Tag Archiv für Drexler

RWE vs. Wacker Burghausen 0:3 / Weiterkämpfen! Was sonst?

Kämpferisch auf und neben dem Platz: Dominick Drexler / © www.fototifosi.de

In keinem Lehrbuch der Theaterwissenschaften finden sich Handlungsanweisungen für das Stück, das gegenwärtig live-on-stage am Erfurter Steigerwald aufgeführt wird. Mehr noch: selbst Name und Gattung sind unbekannt. Komödie, Satire oder Drama? Mit Happy End oder ohne? Niemand weiß es. Der Theaterdirektor hat den alten Regisseur gefeuert und neue Darsteller verpflichtet. Doch plötzlich stehen alle auf der Bühne in denselben Kulissen wie bereits Wochen zuvor und geben denselben unverständlichen Text von sich. Ein Gefühl höchster Irritation greift um sich.

Was für modernes Theater als Meisterleistung gelten mag, ist für einen Fußballverein ein Desaster. Leider konnte ich dieses Mal nicht vor Ort sein; den größten Teil des Spiels verbrachte ich auf brandenburgischen Fernstraßen, die Tickermeldungen mit zunehmender Spieldauer erleidend (als Beifahrer wohlgemerkt).

Ich bin vermutlich nicht der Einzige, den diese Niederlage an das Spiel gegen Arminia Bielefeld erinnerte, nach dem Stefan Emmerling entlassen wurde. Oder irre ich mich da? Der RWE hatte zumindest die erste Großchance des Spiels, vermutlich geht das Spiel wenigstens nicht verloren, wenn Möckel einnetzt. Nicht in Rückstand zu geraten ist in dieser Liga – mit ihrer exorbitanten Leistungsdichte – erste Fußballerpflicht. Der FC Bayern kann einen Rückstand gegen den VfB Stuttgart locker verkraften und dennoch am Ende 6:1 gewinnen. Sie sind im Vergleich zu den Schwaben fußballerisch eindeutig besser besetzt. Eine ähnliche Dominanz existiert in der 3. Liga nicht. Ein Rückstand ist fatal, weil die gegnerische Mannschaft sich nun auf das konzentrieren kann, was sie viel besser beherrscht, als selbst das Spiel zu gestalten: Kontern, die sich bietenden freien Räume nutzen. Wer hinten liegt, versucht alles um die Niederlage abzuwenden. Er hat keine andere Wahl und ist dabei doch oft so erfolglos wie Alois Schwartz am Samstag. Zwei 0:3-Niederlagen in einer Woche sind zermürbend, sie klingen nach klaren Verhältnissen, wo gar keine waren. Das Umfeld wird noch unruhiger als es in Erfurt ohnehin schon der Fall ist, die Spieler (gerade die jungen) verlieren zusehends ihr Selbstvertrauen. Hamsterrad und so.

Deshalb fand ich das Interview von Dominick Drexler nach dem Spiel wegweisend. Im Wortsinn. Er hatte ein gutes Spiel gemacht, wollte sich auch vom mdr-Fieldreporter sein Selbstvertrauen nicht wegquatschen lassen, nicht in Sack und Asche gehen und gab sich für die nächsten Spiele zuversichtlich. Manchem RWE-Anhänger mag das (Minuten nach einer bitteren und hohen Niederlage) sauer aufstoßen, man hört anlässlich solcher Gelegenheiten wohl lieber wohlfeil vorgetragene Zerknirschung. Ich denke aber, dass Drexler mit dieser Herangehensweise richtig liegt. Ich weiß ebenfalls nicht, wie das Stück mit dem schmucklosen Arbeitstitel „FC Rot-Weiß Erfurt 2012/2013“ ausgehen wird, wohl aber weiß ich, dass mir kämpferische Helden lieber sind, als solche die aussehen und reden als wüssten sie bereits, dass sie als Sargträger engagiert wurden.

Karlsruher SC vs. RWE 3:0 / Hört die Signale!

Es ist schwer, nach solchen Spielen die Balance zu wahren. Auf der einen Seite waren die Kräfteverhältnisse im Wildpark keineswegs so eindeutig, wie es das Resultat nahe legt. Andererseits ist fast ein Drittel der Saison absolviert, der RWE ist 19. der Tabelle und die Leistung gestern war nicht geeignet, auf baldige Genesung des Patienten zu hoffen.

