWE vs. Regensburg

Ich erwartete ein munteres Drittligaspiel, bestritten von zwei Mannschaften, deren Stärken eher in der Offensive liegen. Ich sah ein aufregendes Spektakel, dessen spielentscheidende Szene noch immer nicht vollständig geklärt ist. Vor allem sah ich aber eine großartig kämpfende Erfurter Mannschaft, die kurz davor stand eine fußballerische Sensation Wirklichkeit werden zu lassen. Aber auch wenn diese nicht gelang, sollten sich die Anhänger des FC Rot-Weiß an der großen Moral ihres Teams erfreuen, anstatt sich bis zum Überdruss an der Leistung des Schiedsrichters abzuarbeiten.

Motto des Spiels:

Let’s stay together!

Die Aufstellung:

Keine Überraschung in der Startformation.

Taktiksplitter:

Dazu würde ich mehr schreiben, wenn es ein ganz normales Spiel gewesen wäre. Denn das Aufeinandertreffen des Erfurter 4-4-2 und des Regensburger 4-2-3-1 war schon fast prototypisch für ein Spiel, in dem diese Systeme gegeneinander antreten. Nur so viel: Regensburg machte in der Offensive das Spiel sehr breit, der ballferne offensive Außenbahnspieler blieb (fast immer) auf seiner Seite. Über schnelle diagonale Spielverlagerungen sollte dieser ins Spiel gebracht und der freie Raum genutzt werden, was vor allem über unsere rechte Abwehrseite einige Male gelang. Auch, weil sich Drazan nicht wirklich an der Abwehrarbeit beteiligte. Ganz anders das Erfurter Spiel. Hier rückt der ballferne Außenspieler (fast immer) ins Zentrum, um bei der systembedingten Vakanz des 10er-Raums eine zusätzliche Anspielstation zu bieten. Dies klappte beim Zuspiel von Möhwald auf Strangl, das zum Elfmeter führte, ausgezeichnet. Damit sind wir schon bei der ersten diskutablen Entscheidung des Spiels. Ich denke, es ist unstrittig, dass der Regensburger die Hand bereits vor dem Strafraum an Strangs Trikot hat. Das spielt aber keine Rolle, wenn diese sich noch dort befindet, sobald Strangls Fuß die Strafraumlinie berührt. Ich habe es mir einige Male angesehen: Es ist – so oder so – nicht wirklich zweifelsfrei zu erkennen.

Das Coaching:

Es gab einiges Murren um mich herum, als Kogler nach Möhwalds Feldverweis Brandstetter für Baumgarten auswechselte. Bei diesem Spielstand (1:1), in dieser Spielminute (34.) und angesichts der Spielstärke des Gegners hätten 100 von 100 Trainern so gewechselt. Bei Unterzahl in dieser Phase des Spiels kann es nur darum gehen, defensive Stabilität herzustellen, was in der Folge ja auch ganz gut gelang – bis die Unterzahl dann, nach Czichos Platzverweise, eine Zweifache wurde.

Kogler ließ Drazan in der Kabine und brachte für ihn Andreas Wiegel. Ein völlig nachvollziehbarer Wechsel, weil Drazan sich schlichtweg nicht an die defensive Zuordnung hielt, weshalb der Jahn vor allem über unsere rechte Abwehrseite gefährlich wurde. Je näher das Ende der Saison rückt, desto mehr beschleicht mich bei Drazan der Eindruck, dass er vor allem über gute Offensivaktionen potenzielle neue Arbeitgeber auf sich aufmerksam machen möchte. Seine individuellen Stärken sind unbestritten, verweigert er aber die Arbeit gegen den Ball, gehört er auf die Bank. Punkt.

