Tag Archiv für Oumari

SV Babelsberg vs. RWE 1:1 / Bockwurst statt Foie gras

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Meine Instinkte scheinen sich nicht mehr vor einem Abstieg des FC Rot-Weiß Erfurt zu fürchten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum der wichtige Punktgewinn in Babelsberg bei mir mehr Verdruss als Erleichterung hervorrief. „Sei doch froh, wieder ein Armzug mehr zum rettenden Ufer hin“, warb mein präfrontaler Cortex um Vernunft. Vergeblich – wie so häufig. Ich war enttäuscht und wusste gleichzeitig, dass diese Emotion ungerecht und irgendwie auch blödsinnig war. Ich habe hier ja selbst oft genug geschrieben, dass wir in dieser Saison von der Mannschaft keine fußballerischen Delikatessen zu erwarten haben. Bockwurst statt Foie gras, so lautet nun mal das frugale Menü dieser Spielzeit.

Vielleicht lag es ja auch an der Aufstellung von Alois Schwartz. Meinem Erwarten zuwider verzichtete er auf einen dritten zentralen Mittelfeldspieler. Oumari verblieb in der Innenverteidigung und Kopilas auf der Bank. Die Analyse der Babelsberger Offensiv(un)fähigkeiten erwies sich als richtig. Auch in dieser offensiver angelegten Formation hatte der RWE die Babelsberger Angriffsbemühungen über die gesamte Spielzeit unter Kontrolle. Das Gegentor – nach einem Standard – entkräftet diese Aussage nicht. Nach dem Spiel gegen Aachen war ich zudem zuversichtlich, was eine weitere Steigerung des rot-weißen Offensivspiels betrifft. Dieser Optimismus war unbegründet. Leider. Dabei hätte es gar nicht besser laufen können. Der RWE geht – glücklich – in Führung. Babelsberg darf dieses Spiel nicht verlieren, erhöht in der zweiten Halbzeit den Druck (oder versucht es zumindest), Räume so groß wie das Dekolleté von Barbara Schöneberger tun sich auf und der RWE mach daraus: Nichts! Oder, besser, weil richtiger und fairer: fast nichts. Ein ums andere Mal werden die Konter nur halbherzig oder ungenau (nicht) zu Ende gespielt. Den Beweis zu erbringen, dass Mijo Tunjic kein Konterstürmer ist, dazu hätte es dieses Spiels nicht auch noch bedurft. Allein – Morabit, Möhwald und Öztürk machten es nicht viel besser, gleiches trifft auf die meist nicht wirklich geglückte Spieleröffnung von Engelhardt und Pfingsten-Reddig zu. Völlig konträr verhält es sich mit der Einordnung der defensiven Leistung der gesamten Mannschaft – die war über weite Strecken der Spielzeit erneut tadellos.

Wir werden – sehr wahrscheinlich – auch in der nächsten Saison Drittligafußball in Erfurt sehen, womöglich sogar erleben. Dies verdankt sich in erster Linie einer Entscheidung, die Alois Schwartz relativ schnell nach seiner Verpflichtung getroffen haben muss und die in etwas abgewandelter Form einer alten Sport-Weisheit folgt: Der Angriff gewinnt Spiele, die Defensive vermeidet den Abstieg. In die Umsetzung dieser Erkenntnis hat der Cheftrainer des RWE viel Arbeit investiert. Dazu nur eine Statistik: Nach 14 Spielen der Hinrunde hatte der RWE bereits 27 Gegentore zu verzeichnen, nach ebenso vielen Spielen der Rückrunde sind es ganze 14. Ausschlaggebend dafür sind drei Faktoren:

  • Das Defensivverhalten der Mannschaften wurde im Verbund verbessert. Dies betrifft sowohl die Laufbereitschaft der Angreifer als auch deren taktisches Verhalten beim Pressing. Was am Anfang der Saison noch häufig unabgestimmt aussah, wirkt jetzt homogen und ist sehr effektiv. Sobald der RWE in der Hälfte des Gegners aggressiv presst, haben ausnahmslos alle Mannschaften der 3. Liga Probleme einen strukturierten Spielaufbau zu initiieren.
  • Vor allem gegen offensivstarke Mannschaften war es sinnvoll, einen dritten zentralen Mittelfeldspieler zu installieren. Diese Position wurde zumeist von Oumari besetzt, der sie in der Regel so ausgestaltete, dass er bei eigenem Spielaufbau deutlich tiefer als Engelhardt und Pfingsten agierte, quasi als deren Absicherung. Sobald der RWE tief in der eigenen Hälfte stand, reiht sich Oumari stabilisierend in die Viererkette ein. Marco Engelhardt interpretierte es ähnlich, vielleicht einen Tick offensiver. Diese Taktik ging nur einmal völlig schief, im verlorenen Heimspiel gegen Saarbrücken, als sich Maik Baumgarten auf der Position (noch) überfordert zeigte.
  • Die nach Saisonbeginn getätigten Verpflichtungen von Möckel und Kopilas erwiesen sich schnell als Gewinn. Bei aller – berechtigten – Kritik an der Transferpolitik des Vereins sollte dies nicht unerwähnt bleiben. Beide sind grundsolide Innenverteidiger, die nur wenige Fehler machen und gerade bei hohen Bällen für deutlich mehr Sicherheit sorgen, als dies noch am Anfang der Saison der Fall war.

Die Arbeit von Alois Schwartz sieht man sowohl dem Spiel der Mannschaft als auch der Tabelle an. Viel positiver kann die Bilanz eines Trainers kaum ausfallen, der eine Mannschaft übernommen hat, die desaströs in die Saison gestartet war. Da werde ich damit leben müssen, dass sich mein Unterbewusstsein besseren, schöneren, eleganteren Fußball wünscht. Fuck off, Freud!

Und nun geht’s raus und gewinnt endlich diesen verdammten Pokal.

Rot-Weiß Erfurt vs. Unterhaching 1:0 / Möhwald for Rechtsverteidiger

Nach Zuspiel von Drexler wird Öztürk gefoult. Elfmeter. Pfingsten. Tor. Was sonst!

Wir haben in dieser Woche zwei Spiele gesehen, für die Alois Schwartz, der Cheftrainer des FC Rot-Weiß Erfurt, völlig verschiedene taktische Konzepte wählte. Möglicherweise wählen musste. Gegen Karlsruhe stand mit Mijo Tunjc nur ein nomineller Offensivspieler in der Startformation. Die Absicht einer derartigen Aufstellung war offensichtlich – es sollte unter allen Umständen ein Gegentor vermieden werden, dafür nahm man den Mangel an Offensivkraft in Kauf. Wir alle wissen, dass diese Intention gescheitert ist. In der entscheidenden Phase des Spiels (ab Minute 15 bis zum Gegentor) konnte der KSC trotzdem enormen Druck entwickeln und erzielte folgerichtig die Führung. Damit war das Spiel entschieden, denn dem RWE fehlte an diesem Abend jedes spielerische Mittel, um die fortan clever verteidigenden Karlsruher ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Mir hat die Aufstellung gegen den KSC nicht gefallen, allerdings sollte man fair genug sein anzuerkennen, dass mit Öztürk und Drexler zwei Alternativen für eine offensivere Variante nicht zur Verfügung standen. Morabit wurde eingewechselt, aber wie immer wenn er nicht in der Startelf steht (0 Scorerpunkte in dieser Saison), konnte er sein Talent nicht wirklich nutzen. Andererseits habe ich mich gefragt, warum Morabit, Nielsen oder der agile Strangl nicht bereits viel eher ins Spiel kamen, denn sobald der RWE in Rückstand geriet, war die Anfangself unzweckmäßig und man hätte sie quasi sofort korrigieren müssen.