Vor allem gibt mir zu denken, dass die Mannschaft nicht in der Lage war, offensichtlich verunsicherte Karlsruher zu einem Zeitpunkt zu attackieren, als sich dafür Gelegenheit bot. Der KSC begann ganz schwach, doch irgendwie verließen sich die Erfurter darauf, dass dieser Zustand die gesamte Spielzeit über anhält. Das war viel zu passiv. Außer Tunjics Gewaltschuss gab es in Halbzeit eins keinen nennenswerten Torabschluss. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als der RWE noch mit allen Spielern auf dem Platz stand. Die zeitweilige spielerische Impotenz eines Gegners darf nicht mit eigener Spielkontrolle verwechselt werden. Das ist Selbstbetrug. Barcelona und die Bayern haben Spiele im Griff, in denen sie deutlich führen, um dann dem Gegner in schier endlosen Ballstafetten den letzten Nerv zu rauben. Daran gemessen hatte der RWE gestern zu keinem Zeitpunkt irgendetwas «im Griff». Karlsruhe verfügt über den individuell stärksten Kader aller Drittligisten. Spieler wie Calhanoglu, Krebs, Henning oder Haas können Spiele auch entscheiden, wenn die Mannschaft als Ganzes nicht wirklich funktioniert. Umso wichtiger wäre gewesen, den KSC unter Druck zu setzen. Niemand weiß, ob das zu einem erfolgreicheren Ausgang geführt hätte – mir wäre aber wohler, wenn man es wenigstens beherzt versucht hätte.

Ich hatte anlässlich der Roten Karte gegen Rauw im letzten Spiel ja bereits beklagt, dass die Hemmschwelle für Platzverweise stetig sinkt. Selbiges könnte ich heute erneut vortragen. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Gemessen an den Vorgaben des DFB sind die beiden Gelben Karten gegen Strangl gerechtfertigt. Der Spieler kennt die Regelauslegung natürlich auch, insofern trägt nicht der Schiedsrichter (der ja auch noch was werden will in seiner Karriere), sondern Marius Strangl die alleinige Schuld an dieser Herausstellung. Einerseits. Andererseits flog er mit einem Allerweltsfoul vom Platz (es war zudem sein erstes überhaupt). Ich bleibe dabei, die Bestrafung – 50 Minuten mit einem Spieler weniger auskommen zu müssen – steht hier in keinem Verhältnis zum begangenen Delikt. Womit wir wieder bei Zeitstrafen wären, der einzigen Alternative, die mir spontan einfällt. Und mit denen ich auch nicht richtig glücklich bin, weil mir schon klar ist, dass sie den Rhythmus eines Fußballspiels schwer beschädigen können.

Wie auch immer. Der RWE hat nunmehr das Fünfte von elf Ligaspielen kartenbedingt in Unterzahl beendet. Nur eines davon ging nicht verloren. Hohe Zeit für Alois Schwartz also, seine Spieler daran zu erinnern, dass es von beträchtlicher Bedeutung ist, ein Spiel in numerischer Gleichzahl mit dem Kontrahenten zu beenden. Wenn das nicht hilft, sollte der Verein über eine Antiaggro-Therapie für einschlägige Kandidaten wie Oumari und Strangl nachdenken. Hätte man womöglich bei Kumbela schon machen sollen.

Ein weiterer Grund zur Sorge ist die mangelhafte Tiefe des rot-weißen Kaders. Wir haben mit Fillinger einen langzeitverletzten Leistungsträger. Ob die Bezeichnung Leistungsträger auf Thomas Ströhl zutrifft, muss er erst noch unter Beweis stellen, sobald er wieder fit für die erste Mannschaft ist. Morabit laboriert noch immer an seinem Muskelfaserriss, hier vernimmt man derzeit ebenfalls keinen konkreten Termin für eine Rückkehr. Die hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lässt, denn er fehlt dem Angriffsspiel des RWE an allen Ecken und Enden. Allein Drexler wird es auf Dauer nicht richten können. Der gegnerische Trainer muss kein Jose Mourinho sein, um zu wissen, dass man sich vor allem auf ihn konzentrieren sollte, will man das Offensivspiel der Erfurter unterbinden. Ich will mir gar nicht vorstellen was passiert, wenn Drexler, Pfingsten-Reddig oder Engelhardt sich verletzen sollten. Wo es in der letzten Saison noch Weidlich, Zedi und Manno gab, gibt es in diesem Jahr nur talentierte aber weitgehend unerfahrene Spieler um diese Positionen ersatzweise einzunehmen.

Exakt hier liegt auch der Unterschied zu einer Mannschaft wie Unterhaching. Die dort eingesetzten jungen Spieler verfügen zumeist über Erfahrung in der Dritten oder wenigstens in der Regionalliga. Schaut man sich die Spieler von Unterhaching näher an, fällt noch eines auf. Fast alle kommen aus dem Fußballbiotop München. Nicht wenige sind bei Bayern oder 1860 ausgebildet worden, bzw. spielen seit ihrer Jugend in Unterhaching. Eine ähnliche Ballung an Talenten findet sich natürlich auch im Ruhrgebiet bis hin zu den ostwestfälischen Vereinen wie Osnabrück, Paderborn, Münster und Bielefeld. Vergleichbare Talentcluster (die sich auch gerne über Transfers regional mischen) existieren im Osten nicht (am ehesten noch in Berlin). Der Vorteil für die Spieler liegt auf der Hand: Sie müssen ihr soziales Umfeld nicht verlassen, wenn sie beispielsweise von 1860 zu Unterhaching wechseln, und bleiben zudem in steter Sichtweite für höhere (sprich besser bezahlte) Aufgaben.