Spieler des Tages:

Marco Engelhardt. Mal wieder. Bis zum 1:1 ein solides Spiel von ihm, danach überragend. Etwas zugespitzt könnte man behaupten: Je weniger eigene Mitspieler auf dem Feld standen, desto besser wurde Engelhardt. Jammerschade, dass sein Freistoß kurz vor Ultimo das Ziel knapp verfehlte. Ein Tor wäre die Krönung gewesen.

Bilanz des Spiels:

Die Schlüsselszene des Spiels datiert sich auf die 31. Spielminute. Es wird noch immer unterschiedlich darüber berichtet, was zum Elfmeter für Regensburg und zur Gelb-Roten Karte für Möhwald führte. Laut Spielberichtsbogen von fussballdaten.de und kicker.de, die, soweit ich erfahren habe, auf dem Spiel-Protokoll des DFB beruhen, wird ein Foulelfmeter für Regensburg aufgeführt. Und vermutlich, infolgedessen, die Gelb-Rote Karte wegen Foulspiels für Möhwald. Diese Sichtweise ließe die Entscheidung von Willenbork zumindest einigermaßen konsistent dastehen. Wenn sie auch, mit einiger Wahrscheinlichkeit, falsch war. Hier bieten die TV-Bilder des mdr allerdings ebenfalls keine letzte Gewissheit. Mein Eindruck im Stadion war: Möhwald berührt den Regensburger gar nicht, eine Wahrnehmung, die durch die Fernsehbilder nicht widerlegt aber eben auch nicht zweifelsfrei bewiesen wird. Die Riesen-Verwirrung um die Szene entsprang einer vielfach wiederholten Fehlinterpretation, Quelle: mdr-Spielbericht, der zufolge ein (vermeintliches) Handspiel von Möhwald ursächlich für den Elfmeter gewesen sein soll. Diese Version ist noch heute so in der TLZ zu lesen. Dabei war es eindeutig Odak der nicht Hand spielte. Wofür Möhwald dann Gelb-Rot sah, ist noch immer offen: Foulspiel oder doch Reklamieren? Wie auch immer, danach war das Spiel ein anderes. Regensburg wollte sich die Führung erspielen, der RWE ließ nicht viel zu und hatte mit Kammlotts Kopfballmöglichkeit sogar die bessere Chance. Ein zweites Mal änderte sich die Statik des Spiels komplett mit der Herausstellung von Czichos. Fingerspitzengefühl hin oder her, er darf diesen Zweikampf an der Seitenlinie einfach nicht so führen. Wie kaum anders zu erwarten, spielten die Regensburger weiter geduldig auf den Führungstreffer. Wie der dann fiel, ließ das Steigerwaldstadion vollends zum Tollhaus werden. Allein: das war ein reguläres Tor, es gab keine aktive Bewegung der Hand von Muhovic zum Ball. Sieht blöd aus, ist bitter – alles keine Frage. Trotzdem war die Anerkennung des Tores regelkonform. Man kann über die Regel diskutieren, es ist aber müßig, über deren korrekte Auslegung durch den Schiedsrichter zu lamentieren.

Die eigentliche Sensation war allerdings, wie die Erfurter Mannschaft auf den Rückstand reagierte. Statt wie die Lemminge auf weitere Tore der Regensburger zu warten, wurde nun volles Risiko gegangen, in der Abwehr und im Mittelfeld wurde nur noch eins gegen eins verteidigt und vorne erzwang man den Ausgleich. Nicht mittels eines irgendwie hineingewürgten Standards, sondern durch Zweikampfpräsenz, Druck und spielerische Mittel. Mit zwei Spielern weniger auf dem Feld, man es kann es gar nicht oft genug wiederholen. Es war dann auch eine feine Kombination, die zum zwischenzeitlichen Ausgleich durch den erneut unermüdlichen Kammlott führte.

Der Gegner:

Regensburg trat wie erwartet auf: fußballerisch versiert und begabt, mit Mängeln in der Chancenverwertung und in der Defensive. Sie sind nur knapp einer Blamage entgangen, die ein erneuter Erfurter Ausgleich zwangsläufig dargestellt hätte.