Offensivere Aufstellung gegen Unterhaching

Wie auch immer. Gegen Unterhaching standen Oumari, Öztürk und Drexler wieder zur Verfügung und alle drei sollten zu diesem Sieg einen wichtigen Beitrag leisten. Ebenso wie Smail Morabit, der zwar keinen unmittelbaren Anteil am Tor hatte, allerdings in der 2. Halbzeit ein gutes Spiel machte, weil er sich – im Gegensatz zur 1. Hälfte – viel mehr in die offenen Räume bewegte, um nicht stets und ständig von zwei oder drei Gegenspielen sofort bei der Ballannahme attackiert zu werden.

Schwartz verzichtete auf einen defensiven Mittelfeldspieler (was Kopilas seinen Platz in der Startelf kostete), stellte das Spielsystem aber nicht völlig auf den Kopf. Auch gegen Unterhaching spielte Engelhardt sehr konsequent und eng vor der Abwehrkette. Seine Aufgabe wurde erleichtert durch einen herausragend agierenden Joan Oumari, diesmal als Innenverteidiger aufgeboten, der alles erköpfte und erlief was an Bällen auf ihn zukam, dabei kaum ein Foul verursachte und zudem mit klugen Pässen zur Spieleröffnung beitrug. Unterhaching kam aber auch deswegen zu sehr wenigen Möglichkeiten, weil die Erfurter Offensivspieler mittels eines hohen läuferischen Aufwands das Aufbauspiel der Oberbayern massiv störte. Die situativ zu treffende Entscheidung ob aktiv gepresst oder «nur» der Passweg zugestellt wird, fiel mehrheitlich richtig aus und wirkte meist koordiniert.

Mit Möhwald könnte das Problem auf der rechten Seite gelöst werden

Da Ofosu-Ayeh gelbgesperrt war, musste sich Alois Schwartz auf der rechten Seite seiner Viererkette etwas einfallen lassen. Er entschied sich für Kevin Möhwald und das war eine ausgezeichnete Idee. Ich habe keine Ahnung, ob der 19-Jährige diese Position schon jemals innehatte (mir ist es auch bei den A-Junioren nicht erinnerlich). Allein, das war seinem Spiel nicht anzumerken. Um es ganz deutlich zu sagen: Möhwald hat gegenüber Ofosu deutliche Vorzüge. Er ist technisch besser, verfügt über eine höhere Passqualität und ein ausgeprägtes taktisches Verständnis. Der Begriff Außen-Verteidiger ist ja inzwischen völlig irreführend, dazu muss man sich eigentlich nur ein einziges Spiel des derzeit vielleicht weltbesten Spielers auf dieser Position anschauen. Die Rede ist von Philipp Lahm. Er bildet das role model für die moderne Interpretation des defensiven Außenbahnspielers und die fußballerischen Attribute, die es dazu benötigt, finden sich halt eher bei Kevin Möhwald als bei Phil Ofosu-Ayeh. Fillinger (offensiv rechts) und Möhwald standen in dieser taktischen Anordnung zum ersten Mal gemeinsam auf dem Platz. Da ist im Detail noch viel Abstimmungsarbeit zu leisten, aber diese Konstellation könnte die rot-weiße Zukunft rechts der Platzmitte sein.

Ein wenig Geduld kann nicht schaden

In den Foren ist hinsichtlich der Angriffsleistung des RWE viel Gezeter zu lesen. Das kann ich nur zum Teil nachvollziehen. Noch viel weniger kann ich dem zustimmen. Richtig ist, und jeder im Stadion konnte das sehen, dass der RWE große Probleme hatte, sich Chancen zu erspielen. Aber im Gegensatz zum Spiel gegen den KSC wurde das zumindest seriös versucht. Im taktischen Ablauf des Spiels hatte dies unabweisbare Konsequenzen. Unterhaching konnte zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Druck gegen die Abwehr des RWE aufbauen, dafür griffen sie meist mit zu wenigen Spielern an, eben weil Erfurt mit 4 Akteuren (bzw. fünf, wenn Pfingsten-Reddig aufrückte, was häufig vorkam) in der gegnerischen Hälfte präsent war. Klar, es gab massenweise Missverständnisse, Fehlabspiele und individuelle Schwächen. Aber was es von der ersten Spielminute an auch gab, war der Wille ein Tor zu erzielen.

Und dieser Wille wurde belohnt. Nach den auf Gegner-Destruktion getrimmten Aufstellungen der letzten Wochen (die allerdings auswärts reichlich Punkte einfuhren) wäre es ein schieres Wunder gewesen, wenn die Mannschaft am Samstag – mit einer Aufstellung die so noch nie zusammengespielt hat – in einem unvermittelten Offensivrausch diesen (starken!) Gegner aus dem Stadion geschossen hätte. Passende Laufwege, exaktes Umschaltverhalten bei Kontern und eine hohe Passqualität knipst man nicht einfach an wie einen Lichtschalter. Und jetzt nerve ich den Leser mal mit einer grausamen Plattitüde: Man muss sich das alles im Training und über Spielpraxis erarbeiten. Und zwar hart. Jawohl!

Erleben wir das letzte Spiel von Alemannia Aachen?

Nachdem was wir in dieser Woche aus Aachen gehört haben, ist es derzeit nicht völlig sicher, ob das Spiel am Dienstag stattfindet. Aufgrund der Aussagen des Aachener Insolvenzverwalters besteht zudem die Möglichkeit, dass es das letzte Spiel des Vereins Alemannia Aachen im deutschen Profifußball auf unabsehbare Zeit sein wird. Vielleicht für immer. Die Chance, den Mantel der Geschichte durchs altehrwürdige Steigerwaldstadion wehen zu sehen, sollte man sich nicht entgehen lassen. Auch wenn das nichts von Erhabenheit und Größe haben würde, sondern vom genauen Gegenteil zeugt: Dummheit, Ignoranz und Größenwahn. Und damit meine ich nicht exklusiv die alte Vereinsführung dieses Traditionsvereins, sondern auch den Deutschen Fußballbund, der dieses aberwitzige Trauerspiel in hohem Maße mitzuverantworten hat. Die treuen Fans der Alemannia dagegen kann man nur bedauern.

Stuttgarter Kickers vs. RWE 0:1 / Der Gott der Kleinigkeiten

Gegen Ende des Spiels brachen der mdr-Livestream und das RWE-Radio erschöpft zusammen. Nur der Liveticker kündete verlässlich zeitnah vom Sieg der Rot-Weißen bei den Stuttgarter Kickers. Einem. Eminent. Wichtigen. Sieg. Nahezu alle Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt blieben ohne Punkt, sodass der RWE zum ersten Mal in dieser Saison vier Punkte Abstand zum ersten Abstiegsplatz aufweist. Es war alles in einem – ein glücklicher Sieg und einer der Moral, der Triumph mannschaftlicher Geschlossenheit ebenso wie das Resultat einer individuellen Glanzleistung bei einem Standard.

Oft irrt man sich bei der Interpretation von Startformationen. Das folgende Spiel verläuft dann völlig anders, als die Aufstellung es vermuten lässt. Diesmal nicht. Schwartz hatte Stahlbeton angerührt. Mit Tunjic und Öztürk bot er gerade mal zwei dezidierte Offensivspieler auf, das konnte auch durch den Wechsel von Engelhardt zu Möhwald nicht wirklich kompensiert werden. Die Devise lautete: Safety first. Lieber einen Punkt mitnehmen, als die Heimreise mit völlig leeren Händen anzutreten. Und – womöglich das größte Verdienst von Alois Schwartz seit seinem Amtsantritt – auf diese defensive Kompaktheit ist inzwischen Verlass. Spielt Oumari als horizontal agierender Ballvampir vor der Abwehr, hat jede gegnerische Mannschaft immense Probleme Tormöglichkeiten gegen den RWE herauszuarbeiten. Anzahl Chancen der Kickers vor der Pause: Null. Dann verwechselte Joan Oumari während eines Testosteronflashs das Gazi-Stadion mit den Straßen Berlins. Leider nicht zum ersten Mal. Sein Platzverweis ließ für die 2. Halbzeit nicht Gutes vermuten.