Dieser kleine Exkurs scheint mir notwendig um deutlich zu machen: Die Situation in Erfurt ist eine völlig andere. Der RWE ist fußballerisch gesehen eine Insel ohne Brücken zum Festland. Nachwuchskonzept in Unterhaching bedeutet: Ich verpflichte junge, talentierte, aber durchaus erfahrene Spieler von den Vereinen Bayern München, 1860 München und aus dem eigenen Nachwuchs und forme daraus eine gute Mannschaft. Nachwuchskonzept in Erfurt bedeutet: ich haben einen richtig guten A-Jugend-Jahrgang, behaupte damit ein Konzept zu besitzen und verlasse mich anschließend darauf, dass diese 19-Jährigen schnell zu Stammspielern werden. Alle haben das Zeug dazu, aber sie müssen die Gelegenheit erhalten, behutsam, sachkundig und ihrem Leistungsstand gemäß an die erste Mannschaft herangeführt zu werden. Kaltes Wasser und so – keine gute Idee.

Wir brauchen dringend neues Personal. Das würde ich nicht schreiben, wenn Fillinger gesund und in formidabler Form wäre, Tunjic konstant gut in seinen Leistungen und Morabit nicht immer wieder mal wochenlang ausfallen würde. Denn dann hätte die Mannschaft das Potenzial relativ deutlich die Liga zu halten. Nun, die Realitäten sind leider andere. Deshalb halte ich Verstärkungen im Angriff und im Mittelfeld mittlerweile für unabdingbar. Wohl wissend, dass der Etat des Vereins bereits jetzt auf Kante genäht ist. Jedoch habe ich Rolf Rombach (zuletzt bei der Entlassung Emmerlings) stets so verstanden, dass da über externe Sponsoren immer noch etwas geht.

Holla! Da hat der Präsident wohl nicht zu viel versprochen. Aber sie hätten wenigstens warten können, bis ich den Post publiziert habe. Mist. Soeben lese ich nämlich, dass der RWE Mahmut Temür verpflichtet hat. Dies ist eine viel versprechende Nachricht. Beidfüßig, quasi im gesamten Mittelfeld einsetzbar. Torgefährlich. Klingt gut. Herzlich Willkommen und gleich an die Arbeit, Mahmut!

 

1. FC Saarbrücken vs. RWE 0:2 / Der verdiente erste Auswärtssieg

Möhwald erzielte seinen ersten Drittligatreffer © www.fototifosi.de

Der Ludwigspark kündet eindrucksvoll von den großen Zeiten des 1. FC Saarbrücken. Und daran, dass diese bereits einige Zeit zurückliegen. Als Anhänger des RWE kommt einem das vertraut vor. Vertraut war einem auch die Aufstellung die Alois Schwartz ins Duell der beiden Traditionsvereine schickte. Wie bereits vermutet, änderte er Preußers Formation nur da wo er musste, und brachte Tunjic für den verletzten Morabit.

Die Spiele gegen Aachen und den BVB hatten der Mannschaft Sicherheit und Struktur gegeben. Das war von der ersten Minute an zu spüren. Wenn Saarbrücken das Spiel aus der Abwehr heraus aufbaute, versuchten Tunjic und Möhwald die Passwege ins Zentrum zu blockieren. Mit einigem Erfolg – der FCS war so gezwungen lange, hohe Bälle zu spielen oder verlegte seine Angriffsbemühungen viel zu früh auf eine der Außenbahnen. Beides war relativ einfach zu verteidigen. Möckel und Oumari machten ihren Job tadellos. Können sie diese Form konservieren, werden es Bertram und Rauw schwer haben ihre Stammplätze zurück zu erobern. Vor allem Möckel überzeugte mich dieses Mal nicht nur als Abwehrorganisator, sondern wusste sogar mit einigen gescheiten und genauen Bällen zur Spieleröffnung beizutragen. Bei eigenen Ballverlusten in der Hälfte von Saarbrücken wurde versucht – nicht selten mit Erfolg -, über Gegenpressing den Ball möglichst umgehend wieder in Besitz zu nehmen. Hier verdiente sich besonders der unglaublich agile und laufstarke Strangl Bestnoten, dem kein Weg zu weit und kein Zweikampf zu viel war. Im Grunde gilt dies ebenso für Drexler. Bei der Bewertung seiner Leistungen wird aufs Neue der Fehler wiederholt, der in der letzten Saison zu einem überkritischen Umgang mit Gaetano Manno führte. Beides sind von Haus aus Stürmer, müssen aber, wenn sie auf den Außenbahnen spielen, viel Energie aufwenden, um ihren defensiven Aufgaben nachzukommen. Exemplarisch erinnere man sich an die Defensivanfälligkeit der Bayern, sobald Robben und Ribéry ihre diesbezüglichen Pflichten vernachlässigen. Die Note 4 für Drexler in der heutigen TA ist eine Frechheit. Wer allein Tore zum Kriterium der Bewertung eines Spielers erhebt, versteht von der komplexen Aufgabenverteilung im modernen Fußball in etwa soviel wie Ottfried Fischer vom Vegetarismus.