Die Konsequenzen:

Platz vier in der Liga kann man jetzt völlig vergessen. Wird zudem interessant, wen Kogler am Samstag in Chemnitz auf den Platz schickt. Man kann nur hoffen, dass Laurito wieder einsatzfähig ist. So oder so wird die Besetzung der beiden Außenverteidiger-Positionen ein schwieriges Unterfangen werden.

Die Öffentlichkeit:

Ist mir alles zu fokussiert auf den Schiedsrichter. Der, ich sage es gern noch einmal, sicherlich keinen guten Tag hatte. Mir ist viel wichtiger zu betonen: eine großartige kämpferische Leistung der Mannschaft, die nicht verdient hat, im großen Schiri-Gemotze unterzugehen.

Die Aussichten:

Nordhausen. Alles andere: sekundär. Vorläufig.

Wenn ich der Trainer wäre …

… würde ich mir über das Spiel gegen Chemnitz erst Gedanken machen, nachdem wir morgen im Südharz – hoffentlich – gewonnen haben. Und ich würde Christopher Drazan auf einen Plausch bitten. Thema: Du hilfst uns nur, wenn Du diszipliniert spielst. Heldenfußball braucht kein Mensch!

Jahn Regensburg vs. Rot-Weiß Erfurt 3:1 / Ein gebrauchter Tag

Kogler & PreußerSuch a perfect day sang der große Lou Reed, von dessen viel zu frühem Tod wir gestern erfahren mussten. Nun, von einem perfekten Tag war der FC Rot-Weiß Erfurt am vergangenen Samstag in Regensburg mehr als nur meilenweit entfernt. Dies betrifft sowohl die gezeigte Leistung der Mannschaft, als auch das Resultat – denn obwohl die Rot-Weißen bereits sehr viel bessere Spiele in dieser Saison zeigten, war die Niederlage unglücklich.

Kogler war erneut gezwungen, kurzfristig umzustellen. Philipp Klewin hatte sich im Training verletzt. Für ihn kam Jeff Kornetzky zu seinem Debüt im Erfurter Tor. Und machte seine Sache – trotz der drei Gegentore, bei denen er nichts ausrichten konnte – ausgezeichnet. Pfingsten-Reddig saß wegen Trainingsrückstandes weiterhin nur auf der Bank. Im Angriff bot Kogler, neben Tunjic, Jonas Niefeld auf, auch für ihn war es ein Novum, in einem Meisterschaftsspiel in der Startelf zu stehen.

Die Geschichte des Spieles ist schnell erzählt: RWE startetet gut, kam zu Chancen, nutzte diese nicht und hatte Glück, dass Regensburg seinerseits drei prima Möglichkeiten vergab, bzw. diese von Kornetzky erstklassig vereitelt wurden. In der Pause musste Kleineheismann verletzungsbedingt vom Platz, kurz nach der Pause stimmte die Zuordnung der Viererkette überhaupt nicht und der Jahn ging in Führung. Wie schon in Halbzeit eins war RWE feldüberlegen, konnte sich aber keine wirklichen Tormöglichkeiten erarbeiten (mit der Ausnahme von Wiegels Chance in der 69. Minute). Etwas glücklich fiel der Ausgleich durch Nietfeld. Dabei wäre es vermutlich geblieben, wenn Laurito kurz vor dem Ende nicht etwas ungelenk in Amachaibou rutscht. Keinen Vorwurf an Laurito – hier gilt die ewige Fußballwahrheit: Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß. Aber ein Foul war das schon. Es kann keine Rede davon sein, dass er ihn nicht getroffen hat. Den pfeifen neun von zehn Schiedsrichtern und der Zehnte sollte mal bei Fielmann vorbeischauen.