Dass es anders kam, hat mit dem titelgebenden Gott der Kleinigkeiten zu tun. Zunächst nutzte Öztürk eine seiner größten Stärken – er schirmte mit dem Körper den Ball sehr geschickt ab, sein Gegenspieler verlor die Geduld und bedrängte ihn zu sehr. Wingenbach erkannte an der rechten Stuttgarter Strafraumgrenze auf Freistoß. Keine Position, aufgrund der man sich allzu große Sorgen machen müsste. Jedenfalls nicht wegen der möglichen Gefahren eines direkt getretenen Freistoßes, dazu war der Ball einfach nicht mittig genug positioniert. Außerdem ist mir nicht mehr erinnerlich, wann der RWE zuletzt einen Freistoß direkt verwandelt hat. Auch der Stuttgarter Keeper rechnete eher mit einer Hereingabe in den Strafraum; die von ihm gebildete Drei-Mann-Mauer wohl ebenfalls. Jedenfalls sprang sie so halbherzig und unkoordiniert in die Luft, dass der von Pfingsten-Reddig getretene Ball mitten durch sie hindurch den Weg ins Tor fand.

Der Rest war ein substanzraubender, hingebungsvoller und kollektiver Kraftakt der zehn auf dem Platz verbliebenen Rot-Weißen. Doch einer ragte heraus. Das Tempo von Philipp Klewins Entwicklung vom Torwart-Notnagel zum Leistungsträger ist ebenso rasant wie erstaunlich. Erst eine Woche zuvor debütierte er gegen Burghausen, hielt dort mit Glanzparaden den Punkt fest, leistete sich aber einige (folgenlose) Fehler beim Herauslaufen. Am Samstag war von solchen Unsicherheiten nicht das Geringste zu sehen. Alles was auf sein Tor kam, ob Schuss, Kopfball oder Flanke wurde von ihm tadellos verarbeitet. In einem für den Verein hochwichtigen Spiel, zeigte der Neunzehnjährige keine Spur von Nervosität. Großartig. Und die Gelegenheit, auf die gute Arbeit aufmerksam zu machen, die René Twardzik seit Jahren mit den Torleuten leistet.

Jetzt liegen drei Heimspiele vor dem FC Rot-Weiß Erfurt und seinen Fans. Der Frühling kann beginnen – meteorologisch wie fußballerisch. Wir haben in jeder Hinsicht genug gefroren.

Wacker Burghausen vs. RWE 0:0 / Titanisch dicht gehalten

Ich hatte mich vor dem Spiel via Facebook ungehalten gezeigt über die Nichtberücksichtigung von Smail Morabit in der Startformation. Jedoch: Der RWE hat in Burghausen einen wichtigen Punkt im Abstiegskampf errungen, damit hat der Trainer alles richtig gemacht. Klappe halten, Du dummer Blogger. Aber es war dünnes Eis, dieses 0:0 im Oberbayerischen. Es gab Phasen in der 2. Halbzeit, da schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann der SV Wacker in Führung gehen würde. Mit etwas Glück und einem guten Philipp Klewin überstand der RWE diese brenzligen Situationen.

Die Leistung unseres nominell dritten Torhüters kann man getrost auf der Habenseite dieser Begegnung verbuchen. Ebenso wie die sich erneut ungemein stabilisierend auswirkende Aufstellung von Joan Oumari als Verteidiger vor der Abwehr (sprich: defensiver Sechser). Überhaupt: Alle in der Viererkette eingesetzten Spieler machten ihren Job ordentlich, vor allem an Ofosu-Ayeh gefiel (bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung) die große Präsenz und Agilität seines Spiels. Dass er von Patrick Göbel ersetzt wurde, überraschte dann doch, aber offenbar wollte Schwartz einen Rechtsfuß an dieser Stelle der Viererkette, weshalb er sich gegen Thomas Ströhl entschied. Göbel begann etwas nervös, kein Wunder, da die Rechtsverteidiger-Position auch für ihn völliges Neuland darstellte, wurde aber im Laufe des Spiels stabiler in seinen Aktionen. Wer weiß, vielleicht sehen wir diese Konstellation noch das ein oder andere Mal. Philipp Lahm begann seine Karriere schließlich auch als Außenstürmer.

Besorgniserregend war dann aber doch, wie sehr die Rot-Weißen ins Schwimmen gerieten, als Wacker in der 2. Halbzeit Risiko und Druck erhöhte. Die ohnehin nicht eben herausragende Passquote in die Offensivpositionen hinein näherte sich in diese Phase der Nulllinie an. Was im Gegenzug die Wucht der Angriffe von Wacker weiter zunehmen ließ. Jetzt wäre es vermessen zu behaupten, dass dies mit Morabit (statt Tunjic) besser gewesen wäre, aber genauso wenig plausibel kann man dies in Abrede stellen. Ich denke, dass für Tunjic in der Startelf vor allem dessen defensive Qualitäten sprechen – er ist kopfballstark bei gegnerischen Standards, läuft unermüdlich die aufbauenden Gegnerspieler an – und das sich Schwartz vor allen aus diesem Grund für ihn entschieden hat. Dies konsequent zu Ende denkend, könnte man aber gleich einen Innenverteidiger als Mittelstürmer aufbieten. Offensichtlich ist das ebenfalls nicht der Fußballweisheit letzter Schluß. Eines erscheint gewiss: Die Offensivleistung der Mannschaft muss in den kommenden Spielen deutlich besser werden, will man den Erfurter Fans eine Zitterpartie bis zum letzten Spieltag ersparen. (Mit möglichem Showdown in Rostock – eine wahrhaft gruslige Vorstellung.)

Am Mittwoch beginnt die Stuttgarter Woche im Gazi-Stadion zu Degerloch. Drei Punkte (also ein Sieg aus beiden Spielen) würde ich bereits als Erfolg ansehen. Jeder Punkt darüber hinaus wäre Balsam für unsere Nerven und würde den RWE erstmals in dieser Saison etwas aus der unmittelbaren Abstiegszone herausbefördern. Also Jungs, tut was für meine Lebenserwartung.

Randnotiz: Wilfried Mohren hat unsere dürstenden Seelen wieder mit einem seiner legendären Einwürfe erfreut. Dieses Mal hatte er sich zur Aufgabe gemacht, die Verdienste der Arena-Stifter Rombach, Bausewein und Machnig hymnisch zu lobpreisen. Dabei lässt er sich nicht lumpen, der Wilfried. Rombach hatte einst die «titanische Idee». Alle drei erlauben uns «einen Einblick in die Handlungsweise des strategischen Geschicks großer Persönlichkeiten.» Matthias Machnig sei überdies «genial analytisch» und verfüge über «eine Menge von Kenntnissen, die anderen tiefe Rätsel sind». Er schlägt des Weiteren vor, die Drei mit dem «Tor des Jahres in der Kategorie Weitsicht und Durchsetzungskraft» auszuzeichnen.

Ich schlage im Gegenzug vor, Wilfried Mohren zum Tor des Monats in der Kategorie «Arschkriecherei» zu wählen.