Mijo Tunjic. Hier muss ich Abbitte leisten, denn eigentlich hatte ich nach dem Pokalspiel in Heiligenstadt alle Hoffnungen fahren lassen, dass es mit ihm und dem RWE noch jemals etwas werden könnte. Und jetzt das: Honeymoon – Kate und William vergleichsweise altes Ehepaar! Ganz abgesehen vom Tor – er nahm zum ersten Mal nennenswert am Spiel der Mannschaft teil, ließ sich tiefer fallen als zuletzt und erhielt so deutlich mehr Zugriff auf das Geschehen. Er leistete sich auch am Samstag das ein oder andere vermeidbare Fehlabspiel, glänzte aber andererseits mit einigen vertikalen, längeren Zuspielen. Und schoss – nach Freistoß von Pfingsten-Reddig – ein schönes, ungemein wichtiges Tor zur Führung des RWE. Wenn es ihm gelingt, diese Leistung zu verstetigen, werden wir noch viel Freude an ihm haben.

Meine einzige, klitzekleine Kritik am Coaching von Alois Schwartz: Ich hätte Tobias Ahrens schon zehn Minuten früher eingewechselt. Es sei an das Spiel der Erfurter in Wiesbaden in der letzten Saison erinnert. Bereits damals irrwischte Ahrens durch die Innenverteidigung und erzielte fast ein Tor. Diesmal hatte er (innerhalb von nur 4 verbleibenden Spielminuten) gleich zwei Großchancen, eine davon endete am Pfosten. Sobald nach einer Führung des RWE Konterräume vorhanden sind, ist Ahrens eine erstklassige Option. Mit seiner Schnelligkeit stellt er eine Heimsuchung für alle Verteidiger dar – noch dazu, wenn sie bereits 80 Minuten Spielzeit in den ausgelaugten Knochen haben.

Am nächsten Samstag kommt es im Steigerwaldstadion zum Spitzenspiel. Der Erste und Zweite der ewigen Drittligatabelle treffen aufeinander; gewinnt der RWE schubsen wir den OFC wieder vom Thron. Ein zweifelhaftes Vergnügen, ich weiß. Aber auch so ist das Wort vom Spitzenspiel nicht völlig absurd (sondern nur ein bisschen). Zwar ringen beide Mannschaften nach einem grandios verkorksten Ligastart vorerst um Anschluss ans Mittelfeld, allerdings befinden sich alle zwei Teams momentan in sehr guter Verfassung. Offenbach hat von den letzten 5 Ligaspielen drei gewonnen und keines verloren. Dazwischen fiel der so deutliche wie verdiente DFB-Pokalsieg gegen den Erstbundesligisten Greuther Fürth (2:0). Man muss kein Loddar Matthäus sein, um sicher davon ausgehen zu können, dass der OFC stärker sein wird als zuletzt Aachen, der BVB-Nachwuchs und Saarbrücken.

Ihr wisst schon: Prüfstein, harter Brocken und so.

Alemannia Aachen vs. RWE: Den freien Fall gestoppt. Vorerst.

Ich habe gerade das Internet leer gelesen. Jedenfalls was die Berichte über das 1:1 des FC Rot-Weiß Erfurt bei Alemannia Aachen betrifft. Sehr viel schlauer bin ich nicht geworden. Im Grunde hätte ich es auch beim RWE-Ticker belassen können. Soviel jedoch scheint klar: Christian Preußer hat es geschafft die Mannschaft so zu stabilisieren, dass Sie bei einem Aufstiegsaspiranten ein verdientes Remis erreichte. Da er nicht selbst gespielt hat, ist es naheliegend, dass die von ihm vorgenommenen taktischen und personellen Änderungen dabei eine gewisse Rolle spielten.

Kleine taktische Revolution beim RWE: eine 4-2-3-1-Formation

Bertram, Tunjic und Rauw auf die Bank zu setzen war nach den bisherigen Saisonleistungen der drei Spieler konsequent. Sie wurden durch Czichos, Oumari und Strangl ersetzt, wobei vor allem Letzterem eine auffällige Partie nachgesagt wird. Dass er durch seine Dynamik dem Mittelfeldspiel gut tun könnte, hatte er bereits im Spiel gegen West Ham angedeutet.

Offensichtlich hat Preußer aber auch die taktische Ausrichtung der Mannschaft verändert. In allen Spielen unter Stefan Emmerling startete das Team mit einem 4-4-2: zwei Stürmer und eine flache Mittelfeldviererkette (also keine Raute) standen vor der Abwehr. Gestern verzichtete Preußer auf Tunjic, Morabit war der einzige nominelle Stürmer (der sich wohl ab und an mit Drexler ablöste). Es blieb bei zwei Sechsern (Engelhardt und Pfingsten-Reddig), davor spielten Czichos und Drexler auf den Flügeln und Möhwald als zentraler offensiver Mittelfeldspieler. Exakt die Position, die er unter Preußer auch bei den A-Junioren innehatte. Preußer stellte mithin auf ein 4-2-3-1-System um.