Interessanter als das alles, ist die Frage nach den Gründen für den neuerlichen Spielverlust. Ich denke, dass alle Mannschaftsteile ihren Anteil an dieser Niederlage hatten. Für die Abwehrkette ist eine Umstellung während eines Spiels immer problematisch, deshalb wechseln Trainer in diesem Bereich selten ohne Not. Die war aber gegeben, weil sich Kleineheismann – ohnehin einer der stabilsten Spieler in den letzten Wochen – verletzte. Ich würde schon sagen, dass diese Änderung, und die daraus resultierende mangelnde Abstimmung ursächlich für den Führungstreffer von Regensburg war. Gegentor zwei und drei waren dann eher Pech (Laurito) oder dem kompletten Vorwärtsdrang der Mannschaft geschuldet, die in der knappen verbleibenden Zeit noch den Ausgleich erzielen wollte.

Nach allem, was ich sah, hörte und las, haben sowohl Möhwald als auch Engelhardt ein sehr passables Spiel abgeliefert. Trotzdem: in einem 4-4-2 kommt den beiden Sechsern defensiv wie offensiv entscheidende Bedeutung zu. Sie müssen die Mannschaft organisieren, den größten läuferischen Aufwand betreiben, den Gegner am Spielaufbau hindern und für Kreativität nach vorne sorgen. Eine fußballerische Herkulesaufgabe. Mir gefällt die personelle Mischung aus Möhwald und Engelhardt eigentlich sehr gut. Beide haben keine offensichtliche Schwäche. Möhwald weist eine hohe Dynamik nach vorne auf, Engelhardt hat große defensiv-taktische Fähigkeiten. Alle zwei ordnen ihr Spiel immer dem Erfolg der Mannschaft unter. Was beide allerdings nicht im gleichen Umfang wie Pfingsten-Reddig beherrschen, ist dessen Vermögen, sogenannte «tödliche» Pässe in freie offensive Räume zu spielen. Bei zwei Stürmern ist das, wenn die sich intelligent bewegen, öfter eine Option. Das soll jetzt kein Plädoyer für die Rückkehr von Pfingsten-Reddig ins zentrale Mittelfeld sein; es soll nur deutlich machen, dass Trainer Entscheidungen treffen und dass diese Entscheidungen selten alle Vorteile miteinander verbinden.

Nietfeld und Tunjic sind zwei recht ähnliche Stürmertypen. Beide haben im Strafraum ihre größten Stärken. Trotzdem klappte das Zusammenspiel in der 1. Halbzeit ganz passabel, ohne dass es die Qualität aufwies, die der Angriff des RWE mit einem gesunden Simon Brandstetter vorzuweisen hat. Wenn Kogler beim 4-4-2 bleibt, dann sollten diese Konstellation eine zweite Chance gegen Chemnitz erhalten. Aykut Öztürks Leistung ist für mich schwierig zu beurteilen, aber ich habe mich über die eine Szene, als er einen Elfmeter herausholen will, sehr geärgert. Hier wäre der konsequente Abschluss viel sinnvoller, oder mehr noch: geboten gewesen.

Der RWE hat gegenwärtig nicht nur eine Ergebniskrise. Dies zu behaupten, hieße sich die Leistung der Mannschaft schön zu reden. Ebenso falsch wäre es allerdings, gleich wieder die Apokalypse auszurufen. Alle drei Spiele wurden knapp verloren. Es war zudem recht offensichtlich, warum die Spiele verloren gingen. Neben Dingen, die man trainieren und unter der Woche verbessern kann – wie formative Kompaktheit, Verbesserung des Umkehrspiels, Laufwege, etc. – waren für die Niederlagen individuelle Fehlleistungen, Leichtfertigkeiten und Unkonzentriertheiten maßgeblich. Faktoren, auf die ein Trainer nur bedingt Einfluss nehmen kann.