Nachtrag, wohl notwendig um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin ebenso für die neue Arena wie die meisten anderen Fans des RWE. Ich habe auch nichts gegen Rombach, Bausewein und Machnig und anerkenne deren Verdienste um die neue Arena. Nur finde ich es lächerlich, wenn dem Pressesprecher des RWE wieder mal völlig die Feder entgleist und er im inbrünstigen Stile eines Auftragsjournalisten die Großen Vorsitzenden hymnisiert. Die in dieser Sache vor allem eines gemacht haben, das aber zugegebenermaßen gut: ihren Job.

OFC vs. RWE 0:1 / Smells Like Team Spirit

Er war an vier von fünf gefährlichen Offensivaktionen des RWE beteiligt und schoss das entscheidende Tor zum Auswärtssieg in Offenbach. Außerdem sollte nicht unterschlagen werden, dass er über die ganze Spielzeit hinweg unentwegt nach hinten gearbeitet hat. Die Rede ist natürlich von Mijo Tunjic, dem – auch hier – viel Kritisierten. Stürmer vom Typ des Niederländers (eher dynamisch-kraftvoll als technisch-filigran) und ich, werden in diesem Leben keine ziemlich besten Freunde mehr. Sei’s drum – er hat am Samstag auf dem Bieberer Berg ein gutes Spiel gemacht und dafür soll ihm die gebührende Anerkennung zuteil werden.

Es war zu jedem Zeitpunkt ein äußerst enges Spiel. Der RWE hätte es ebenso gut verlieren können, genauso wie wir das Spiel gegen Saarbrücken eine Woche zuvor hätten gewinnen können. Es hängt von Kleinigkeiten ab, auf die man nur zu einem gewissen Teil Einfluss hat. Alois Schwartz hatte das Seine an Einfluss geltend gemacht. Oumari rückte erneut ins defensive Mittelfeld und erledigte seinen Job dort fehlerfrei. Sobald der RWE sehr tief steht, fungiert er als zusätzlicher Verteidiger, ansonsten sichert er Engelhardt, vor allem aber Pfingsten-Reddig, ab. Letzterem gab dies die notwendige Freiheit, um sich, wenn die Gelegenheit es zuließ, in vorderster Linie in die Angriffe einschalten zu können. Das sollte von spielentscheidender Bedeutung sein. Genau daran mangelte es eine Woche zuvor, als Baumgarten auf der Oumari-Position keine Stabilität in seine Aktionen bekam und somit auch Pfingstens offensiver Drang beschränkt bleiben musste.

In der ersten Halbzeit verbissen sich beide Kontrahenten fest ineinander. Wie bei zwei griechisch-römischen Ringkämpfern wurde um minimalste Vorteile gerungen. Ästhetisch weiß Gott kein Vergnügen. Die realtaktische Analyse zeigt, dass der RWE Vorteile auf der rechten Seite hatte. Möhwald und Ofosu-Ayeh waren defensiv kaum gefordert, ihre Angriffsbemühungen (zuweilen unterstützt vom herbeieilenden Öztürk) scheiterten aber an Ungenauigkeiten im Passspiel. Außerdem haben beide Spieler die Tendenz Flügelangriffe nicht konsequent zu Ende zu spielen, weil sie in Höhe des Strafraums oft in die Mitte des Feldes ziehen. Die Kickers machten Druck auf unsere linke Abwehrseite, scheiterten jedoch gleichfalls an ihrer mangelhaften Passqualität. Durch die Spielfeldmitte lief offensiv für beide Teams nichts zusammen. Mit einer Ausnahme: Tunjic setzte sich einmal zentral sehr schön durch. Leider hatte kein RWE-Mittelfeldspieler diese Möglichkeit antizipiert, sodass unser Stürmer völlig auf sich allein gestellt war und aus spitzem Winkel einen wenig aussichtsreichen Schussversuch unternehmen musste. Gefährliche Offensivaktionen des OFC gab es keine.

Das Spiel setzte sich in der 2. Halbzeit unverändert fort, nur dass der OFC jetzt mehr riskierte. Was sein Verderben werden sollte. Nach einem Ballverlust der Offenbacher im Mittelfeld bereitete Pfingsten-Reddig erst die Führung für den RWE vor, dann verpasste Tunjic die Vorentscheidung, als er die nächste perfekte Hereingabe des Erfurter Kapitäns an die Latte knallte. Die beiden Zuspiele von Pfingsten-Reddig sollte man sich im Taktikseminar des RWE mehrmals sehr intensiv anschauen. Erstens zeigen sie nämlich, dass es sich lohnt, konsequent die Außenbahnen zu besetzen. Zweitens machen sie deutlich, wie man Mijo Tunjic anspielen muss, damit er seine Stärken einsetzen kann. Keine halbgewalkten, halbhohen, halbgenauen Anspiele in die Spitze, sondern gut temperierte Flanken von den Außenbahnen.

Den Rest des Spieles verteidigte der RWE die Führung mittels einer mannschaftlich löblich geschlossenen und kämpferisch vorbildlichen Einstellung. Wobei dem OFC herzlich wenig einfiel, um das von Sponsel fehlerfrei gehütete Erfurter Tor erfolgverprechend zu belagern. Spielerisch eigentlich gar nichts, um genau zu sein; nur bei Standards musste gezittert werden.

Das Spiel gegen unsere trickreichen Freunde aus Aachen ist unterdessen erneut abgesagt.  Abgesagt ist auch meine Hoffnung, dass es jemals wieder Temperaturen über zehn Grad in unserem Teil der Welt geben wird. Irgendetwas scheine ich – tumber Tor, der ich bin – an den Prognosen der Genies des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung grundsätzlich falsch verstanden zu haben. Egal. Am Samstag kommt der Ligaprimus aus Karlsruhe und ich hoffe einfach darauf, dass es dem KSC ebenso ergeht, wie (fast) allen anderen Mannschaften die in letzter Zeit ins Steigerwaldstadion als Spitzenreiter kamen: Nämlich, dass die Badener ohne Punkte die lange Heimreise antreten müssen.

Mit dieser schönen Verheißung zittere ich mich durch den Rest der Woche.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. 1. FC Saarbrücken 1:2 / Kein Fußball, nirgends

Saarbrücken gewann nicht nur diesen Kopfball / ©www.fototifosi.de

Die Frage, mit welcher Taktik Alois Schwartz gegen Saarbrücken beginnen würde, beschäftigte mich bereits ein paar Tage vor dem Spiel. Sollte er das 4-1-4-1 beibehalten, mit dem eine Stabilisierung der Mannschaft auf überschaubarem fußballerischen Niveau gelungen war? Oder wäre dieses System – mit drei zentralen Mittelfeldspielern – gegen den FCS eine zu hasenfüßige Wahl und ein 4-2-3-1 sinnvoller? Wen würde er für die Startformation aufbieten? Die Zeiten, in denen sich die Mannschaft von allein aufgestellt hatte sind vorüber – die Sperren abgelaufen, Langzeitverletzte trainieren seit Wochen wieder mit der Mannschaft. Es würde Härtefälle geben. Unvermeidlich.

Der Erfurter Cheftrainer entschied sich für das 4-1-4-1 und für Maik Baumgarten hinter den beiden Achtern Pfingsten-Reddig und Engelhardt. Das war überraschend, da bisher Oumari oder Engelhardt diese Position innehatten. Überraschend, ja; unplausibel, nein. Baumgarten hatte in den letzten Spielen zu überzeugen gewusst und diese zentrale defensive Position von der Pike auf gelernt. Auf der Bank saßen mit Morabit, Tunjic, Kopilas und Nielsen vier Spieler, die von ihrem Selbstverständnis her, ein eher problematisches Verhältnis zu einer dauerhaften Rolle als Ergänzungsspieler haben dürften.