Allein die zahlenmäßige Aufwertung des Mittelfeldes scheint eine gewisse Konsolidierung der Defensiv-Offensiv-Balance mit sich gebracht zu haben, einhergehend mit einem deutlich konsequenteren Zweikampfverhalten. Gern möchte ich auch den Schilderungen glauben, die eine Verbesserung des Flügelspiels beobachtet haben wollen. Aber es wäre vermessen daraus bereits einen Trend ablesen zu wollen. Dazu kann ich erst nach dem Spiel gegen den BVB Verbindlicheres sagen. Hoffe ich jedenfalls.

Preußer ist Rombachs Favorit

Rolf Rombach hat offensichtlich die Absicht Christian Preußer als Cheftrainer zu berufen, sollte die Mannschaft am Samstag gegen den BVB gewinnen. Und würde damit das wohl größte Risiko seiner RWE-Präsidentschaft eingehen. Einerseits. Andererseits ist jede Entscheidung für einen neuen Trainer in dieser Situation ein Risiko. Man mag von den fachlichen, rhetorischen und menschlichen Qualitäten eines Coaches noch so überzeugt sein, eine Gewähr für sportlichen Erfolg sind sie nicht. Trotzdem wäre das eine sehr mutige Entscheidung, denn Christian Preußer hat keinerlei Meriten als Trainer im Profibereich vorzuweisen, ja mehr noch: er war nicht mal Profifußballer.

Aber, das waren Mirko Slomka und Ralf Rangnick ebenfalls nicht (vielen Dank an „RWE-Chris“ für den Hinweis). Beide zählen zu den profiliertesten Fußballlehrern des Landes. Arrigo Sacchi, Trainer der brillanten Mannschaft des AC Mailand Ende der 80iger Jahre, sagte man nach, dass er nur mit Mühe geradeaus laufen konnte, geschweige denn in der Lage war, unfallfrei vor einen Ball zu treten. Andere Beispiele erfolgreicher Trainer ohne vorhergehende Profikarriere sind Volker Finke und Christoph Daum.

Ein grandioses Beispiel wie ein A-Jugendtrainer einen Verein vor dem Abstieg rettete, lieferte in der vergangenen Saison der SC Freiburg. Nach der Hinrunde noch abgeschlagener Tabellenletzter, holte Christian Streich mit dem Sportclub 27 Punkte in der Rückrunde und wurde für diese Leistung – völlig zu Recht – Dritter bei der Umfrage zum Trainer des Jahres. (Bei mir hätte er sie übrigens gewonnen.) Deshalb: Die mangelnde Erfahrung im Profibereich ist aus meiner Sicht kein stichhaltiges Argument gegen Christian Preußer.

Viel essenzieller für den Erfolg Preußers wird sein, dass Mitglieder, Vorstand, Aufsichtsrat und Anhängerschaft des Vereins auch noch hinter dieser Entscheidung und ihrem jungen Trainer stehen, wenn mal zwei Spiele nacheinander verloren gehen. Dieser Fall wird eintreten, früher oder später.

Last but not least: Die Mannschaft muss den Trainer akzeptieren. Das lässt sich nicht verordnen. Der Vorstand sollte sich sehr sicher sein, dass gerade die erfahrenen Spieler hinter Preußers Stil und Konzept stehen. Dabei sollte man leicht dahin gelabernden Lippenbekenntnissen misstrauen. Die werden bereits bei geringsten Differenzen keinen Wert mehr besitzen.

Zusammenfassung im Konjunktiv (weil es allein von der sportlichen Entwicklung abhängig ist, ob es dazu kommt): Aus rein fachlicher Sicht würde ich eine Berufung Christian Preußers für völlig gerechtfertigt erachten. Trotzdem ginge der Verein, namentlich Rolf Rombach, damit ein exorbitantes Risiko ein. Ein größeres Risiko jedenfalls, als mit der Berufung eines anerkannten, erfahrenen Fußballlehrers. Im Falle des Misserfolges (Definition Misserfolg: der RWE setzt sich auf den Abstiegsplätzen fest) werden alle die es mit Rolf Rombach nicht so gut meinen (und das scheinen angesichts der Wortmeldungen der letzten Tage nicht wenige zu sein) einen Shitstorm bisher ungeahnten Ausmaßes in seine Richtung lostreten.

Dem Präsidenten des RWE steht also – möglicherweise – in den nächsten Tagen eine Entscheidung bevor, um die ich ihn nicht beneide.