Deshalb sehe ich in erster Linie die Mannschaft in der Pflicht, unabhängig von ihrer personellen Aufstellung und taktischen Ausrichtung. Wenn es endlich wieder gelingt, die Fehlerquote nach unten zu korrigieren, wird der FC Rot-Weiß Erfurt auch wieder Fußballspiele gewinnen.

Geringes Zuschauerinteresse – It’s the Liga, stupid

Aus gegebenem Anlass, eine kurze Betrachtung der Zuschauerzahlen des RWE für die letzten elf Spielzeiten und die bisherigen Heimspiele dieser Saison.

1. Keine grundstürzend neue Erkenntnis, aber offensichtlich spielt die Ligazugehörigkeit des RWE für die Anzahl der Zuschauer bei Heimspielen die alles überragende Rolle. Im Grunde wurde der Publikumszuspruch in der Zweitligasaison 04/05 im Vergleich zur Vorsaison fast verdreifacht. Der für die RL-Süd relative hohe Wert der Aufstiegssaison 03/04 verdankt sich ausschließlich den beiden letzten Heimspielen, als der Aufstieg schon fast greifbar war bzw. (im Spiel gegen Saarbrücken) perfekt gemacht werden konnte. Ansonsten gab es in jedem der vorherigen Heimspiele des Aufstiegsjahres eine (meist deutlich) kleinere Zuschauerzahl als die so vehement beklagten 4.968 gegen Regensburg vom letzten Samstag.

2. In weit geringerem Ausmaß (aber dennoch deutlich erkennbar) entscheidet über die Zuschauerzahlen die Leistung der Mannschaft innerhalb derselben Spielklasse. In der letzten RL-Nord Saison (2007/2008) spielte der Verein fast durchweg um den Aufstieg mit. Den geringsten Zuschauerzuspruch gab es dabei am ersten Spieltag (gegen LR Ahlen), was darauf hindeutet, dass es nicht die Erwartungshaltung der RWE-Fans vor der Saison war, die für den anormal guten Zuschauerschnitt sorgte, sondern die spektakuläre und erfolgreiche Spielweise einer Mannschaft, die mit Kohlmann, Brückner, Rockenbach, Bunjaku und Kumbela (nur erste Halbserie) erstklassig besetzt war. Die durchschnittlich 7.390 Zuschauer dieser Saison stellen für mich so etwas wie die obere Grenze dessen dar, was in Erfurt mit Drittligafußball (unter den gegebenen Umständen: sprich altes Stadion) erreicht werden kann.

3. Des Weiteren ist auffällig, dass sich die Zahlen in den letzten Jahren um die 6000er Marke herum eingependelt haben. Damit liegen sie deutlich über den Zahlen der RL-Süd-Zeit, und zwar um immerhin ca. 2.000 Zuschauer. Selbst wenn man den Sondereffekt herausrechnet, dass die Gegner in der RL-Süd nominell äußerst unattraktiv waren (außer Jena keine ostdeutschen Traditionsvereine), bleibt ein deutlich größerer Zuschauerschnitt innerhalb der gleichen Spielklasse zu konstatieren.

4. Klar ist zudem: Gegner wie Wehen, Aalen, Sandhausen, Heidenheim, etc. waren und sind Kassengift. Sie bringen kaum eigene Fans mit und haben auf potenzielle Besucher in etwa die Anziehungskraft einer Darmspiegelung. Da nützt es wenig, wenn sie attraktiven und erfolgreichen Fußball spielen. Mit den Teams aus Regensburg, Offenbach, Münster, Darmstadt, Oberhausen ist es nur Nuancen besser. Auch die westdeutschen Traditionsvereine haben eine eher überschaubare Sogwirkung auf hiesige Fußballfans. Aber wenigstens wirkt sich ihre mitgereiste Anhängerschaft positiv in der Bilanz aus. Allein ostdeutsche Traditionsklubs wie Dresden, Rostock, Aue, Chemnitz scheinen eine ungebrochen magnetische Anziehungskraft zu entwickeln. Gegen diese Vereine liegt die Zuschauerzahl immer signifikant über dem Durchschnitt einer Saison. Man mag über Ostalgie (und was sie bedeutet) unterschiedlicher Meinung sein, für den Kontostand des Vereins ist sie ein Segen.