Spätestens nach der Saarbrücker Führung durch Özbek war klar, dass der taktische und personelle Spielplan des RWE nicht aufging. Baumgarten bekam keine Sicherheit in seine Aktionen, vor allem das Aufbauspiel kam über Ansätze nicht hinaus. Darauf reagierte Pfingsten-Reddig. Er versuchte den Youngster beim Spielaufbau zu unterstützen, was jedoch dazu führte, dass er als offensive Relaisstation vor der gegnerischen Viererkette ausfiel. Die drei Offensivspieler spielten zu positionsbezogen und bekamen kaum Zuspiele mit denen etwas anzufangen war. Die Option, die beiden Außenverteidiger mit ins Angriffsspiel einzubeziehen, steht dem RWE (aus verschiedenen Gründen) seit Jahren nicht zu Gebote – warum hätte sich ausgerechnet in diesem Spiel daran etwas ändern sollen. Erst gegen Ende der 1. Halbzeit wurde es geringfügig besser, der Ball wurde Öztürk einige Male in die Füße gespielt und der versuchte (meist mit dem Rücken zum gegnerischen Tor) über engagierte Einzelaktionen so etwas wie Torgefahr zu erwirken. Dann entschied Schiedsrichter Sven Jablonski auf Rote Karte gegen den Saarbrücker Stiefler. Eine bei Weitem zu harte Entscheidung. Diesmal schien der Fußballgott dem RWE gewogen. Halbzeit.

Schwartz nahm Baumgarten vom Feld und brachte für ihn einen zusätzlichen Stürmer. Eine taktisch absolut richtige Entscheidung. Dass der Stürmer Nielsen und nicht Tunjic hieß, na ja, darüber kann man sicher diskutieren. Weil eigentlich klar war, wie das Spiel in der 2. Hälfte aussehen würde. Saarbrücken verteidigte tief (und überaus geschickt), dem RWE gelang es nicht seine Überzahl spielerisch zu nutzen. Trotzdem ergaben sich einige unübersichtliche Situationen im Strafraum des FCS. Und genau für diese Art von Präsenzfußball ist Mijo Tunjic der richtige Spieler. Ebenfalls diskutabel war die Entscheidung, Morabit nicht ebenfalls sofort nach der Pause zu bringen. Wenn ich böse wäre, könnte ich schreiben, dass dann das 0:2 früher fällt und der RWE mehr Zeit gehabt hätte, es noch zu egalisieren. Aber Morabit ist vermutlich schon gestraft genug, weil sein leichtfertiger Hackenfehlpass einen (gerechtfertigten) Tobsuchtsanfall von Andreas Sponsel nach sich zog. Abgesehen vom zweiten Tor für Saarbrücken natürlich. Es gelang noch der Anschlusstreffer, mehr nicht. Der FCS feierte einen eklatant wichtigen, verdienten Auswärtssieg. Verdient allein schon wegen der erstklassigen Abwehrleistung (eine Schlacht war gar nicht vonnöten), die die Saarländer in Unterzahl lieferten. Gegen einen Gegner allerdings, der vor allem fußballerisch an diesem Samstag alles vermissen ließ.

Doch sollte man in Erfurt davon absehen, nun gleich wieder das berühmte Kind mit dem nicht minder berühmten Bade auszuschütten. Nach dreiwöchiger Punktspielabstinenz kam die Mannschaft aus der Winterpause 2.0. Die mangelnde Spielpraxis merkte man ihr an, zumal gegen einen Gegner, der sich eine Woche vorher mit einer sehr ordentlichen Leistung gegen den KSC einen Punkt und das damit einhergehende Selbstvertrauen holte. Mindestens ebenso schwer wog der Umstand, dass die Mannschaft seit 2 Wochen kaum vernünftig trainieren konnte. Das ist keine Lappalie. Damit will ich nicht die vielen Fehlpässe und jeden unabgestimmten Laufweg entschuldigen. Jedoch: Die Spiele dieser 3. Liga werden oft durch Kleinigkeiten entschieden. Für jeden Verein, der da unten steht, geht es um alles. Der FC Rot-Weiß Erfurt verfügt zumindest nominell über einen Kader, der sich in diesem sportlichen Überlebenskampf behaupten kann. Damit diese Profifußballer das umsetzen können, müssen sie in der Mannschaftssportart Fußball miteinander üben. Fußballspielen üben. Dazu benötigt es professionelle Trainingsbedingungen. Sind diese nicht vorhanden, sieht man das auf dem Platz. Und wenn man diese Bedingungen nur anderenorts findet, muss man deshalb nicht gleich „eine langfristige Zusammenarbeit auf sportlicher Ebene“ heraufbeschwören. Mir jedenfalls genügt der Grusel vollkommen, der sich bei einem Blick auf die aktuelle Tabelle einstellt. Horrorszenarien, die auf nichts als auf Spekulationen gründen, braucht es da nicht auch noch.

Arminia Bielefeld vs. FC Rot-Weiß Erfurt 2:0 / Kein Almtraum

Noch einer der besten RWE-Spieler: Maik Baumgarten © fototifosi.de

Das war in jeder Hinsicht ein Rückschritt im Kampf um den Ligaverbleib. Der RWE begann solide, was sich aber als wertlos herausstellte. Die Arminia benötigte 20 Minuten um nach den personellen Umstellungen ihre Ordnung zu finden, war dann jedoch die restlichen 70 Minuten die eindeutig bessere Mannschaft. Schade, dass Möckels Fallrückzieher in der achten Minute nicht den Weg ins Tor fand. Rückblickend betrachtet, wäre eine frühe Führung des RWE wohl die einzige Möglichkeit gewesen, auf der Bielefelder Alm etwas mitzunehmen. Alois Schwartz vertraute derselben Mannschaft wie im Heimspiel gegen Osnabrück. Allein, das Auftreten des Teams war ein völlig anderes. Ich würde sagen, dass dieses Spiel da verloren wurde, wo Spiele fast immer gewonnen oder verloren werden: im Mittelfeld. Was im letzten Spiel taktisch gut funktionierte, ging dieses Mal völlig daneben. Die Arminia wich dem kompakten zentralen Mittelfeld des RWE geschickt aus und legte ihr Spiel konsequent über beide Flügel an. Dort und auf den Halbpositionen wurde ständig Überzahl hergestellt. Damit hatte sich Arminia-Trainer Krämer einen klugen Matchplan zurechtgelegt, und seine Mannschaft war in der Lage diesen – nach anfänglichen Problemen – umzusetzen. Augenfälliger Unterschied: Das Spiel der Arminia war strukturell darauf angelegt, Angriffe über die Außenpositionen vorzutragen. Beide Außenverteidiger standen sehr hoch, hielten konsequent die Außenlinie und verliehen dem Spiel ihrer Mannschaft auf diese Weise sowohl Tiefe als auch Breite. Gemeinsam mit dem ballnahen Sechser und oft unterstützt von einem abkippenden Stürmer ergaben sich so immer wieder Passdreiecke, die der RWE nicht zustellen konnte. In Folge waren Möckel und Oumari oft genötigt herauszurücken, was gravierende, teils scheunentorgroße Lücken in die RWE-Abwehr riss.

Und dann sah man auch sofort, warum der RWE da steht, wo er tabellarisch momentan zu finden ist. Sobald die Mannschaft defensiv unter Druck gerät, sinkt die Passqualität dramatisch. Angefangen bei den in der letzten Woche (zurecht) hochgelobten Routiniers Engelhardt und Pfingsten-Reddig, bis hin zum Mittelstürmer, die Bälle wurden reihenweise hektisch verschludert. (Am besten gefiel mir noch Maik Baumgarten.)