SV Wehen Wiesbaden vs. RWE 3:1 / Selber schuld

Hier zu eigensinnig: Drexler übersieht Tunjic / Quelle und alle Rechte: www.fototifosi.de

Es ist nie eine besonders kluge Idee, eigene Niederlagen an der Schiedsrichterleistung festzumachen. Man kann das Resultat ohnehin nicht mehr revidieren, vor allem aber lenkt es von eigenen Fehlern ab. Und auf die sollte sich konzentrieren, wer im nächsten Spiel mehr Erfolg haben will.

Wie die Preisboxer: mit offenem Visier

Beide Mannschaften begannen das Spiel wie zwei in die Jahre gekommene Rummelboxer: Mit heruntergelassener Deckung – im Vertrauen darauf, dass der eigene Punch stärker ist als der des Gegners. Im Resultat erlebten wir ein Drittligaspiel mit einer großen Anzahl Tormöglichkeiten auf beiden Seiten. Wobei vor allem Morabit, Drexler und Möhwald (mit einigen großartigen Pässen und Flanken) dafür sorgten, dass der RWE eine Stunde lange die gefährlichere Mannschaft war. Drexler hatte in den letzten Spielen der Vorsaison fast alles verwandelt, was ihm vor die Füße fiel; dazu benötigt man auch ein wenig Glück. Glück, das ihm an diesem Samstagnachmittag in Wiesbaden in einigen Szenen fehlte. Tunjic – das war schon gegen den BVB zu sehen – benötigt weiterhin Spielpraxis unter Wettkampfbedingungen, um sich in das Angriffspiel des RWE einzufügen. Es sei daran erinnert, dass Reichwein erst im fünften Ligaspiel sein erstes Tor erzielte. Öztürk wirkt nicht völlig austrainiert, aber wenn die äußere Anmutung das alleinige Kriterium wäre, dann hätte es Ailton niemals auch nur in die Nähe eines Bundesligastadions schaffen dürfen. Soll heißen: auch ihm muss fairerweise noch Zeit eingeräumt werden, bevor man sich ein Urteil über sein Potenzial erlauben sollte. An Engagement, Laufbereitschaft, etc. fehlte es beiden nicht.

Naives Abwehrverhalten ermöglichte Wiesbaden viele Chancen

Konstatieren wir also eine gute Leistung des RWE in der Offensive. Natürlich hätte die Mannschaft – aufgrund der zahlreich herausgespielten Chancen – dieses Spiel gewinnen können. Wohlgemerkt: können, keinesfalls müssen. Dazu war die Abwehrleistung des Teams zu schlecht, weshalb Wiesbaden bereits in der 1. Halbzeit zu einigen hochkarätigen Chancen kam. Viele dieser Möglichkeiten kamen verblüffend (und beängstigend) einfach zustande: Ein Ball wird aus dem zentralen Mittelfeld auf einen der Flügel gespielt (teilweise durch einen simplen Flachpass, weil die Passwege offen sind), dort befindet sich der RWE-Außenverteidiger in einer für ihn schwierig zu verteidigenden Eins-gegen-Eins-Situation. Da die offensiven Außenbahnspieler gefühlte Lichtjahre vom Spielgeschehen entfernt sind, entschließt sich ein Innenverteidiger zu helfen. Das ist im Grunde richtig, aber nur dann, wenn beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind: Er kann mit hoher Wahrscheinlichkeit die Eingabe nach innen verhindern und er muss sicher sein, dass Mitspieler seine Aufgabe in der Abwehrzentrale übernehmen; sprich Zugriff auf die nachrückenden gegnerischen Angreifer haben. Fast lehrbuchhaft schief geht das bei einer Situation in der ersten Halbzeit, die Sponsel gerade noch so mit einem großartigen Reflex auf der Linie klären kann. Da es diesen Spiel- und Chancenaufbau des SVWW häufiger gab, muss man leider davon sprechen, dass in diesem ersten Saisonspiel die Balance zwischen Offensiv- und Defensivverhalten grundsätzlich unausgewogen war. Auch wenn (oder besser: gerade weil) Drexler und Möhwald ihre Stärken in der Offensive haben, müssen sie bereit und in der Lage sein, sich bei Ballverlusten sofort aggressiv nach hinten zu bewegen.

Jede Bezirksligamannschaft weiß: Die Mauer muss hochspringen

Leider war dies nicht alles, was es zu beanstanden gab. Das Verhalten bei Standards bildet anscheinend ein saisonübergreifendes Dilemma. Diesmal kam noch eine weitere Spezialdisziplin hinzu: der direkte Freistoß. Zlatko Janjic ist Rechtsfuß. Er war der einzige Spieler des SVWW der sich zur Ausführung des Freistoßes aufstellte. Position des Balles und die Rechtsfüßigkeit des Ausführenden ließen es sehr wahrscheinlich werden, dass er den Ball direkt aufs Tor schießen würde – über die Mauer, in die vom Torwart entfernte Ecke. So kam es dann auch. Hier stellen sich jetzt zwei Fragen: Warum stehen in unserer Mauer nicht ausschließlich großgewachsene Spieler? Und zweitens: Egal wie groß die Spieler sind, warum unternehmen sie nicht einmal den Versuch, durch Hochspringen den Ball zu erwischen? Fußballspiele werden um so eher durch Kleinigkeiten entschieden, je ebenbürtiger sich die Kontrahenten sind. Jedes Detail spielt eine Rolle. Nicht alle können zu jedem Zeitpunkt kontrolliert oder gar beeinflusst werden, bei Standards ist genau das aber der Fall: Hier kann ich mein eigenes Verhalten zu 100 Prozent steuern. Deshalb ist es unbegreiflich, wie es zu so einem Dilettantismus kommen konnte. Mein Gott: Die Mauer jeder Bezirksligamannschaft springt bei einem direkten Freistoß hoch.