5. Nach Jahren in denen der Aufstieg in die zweite Liga über längere Zeit (am besten bis nahe ans Ende einer Spielzeit) möglich war, folgten Jahre mit geringerem Publikums-Interesse. Nennen wir es mal: post-saisonale Frustration. Belege dafür sind die Spielzeiten 01/02 (5. Platz, 4.362 Zuschauer) vs. 02/03 (9., 3.493), 07/08 (7., 7.390) vs. 08/09 (10., 6.142). Ein Teil der Anhänger verliert schlichtweg den Glauben daran, dass der RWE es jemals wieder schaffen wird aufzusteigen und verweigert die persönliche Teilhabe an diesem Drama. Dieser Glaube allein ist es jedoch, der in der Erfurter Dritt-Liga-Realität für deutlich mehr als 6.000 Zuschauer durchschnittlich sorgen kann. Dieses Phänomen droht auch in diesem Jahr und ist nur zu verhindern, wenn die Mannschaft gegen Ende der Saison auf dem Relegationsplatz steht, oder diesen glaubhaft noch erringen kann. Dann allerdings wird sich das altersmüde Steigerwaldstadion vor euphorischen Erfolgsfans wieder mal nicht retten können. Wie im Aufstiegsjahr 2004, als sich die Zuschauerzahlen bei den letzten beiden Heimspielen jeweils verdoppelten. Sei’s drum, sie wären uns alle willkommen. Auch wenn die Chancen auf eine Wiederholung dieses kleinen Fußballwunders seit dem gestrigen Sieg der Regensburger drastisch gesunken sind.

RWE – Jahn Regensburg 2:2 / Wieder Murmeltiertag im SWS

Die ewige Wiederkehr des Gleichen ist ein zentrales Motiv im Werk Friedrich Nietzsches. Die Inspiration zu diesem Gedanken kam ihm bei einem Spaziergang am See von Silvaplana. Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das Schlechte liegt so nah – der Besuch mehrerer Heimspiele des RWE in dieser Saison bestätigt diese These des exaltierten Philosophen nachdrücklich. Was wiederum auch nicht ganz korrekt ist, denn es handelt sich keineswegs um ein neues Phänomen. Alle, die diesem Verein seit Jahrzehnten verbunden sind, werden sich schmerzlich erinnern: Schon viele Male war der Klub irgendwie dabei irgendetwas zu erreichen, scheiterte aber fast immer und hinterließ tiefe Spuren in den waidwunden Seelen seiner Fans. Sei es die Qualifikation für den UEFA-Cup in den 80iger Jahren, sei es der Pokalsieg, sei es momentan (und in den letzten Jahren) der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Ach, Rot-Weiß Erfurt – Du Fußballverein gewordener Konjunktiv.

Das ist bitter, vor allem wenn man weiß (oder zumindest zu wissen glaubt), dass die Mannschaft die gegenwärtig in den rot-weißen Trikots aufläuft, eigentlich alles mitbringt, um diesen Aufstieg zu erreichen. Wer, wie der RWE am Samstag, den Tabellendritten nahezu über die gesamte Spielzeit nach Belieben beherrscht, muss sich nicht ernsthaft die Frage vorlegen, ob er genügend Qualität aufzuweisen hat. Er hat. Ich habe in dieser Saison nur eine Mannschaft im Steigerwaldstadion gesehen, die besser war als der RWE und das war der VfR Aalen. Und dabei bezieht sich dieses besser, nicht mal auf die fußballerische Qualität der einzelnen Spieler. Aalen gewann hier, weil sie ein grandioses Defensiv-Pressing spielten, dass ich so in dieser Liga noch nicht gesehen habe.