Eine Niederlage in Bielefeld ist kein Beinbruch, und niemand durfte damit rechnen, dass der RWE eine nicht enden wollende Siegesserie startet. Allerdings, die weitgehende Chancenlosigkeit in diesem Spiel war ernüchternd. Ich hätte mir gewünscht, dass Schwartz bereits zur Halbzeit personell, vor allem aber taktisch umstellt. Das ist unterblieben. Jedoch muss man dem Trainer zugute halten, dass er sich bessere Außenverteidiger nun Mal nicht schnitzen kann. Diese seit langem bekannte, offensichtliche Qualitätslücke nicht längst geschlossen zu haben (ja, es nicht mal versucht zu haben), ist und bleibt kein Glanzstück der hierfür Verantwortlichen. Die nächsten Wochen werden bretthart, der Druck auf die handelnden Protagonisten wächst.

Optimistischere Schlussworte wollen mir heute partout nicht in den Sinn kommen. Totzdem, an alle Karnevalisten: Helau, Alaaf und so.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. VfL Osnabrück 2:1 / Die Stunde der Veteranen

Sekunden vor der Entscheidung: Nielsen wartet auf Engelhardt © fototifosi.de

Er ist noch nicht fit genug, um 90 Minuten Drittligafußball spielen zu können. Sobald er es aber ist, werden die Anhänger des FC Rot-Weiß Erfurt noch viel Freude an ihm haben. Die Rede ist von Morten Nielsen, dem dänischen Neuzugang. Woher ich das weiß? Nun, ich weiß es natürlich nicht wirklich. Sagen wir, es ist eher so eine Ahnung. Das geht doch jedem zuweilen so; man sieht einen Spieler und denkt sofort: Das passt! Ist aber schon länger her, dass sich bei einem neuen RWE-Spieler diese Ahnung einstellte. Lässt sich in diesem Fall sogar exakt datieren – auf den 12.07.2011, als Smail Morabit im Testspiel gegen Werder Bremen am Steigerwald debütierte.

Mir hat die Vorbereitung des Siegtreffers durch den Dänen sehr imponiert, vor allem wegen der Dinge, die Morten Nielsen nicht tat. Als er den Ball von Morabit in den Fuß gespielt bekommt, wird er nicht hektisch. Er versucht des Weiteren nicht, nach innen zu ziehen und selbst zu schießen, genauso wenig probiert er es mit einem Alibizuspiel auf die beiden im Strafraum befindlichen, jedoch abgedeckten, Mitspieler. Während in der Szene alle anderen beteiligten Spieler nur auf den Ball starren, hat er den Kopf oben, sieht Engelhardt heranstürmen, verzögert kurz und legt das Spielgerät exakt in den Raum des Spielfeldes, der für den VfL in diesem Moment nicht zu verteidigen ist. Marco Engelhardt vollendet mit einem der spektakulärsten Tore der jüngeren Erfurter Fußballgeschichte. Selten war ein Sieg so verdient und zugleich so überlebensnotwendig – wie die Resultate einiger Konkurrenten um den Ligaverbleib zeigen sollten.

Das alles war um 13.59 Uhr nicht absehbar. Zur Liste der langzeitverletzten, rekonvaleszenten und gesperrten RWE-Spieler gesellte sich kurzfristig noch Dominick Drexlers Name. Ich war nicht amused. Alois Schwartz wohl ebenfalls nicht – er war zu massiven personellen Umbauten seiner Startelf gezwungen. Was er nicht veränderte, war die taktische Grundordnung. Engelhardt übernahm die defensive Position im zentralen Mittelfeld von Oumari  – der für den gesperrten Kopilas in die Innverteidigung rückte. Neben Pfingsten-Reddig spielte Baumgarten – und der Youngster machte seine Sache ausgesprochen gut. In welche taktische Notation lässt sich die Formation des RWE eigentlich fassen? Nun ja, der eine sagt so, der andere so. Für transfermarkt.de war es ein 4-2-3-1, für den Kicker ein 4-3-3. Der Kicker hat mehr recht. In der offensiven Ordnung ist es eindeutig ein 4-1-4-1. Engelhardt (oder Oumari) spielen absichernd zwischen den zwei Viererketten. Das erlaubt es Nils Pfingsten-Reddig in der Vorwärtsbewegung viel höher zu agieren (quasi als Mischung aus Achter und Zehner), wovon das Angriffspiel des RWE am Samstag ungemein profitierte. Das verlangt unserem Kapitän jedoch einen enormen läuferischen Aufwand ab, da er sich bei Ballverlusten schnell nach hinten orientieren muss. Dann wird aus dem 4-1-4-1 ein System mit drei Sechsern, eben jenes vom Kicker erkannte 4-3-3. Die Taktiknerds sprechen in solchen Fällen von einer Hybridformation. Fußball hat schon lange aufgehört ein einfaches Spiel zu sein.

Nach der frühen Führung des VfL zeigte sich schnell, dass der RWE im Winter 2013 nicht mehr die Mannschaft des ersten Saisondrittels ist. Von Panik und Ratlosigkeit keine Spur. Stattdessen wurde kämpferisch und fußballerisch alles unternommen, um sofort zurück ins Spiel zu finden. Pfingsten-Reddigs Können und Abgebrühtheit bei Elfmetern beginnt, historische Dimensionen anzunehmen. Bei nächster Gelegenheit mache ich mir mal die Arbeit, die besten Trefferquoten im deutschen Profifußball auszurechen – da ist er von der Spitze nicht mehr sehr weit weg, wenn überhaupt. Wie wichtig es ist, Elfmeter zu variieren, vor allem aber konzentriert zu schießen, konnte man sich am Sonntag bei Blaszczykowskis zweitem Elfmeter anschauen. Der verlässt sich immer darauf, dass er den Torhüter «ausguckt». Wenn dies nicht gelingt – und der Torwart in die richtige Ecke springt, dann hält er ihn oft auch, weil die Qualität des Schusses miserabel ist. Ganz anders bei Pfingsten-Reddig: Kein Keeper der Welt hält diesen Ball – scharf, hoch, platziert in die linke Torwartecke. Ein Weltklasse-Strafstoß.

Wenn der VfL Osnabrück gefährlich vor das von Sponsel gut gehütete Tor des RWE kam, dann war fast immer ein Spieler beteiligt, der bis Juni noch im Trikot der Erfurter auflief – wenn er denn mal auflief. Und den man dann sang- und klanglos aus seinem noch laufenden Vertrag gen Osnabrück ziehen ließ. Gaetano Manno wird in dieser Saison bei der Rangliste von kicker.de als notenbester Stürmer (und insgesamt zweitbester Feldspieler) der 3. Liga geführt. Warum das so ist, konnte am Samstag sehen, wer es sehen wollte. Nach der letzten Saison wurden viele Fehler gemacht, einer der größeren war, sich in der Einschätzung der fußballerischen Wertigkeit eines Gaetano Manno grundsätzlich geirrt zu haben.

Die Absenz von Kopilas merkte man nicht nur der RWE-Abwehr an, seine physische Präsenz fehlte auch bei Standards in der gegnerischen Hälfte, die allesamt von der VfL-Abwehr problemlos entsorgt wurden. Oumari agierte ungewohnt fahrig, Möckel solide, leistete sich allerdings einige Fehler im Spielaufbau. Die größte Baustelle der Mannschaft von Alois Schwartz bleibt die rechte defensive Außenbahn. Ofosu-Ayeh wusste zwar durchaus in der Offensive in einigen Szenen zu gefallen, kam mit Manno aber überhaupt nicht klar, was dessen starke Leistung natürlich noch zusätzlich animierte. Czichos spielte unauffällig, was ich als Kompliment verstanden wissen möchte. Thomas Ströhl ist für mich die größte positive Überraschung der bisherigen Saison. Mit seinem Comeback im Profifußball hatte ich nicht mehr gerechnet. Aber, ich bin ja nicht der Vatikan, hier werden Urteile schon mal nach weniger als tausend Jahren revidiert. Schade, dass er nicht wenigstens eine seiner beiden Großchancen nutzen konnte. Bei der Zweiten (nach kluger Vorarbeit Ofosus) sah man allerdings, dass sein rechter Fuß exklusiv dafür gut ist, nicht umzufallen.