Der RWE hat im letzten Jahr zweimal von einer „Doppelbestrafung“ profitiert

Last but least – ein Wort zum Elfmeter. Der RWE hat von ähnlichen Situationen in der letzten Saison zweimal profitiert. In Regensburg (nach einem Foul an Morabit) und in Chemnitz (nach einem Foul an Drexler). Selbst der DFB ist unglücklich mit dieser Doppelbestrafung, muss sich aber an die Regeln der FIFA halten. Gleiches gilt natürlich ebenfalls für den Schiedsrichter auf dem Platz. Wenn man sich die Szene ein paar Mal anschaut, wird deutlich, dass Oumari den Ball auch ohne Foul hätte bekommen können. Allerdings rutscht er ihm durch. Kann passieren – ist jetzt aber nicht direkt die Schuld des Schiedsrichters. Der bewertet alles Folgende völlig korrekt und im Einklang mit den Regeln seines Verbandes.

Im Übrigen wollen wir hoffen, dass es bei den bereits jetzt bekannten Konsequenzen dieses Spiels bleibt und Rolf Töpperwien ein paar Bier zu viel hatte, als er das zu sehen glaubte.

Jetzt kommt unter der Woche West Ham United – und das ist gut so. Eine weitere Möglichkeit die Mannschaft gegen sehr ernsthafte Konkurrenz weiter voran zu bringen. Da Morabit geschont werden soll, habe ich einen Vorschlag für die Aufstellung: Drexler spielt hinter Tunjic in der Angriffsmitte, dafür bekommt Göbel auf der linken Seite mal eine seriöse Chance von Anfang an. Außerdem könnte Emmerling die Gelegenheit nutzen und Jovanovic auf der rechten Abwehrseite testen, hier herrscht nach der Roten Karte für Oumari ohnehin Handlungsbedarf, da Rauw und Bertram im Spiel gegen Heidenheim die Innenverteidigung bilden werden.

RWE vs. BVB 0:4 / Früher war mehr Freundschaftsspiel

Wer die (für Erfurter Verhältnisse) recht teuren Eintrittskarten für das gestrige Spiel erworben hatte und mit einem sorglos-sommerlichen Fußball-Halligalli rechnete, musste enttäuscht das Steigerwaldstadion verlassen. Was wir stattdessen sahen, war eine intensive Trainingseinheit beider Mannschaften, mit musikalischem Rahmenprogramm, Luftballons und unter der wohlmeinenden Teilnahme von 15.500 Zuschauern.

Allein: verwundern konnte das nicht wirklich. Gerade mal drei Tage vor dem Ligastart des RWE war klar, dass Emmerling mit der Elf beginnen würde, die sich im Laufe der Vorbereitung als seine erste Wahl herauskristallisiert hatte. Und, dass diese Mannschaft nicht mit naivem Hurra-Fußball gegen den Deutschen Meister ins Spiel gehen würde. Es kam auf andere Dinge an: Abstimmung, Raumaufteilung, Defensivverhalten usw. usf. – all diese klitzekleinen, unspektakulären Dinge also, die ein Freundschaftsspiel nicht eben attraktiver machen, aber unerlässlich sind, will man in der Meisterschaft erfolgreich sein. Davon liest man in den heutigen Spielberichten erstaunlich wenig. Aber, ich will mich nicht beklagen, dafür gibt es ja Blogs wie diesen.

Ohne Steinschleuder: David gegen Goliath

Es kann vielleicht nicht schaden, kurz inne zu halten und sich vor Augen zu führen, gegen wen genau der RWE gestern keine Chance hatte. Selbst der Rechtsverteidiger des BVB, Oliver Kirch, weithin unbekannt und die Nummer 20 der BVB-Tabelle weist mit einem Marktwert von einer Million Euro noch immer einen doppelt so hohen Wert auf, wie der höchst taxierte Spieler des RWE (Smail Morabit, 500.000 EUR, Quelle: transfermarkt.de). Gegen eine Mannschaft, die von ihren individuellen fußballerischen Fähigkeiten her, auch in der Breite, derart gut aufgestellt ist, hat ein Drittligist im Normalfall keine Chance. Es sei denn, diese Mannschaft spielte überheblich, fahrlässig und sorglos. Dann hieße ihr Trainer aber vermutlich nicht Jürgen Klopp. Einer der Hauptkritikpunkte in den heutigen Artikeln lautet, dass sich der RWE keine Tormöglichkeiten gegen den BVB herausgespielt habe. Da kann ich nur sagen: Willkommen im Club. Diese Erfahrung teilt der RWE mit vielen Vereinen der 1. Bundesliga.