Burghausen, Bielefeld, Regensburg – diese drei Heimspiele fallen mir sofort ein, wenn ich an die verpassten Chancen der laufenden Saison denke. Alle drei Spiele hätten gewonnen werden müssen! Dann stünde man da, wo die Mannschaft meiner bescheidenen Meinung nach hingehört: auf Platz drei der Tabelle. Sogar mit intakten Aussichten auf einen direkten Aufstiegsplatz. Dass ich hier stattdessen wieder nur ein Remis beschreiben, beklagen, ja, bejammern muss, ist wieder so eine kleine, stille Erfurter Fußballtragödie.

Schon in Wiesbaden war das Verhalten bei Standards miserabel

Vor einer Woche siegte der RWE (nach ebenfalls deutlich überlegenem Spiel) bei Wehen Wiesbaden mit 1:0. Zu Chancen kamen die Wiesbadener in diesem Spiel ausschließlich nach hoch in den Erfurter Strafraum geschlagenen Standards. Mit Glück und Sponsel wurde das Spiel gewonnen. Am Samstag das Gleiche – aus dem Spiel heraus keinerlei Tormöglichkeiten für die Gäste aus Regensburg, dafür erzielten sie gleich zwei Tore nach hoch ausgeführten Standards. Zwei Tore in zwei Minuten, kurz vor der Halbzeit. Ein Albtraum.

Ob das Abwehrhalten bei gegnerischen Standards unter der Woche auf dem Trainingsplan stand ist nicht überliefert. Es sah jedenfalls nicht danach aus, was aus meiner Sicht einem fahrlässigen Versäumnis gleich kommen würde. Das wird (und muss) sich diese Woche ändern, sonst werden das nicht die letzten Tore gewesen sein, die der RWE auf diese Weise kassiert.

Aus der Dominanz wird zu wenig gemacht

Doch selbst diese gravierenden Fehlleistungen bei Standards des Gegners hätten noch kompensiert werden können. Die Dominanz des RWE auf dem Platz war beeindruckend. In allen Belangen: Technisch, läuferisch und – vor allem gegen Ende hin – kämpferisch. Allerdings wurden daraus – wie bereits in Wiesbaden – zu wenige Tormöglichkeiten generiert. Das 1:0 war – für jeden sichtbar – sehr glücklich in seiner Entstehung; dem Ausgleich ging ein schöner Diagonalpass von Manno voraus, der allerdings nur zu Drexler kommt, weil die Regensburger Abwehr im Wachkoma lag. Die beiden direkten Torabschlusshandlungen, sowohl von Morabit als auch von Drexler sind dann wieder perfekt, keine Frage. Dennoch: In Relation zur Feldüberlegenheit muss sich die Mannschaft mehr klare Chancen erspielen. Ein Beleg für diese These ist die Tatsache, dass unsere Sturmspitze, Marcel Reichwein, in den beiden letzten Spielen mehr oder weniger in der Luft hing. Warum? Weil Manno (gegen Regensburg), Morabit und Drexler sehr stark bei Dribblings sind, diese eigentliche Stärke derzeit aber übertreiben und allzu oft am zweiten oder dritten Abwehrspieler scheitern, statt den Ball zirkulieren zu lassen. Die Zeiten des Heldenfußballs sind ein für alle Mal vorbei. Der rechtzeitig und akkurat gespielte Ball auf den freien Mitspieler ist im modernen Fußball keine Option mehr, sondern eine Pflichtübung. Jedenfalls für erfolgreiche Mannschaften.

Am nächsten Sonnabend kommt mit dem SV Sandhausen der Tabellenführer ins Steigerwaldstadion. Über letzte und allerletzte Chancen will ich hier und heute nicht weiter schwadronieren. Es wäre jedoch schön, wenn mir trübe Gedanken an überspannte Philosophen dieses Mal erspart blieben.

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