Doch dieser Text soll nicht als gebloggte Krümelkackerei enden. Unterm Strich war es ein großartiger Sieg des RWE über einen starken Gegner. Wenn die Mannschaft sich weiter so entwickelt, dann bleibt uns vielleicht doch ein Zittern bis zum Ende erspart. Und dieser Däne, ihr werdet es erleben, wird daran einen erfreulichen Anteil haben.

RWE vs. SV Wehen Wiesbaden 2:2 / Stabil auf der Intensivstation

Vom Punkt nicht zu stoppen: Nils Pfingsten-Reddig © www.fototifosi.de

Alois Schwartz hatte vor dem Spiel gewarnt. Wehen Wiesbaden sei fußballerisch besser als Rostock und gehöre eigentlich in gehobenere Regionen der Tabelle. Diese Einschätzung des RWE-Cheftrainers erwies sich als richtig. Mir ist es ein Rätsel, wie eine technisch so talentierte und taktisch reife Mannschaft sich Sorgen um den Ligaverbleib machen muss. Ist aber nur eine von vielen Fragen rund um diese seltsame 3. Liga. Und an dieser Stelle naturgemäß nicht die wichtigste.

Wieso die Fans des FC Rot-Weiß Erfurt um den Erhalt des Profifußballs in ihrer Stadt bangen müssen, ist vergleichsweise einfach zu beantworten. Das Spiel am vergangenen Samstag bot besten Anschauungsunterricht. Ohne Zweifel, Alois Schwartz ist es gelungen, die Mannschaft zu stabilisieren. Die Frage ist jetzt, ob das dabei erreichte Niveau ausreichen wird, die Klasse zu halten. Sagen wir so: es könnte eng werden. Schwartz hat – sieht man von Änderungen aufgrund von Sperren und Verletzungen ab – seine Mannschaft und sein System gefunden. Der RWE hat in den letzten 5 Spielen nicht verloren und 9 Punkte geholt. Da die anderen Vereine in ähnlich prekärer Lage die unschöne und enervierende Angewohnheit haben ebenfalls Punkte zu sammeln, befinden wir uns aber wieder auf einem Abstiegsplatz. Die Leistung der Mannschaft ist fragil. Jede Substanzeinbuße bedeutet Punktverluste. Oumaris Ausfall war am Samstag nicht zu kompensieren. Weder defensiv noch offensiv. Seine beiden Innenverteidiger-Kollegen koproduzierten einträchtig den Elfmeter für Wiesbaden zum 2:2-Endstand. Erst Möckel mit einem Pass direkt aus der Hölle, dann Kopilas mit einem Zweikampfverhalten selben Ursprungs. Ich weiß, es ist nicht lange her, da hatte ich dem Duo Morabit und Drexler noch die Qualität einer RWE-Lebensversicherung zugesprochen – leider waren ihre Leistungen in den letzten beiden Heimspielen nicht durchweg geeignet, diese optimistische Prognose besonders plausibel erscheinen zu lassen.

Trotzdem, Möckel, Kopilas, Drexler und Morabit sind ganz eindeutig nicht das Problem der Mannschaft. Sie machen Fehler und/oder leisten sich schwächere Spiele, aber im Grunde gehören alle unbestritten zu den Leistungsträgern des Teams.

Es gibt allerdings zwei Positionen, bei denen ich den Langmut und das Zueinander-Finden-Lassen von Alois Schwartz nicht verstehe. Die eine betrifft die rechte Seite der Viererkette, momentan konstant besetzt mit Phil Ofosu-Ayeh. Defensiv werden uns derzeit die Schwächen auf dieser Seite von jedem Gegner um die Ohren gehauen. So auch am Samstag bei der Führung des SVWW, als sich Ofosu einen schlimmen Stellungsfehler leistete und wirkungslos im Niemandsland herumstand, als die torvorbereitende Eingabe über seine Seite erfolgte. Offensiv ist die mangelnde Passgenauigkeit unseres Rechtsverteidigers bereits in der vergangenen Saison ein steter Quell meiner Frustration gewesen. Daran hat sich leider nichts zum Besseren verändert. Warum, frage ich mich, sitzt beispielsweise Maik Baumgarten nur auf der Bank. Klar, die Position wäre für ihn ungewohnt, aber der Junge ist in der Lage mit neuen Situationen gut und schnell fertig zu werden. Und, mal ehrlich, so gewaltig ist das Risiko einer Verschlechterung nicht.

Die zweite eklatante Schwachstelle ist für mich Mijo Tunjic im Sturmzentrum. Es ist unstrittig: er läuft viel, er kämpft, gibt nie auf, wirft sich in jeden Ball. Ja, ja, ja. Aber, ein Zuspiel auf ihn bedeutet oft auch das abrupte Ende eines Erfurter Angriffs. Worin seine Fähigkeiten liegen, kann man erkennen, sobald der Ball im Strafraum ist – mit jeder Faser seines Körpers versucht er das Runde irgendwie ins Eckige zu bugsieren. In solchen Situationen ist er gefährlich. Dies jedoch ist ein Talent, dass beim RWE momentan vergeudet ist. Die Mannschaft erarbeitet sich viel zu wenige solcher Torbelagerungen. Vor allem eine Folge davon, dass das Flügelspiel nicht forciert wird (oder aufgrund mangelnder Qualität nicht forciert werden kann). Wenn aus dem Spiel heraus Gefahr für das gegnerische Tor entsteht, dann meist mit schnellen Kombinationen, die über die Mitte oder die Halbräume vorgetragen werden. Das aber ist nicht das Spiel des Mijo Tunjic und wird es vermutlich nie werden. Weshalb er bei diesen Gelegenheiten oft wie ein Fremdkörper agiert. Alternativen? Wenige! Dazu alle verbunden mit mehr oder weniger großen Umbauten in der Mannschaft. Hier muss in der anstehenden Transferperiode gehandelt werden. Ein Stürmer vom Typ des Wiesbadener Wohlfarth sollte eigentlich zu bekommen sein, der erzielt zwar auch nicht in jedem Spiel fünf Tore, ist aber in der Lage, Bälle sicher zu behaupten und auf nachrückende Spieler zu verteilen.

Bilanz: Spielerisch war der SV Wehen Wiesbaden die klar bessere Mannschaft. Der RWE konnte mit den vorhandenen Kontergelegenheiten wenig anfangen, kämpferisch wusste die Mannschaft von Alois Schwartz allerdings erneut zu überzeugen. Pressing und Gegenpressing funktionierten zufriedenstellend. Wurde der Ball dem Gegner abgenommen, fehlte es jedoch meist an allem, was den Aufwand eines Pressings rechtfertigt: schnelles, entschlossenes Umkehrspiel, verbunden mit hoher Passgenauigkeit bei gut abgestimmten Laufwegen. Zwei Standardtore mussten her, sonst hätten wir das Spiel verloren. Auf der anderen Seite konnte der SVWW mit seinem spielerischen Potenzial verblüffend wenig anfangen. Vermutlich der Hauptgrund, warum eines der fußballerisch besten Teams der Liga so weit im Süden der Tabelle schmort.

Und wenn ich nicht mehr lachen kann, dann schau‘ ich mir den Nachwuchs an. Sehr frei nach Erich Kästner. Es war schon in der letzten Saison ein probates Mittel – nach dürftigen Leistungen der Profis, ein Spiel der A-Junioren besuchen. Gestern gewann die Mannschaft von Christian Preußer 5:1 gegen den VfL Osnabrück. Der VfL ist Tabellenvierter und hatte bisher in 12 Ligaspielen ganze 11 Tore zugelassen. Spitzenwert in der Nordost-Staffel der Bundesliga. Gestern kamen fünf dazu. Bei eisigen Temperaturen sahen die Zuschauer eine kompakte, spielstarke Erfurter Mannschaft. Felix Robrecht, der im zentralen Mittelfeld defensiv wie offensiv den Takt vorgab, sowie Jonas Nietfeld ragten aus dem Kollektiv noch heraus. Nietfeld steht jetzt bei 9 Saisontoren und 15 Scorerpunkten. Damit führt er beide Liga-Statistiken an.

Was mir ungemein imponiert: Preußer gelingt es wieder, eine Mannschaft sukzessive zu verbessern. Im Vergleich zu den ersten Saisonspielen ist das fast komplett neu zusammengestellte Team kaum wieder zu erkennen. Selbst bei Pressing des Gegners wird versucht, die Situation spielerisch aufzulösen. Pressingresistenz nennen das die Taktikgurus. Die Mannschaft musste die letzte halbe Stunde in Unterzahl agieren. Der VfL machte Druck. Aber selbst während dieser Phase sah man kaum hektisch nach vorn gedroschene lange Bälle.

Ich weiß natürlich, dass man die 3.Liga und die A-Jugend-Bundesliga nur sehr behutsam miteinander vergleichen sollte. Doch genau dieser Mangel an Entwicklung zum fußballerisch Besseren (innerhalb einer Saison wohlgemerkt), nervt mich seit Jahren am Profiteam des RWE. Das war unter Emmerling nicht zu beobachten und daran hat sich leider wenig geändert. Nur, dass der Thrill diesmal existenzbedrohend ist.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. Hansa Rostock 1:1

© www.fototifosi.de

Ja, was denn nun? War das jetzt Pfingsten-Reddigs 15. (Marco Alles in der Thüringer Allgemeinen) oder 16. Elfmetertor (Thomas Czekalla in der TLZ) seit er für den RWE in der 3. Liga spielt. Fragte sich der Blogger, «recherchierte» selbst und stellte fest: Beides ist falsch. Es war sein 14. Treffer vom Punkt im 15. Versuch (2010/2011 – 7/8; 2011/2012 – 5/5; 2012/2013 – 2/2). Sagt jedenfalls der KICKER – und der ist, was Statistiken angeht über jeden Zweifel erhaben. Ergibt noch immer eine herausragende Quote von 93,3 Prozent. Herausragend deshalb, weil der Durchschnittswert im internationalen Profifußball seit Jahrzehnten stabil bei ziemlich exakt 75 % verharrt.

Ansonsten hatte das Spiel nicht wirklich einen Sieger verdient. Beide Mannschaften lieferten in der Defensive Überzeugendes, offensiv blieben fast alle Wünsche offen. Die Passgenauigkeit im Angriffsspiel des RWE lag bei gefühlten zehn Prozent. Damit konnte man die stabile Hansa-Abwehr so gut wie nie in Verlegenheit bringen. Drexler und Morabit hatten nicht ihren besten Tag und dieses Mal gab es auch keinen singulären Geniestreich, der noch eine Woche zuvor in Darmstadt die drei Punkte bescherte. Kein Beinbruch, am kommenden Sonnabend bereits kann das gegen Wehen Wiesbaden wieder ganz anders aussehen.

Trotzdem ärgerlich, dass wir uns das Gegentor erneut nach einer Ecke einfingen. Und dieses Mal bestätigte die Realität die Statistik. Zwei Drittel aller Tore nach Ecken fallen bei Aktionen über den eckennahen (vulgo: kurzen) Pfosten. Das war auch dieses Mal nicht anders. Von dort wurde der Ball durch einen Rostocker in die Mitte verlängert, wo er im Gewimmel seinen Abnehmer fand. Dieses Mal war die sensible Zone sogar mit zwei Erfurter Spielern abgedeckt, aber sowohl Möhwald als auch Tunjic flogen am Ball vorbei. Die beiden stärksten Erfurter Kopfballspieler Kopilas und Oumari konnten nicht eingreifen, weil sie mit der Manndeckung anderer Angreifer befasst waren. Vielleicht sollte man ernsthaft darüber nachdenken, einen von beiden aus der Manndeckung zu nehmen, umso mehr Stabilität bei der Abwehr von Ecken zu erreichen.

Der Mann des Tages war für mich ohne jeden Zweifel Joan Oumari. Er machte eines seiner stärksten Spiele im Trikot des RWE und verlor so gut wie keinen Zweikampf. Nicht zum ersten Mal machte er sich außerdem mit exakten, langen Bällen um die Spieleröffnung verdient. Ich bin ja grundsätzlich kein Freund von weiten, hohen Zuspielen aus der Abwehr, aber wenn sie die Qualität von Oumaris Pässen haben, kann man so viel dagegen nicht einwenden. Schon gar nicht in unserer Situation. Zudem zeigt er sich in den letzten Spielen deutlich verbessert, was sein taktisches Verhalten betrifft. Noch am Anfang der Saison rückte er situativ oft ins Mittelfeld oder auf die Außenpositionen, verfehlte dann aber den Ball oder verlor den Zweikampf, was zwangsläufig zu Lücken in der Innenverteidigung führte. Das passierte ihm am Samstag so gut wir gar nicht. Wann immer er entschied herauszurücken, klärte er die Situation. Fabelhaft!

Zum Abschluss ein paar Gedanken zur Situation von Alemannia Aachen. Wenn ich es recht verstanden habe, ist der Insolvenzantrag gestellt, das Insolvenzverfahren soll jedoch erst nach Beendigung der Saison eröffnet werden. Laut den Statuten des DFB bedeutet dies einen Zwangsabstieg in die Regionalliga, allerdings darf die laufende Spielzeit zu Ende absolviert werden. Wenn dem so ist (ich das also korrekt verstanden habe), dann ist dies eine äußerst fragwürdige Regelung. Vor der Winterpause sind noch drei Spiele der Rückrunde zu absolvieren. Danach beginnt die Transferperiode. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass Aachen versuchen wird eine Reihe von Leistungsträgern zu verkaufen. Zum einen, um noch ein wenig Kasse zu machen, zum anderen um Personalkosten zu senken. Die Mannschaft vor der Winterpause wird mit der Mannschaft nach der Winterpause nicht mehr allzu viel gemeinsam haben. Was aus wirtschaftlicher und insolvenzsrechtlicher Sicht geboten scheint, ist sportlich nur eins: Wettbewerbsverzerrung. Wenn feststeht, dass eine Mannschaft formal keine sportlichen Ambitionen mehr in einem Wettbewerb hat (haben darf), dann kann es nur eine Lösung geben: Diese Mannschaft muss sofort aus diesem Wettbewerb entfernt werden und all ihre bisher erzielten Resultate werden annulliert.

Niemanden freut es, wenn ein Traditionsverein pleitegeht. Aber die Alemannia wird sich berappeln, sie wird nicht dauerhaft von der fußballerischen Bildfläche verschwinden. Der Verein bezahlt nun den Preis für sein Fehlverhalten – und das ist mehr als legitim. Es ist gerecht. Es ist gerecht gegenüber den halbwegs solide wirtschaftenden Vereinen, die mit sportlichen Niederlagen dafür bezahlen, dass sie den Gang zum Konkursrichter nicht billigend in Kauf nehmen. Die – wie der RWE – aus der Vergangenheit gelernt haben.

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