All das bedacht, habe ich kein schlechtes Spiel des RWE gesehen. Ernsthaft bewerten kann man allerdings nur die ersten knapp 60 Minuten, danach verhinderte die üppige Wechselei eine sinnvolle Analyse.

Offene Baustellen: Kopfbälle und die rechte Abwehrseite

Fangen wir mit dem Negativen an: Gesehen habe ich ihn nicht, aber ich bin sicher, dass Peter Vollmann, Trainer des SV Wehen Wiesbaden, auf der Tribüne des SWS saß. Er wird sich daran erinnert haben, dass seine Mannschaft im letzten Punktspiel (0:1 für den RWE) nur wenige Möglichkeiten hatte. Allein bei hohen Flanken in den Erfurter Strafraum (z.B. nach Ecken) zeigte sich die Hintermannschaft des RWE massiv anfällig. Daran hat sich, wahrscheinlich zur Erbauung Vollmanns, bis zum gestrigen Tag nichts geändert. Dass Tommy Kind beim dritten Treffer gegen einen Hirten wie Santana keine Chance hat – geschenkt. Aber Tom Bertram darf zumindest versuchen, Schieber bei seinem Kopfball zu stören. Etwas Hoffnung schenkt mir der Umstand, dass es zumeist keine Zuordnungsprobleme sind, die dem Gegner die Kopfballchancen ermöglichen, sondern individuelle Konzentrationsmängel. Das muss sich ändern. Schnell ändern.

Neue Saison, gleiche Baustelle: Rauw ist sicherlich rechts in der Viererkette derzeit die beste personelle Alternative, optimal sieht jedoch anders aus. Er spielt als Innenverteidiger deutlich stärker und hat zudem (noch immer) den Drang sehr oft in die Platzmitte zu ziehen. Das sorgte schon in der letzten Saison für so manches taktische Problem (keine Anspielstation auf rechts, unnötiges Herausrücken eines Innenverteidigers bei Ballverlust).

Starkes Spiel von Engelhardt und Möhwald

Die positiven Erkenntnisse überwiegen jedoch: Der BVB erzielte nur einen herauskombinierten Treffer und erspielte sich auch ansonsten nicht reihenweise hochkarätige Chancen. Das erklärt sich mit der wirklich guten Raumaufteilung zwischen der Viererkette und dem Mittelfeld sowie dem aggressiven Zweikampfverhalten des RWE. Czichos auf der linken Seite sah vielversprechend aus. Ein kompakter, technisch und taktisch grundsolide ausgebildeter Spieler. Marco Engelhardt war überaus präsent, wenn ich richtig gehört habe, auch verbal. Er wirkt deutlich fitter, antrittsschneller und körperlich robuster als noch in der letzten Saison. Kevin Möhwald hat ein richtig gutes Spiel gemacht. Was mir bei ihm am meisten imponiert ist sein Mut, wann immer es die Spielsituation hergibt, einen vertikalen Ball zu spielen. Und seine Fähigkeit, dies sehr oft mir nur einem Ballkontakt zu tun. Seine taktische Polyvalenz hat er in der letzten Saison bereits nachgewiesen, als er einmal neben Morabit stürmte (vs. Heidenheim) und im Spiel darauf (vs. Offenbach) neben Engelhardt als Sechser spielte. Gehört unbedingt in die Startelf.

Dann gab es noch taktisch Bemerkenswertes: In seiner letzten Kolumne (und mit der ihm eigenen Zurückhaltung) hat der weltberühmte Taktikpapst Wilfried Mohren, dass von Emmerling bevorzugte 4-4-2 als unvariabel eingestuft. Nun, dann müssten die gestrigen taktischen Rochaden unserer Angreifer für ihn Grund genug gewesen sein, um sich daran zu delektieren (um mal im Stil des Meisters die Feder zu führen): Tunjic war als vorderste Spitze der einzige Fixpunkt, hinter ihm ging es fluide wie im Swingerklub zu. Die ersten zehn Minuten spielte Möhwald zweite Spitze, Drexler links und Morabit rechts. Dann tauschten Drexler und Möhwald, danach Drexler und Morabit. Ich bin neugierig, ob sie diese Volatilität auch in Wiesbaden fortsetzen werden. Meinen Segen haben sie. Die Spieler haben die fußballerischen Voraussetzungen dafür und es reduziert die Ausrechenbarkeit des Offensivspiels enorm. Entscheidend wird jedoch sein, dass sie bei Ballverlusten taktisch abgestimmt und mit der nötigen Aggressivität reagieren. Anderenfalls kann man vorne gar nicht so viele Tore schießen, wie man hinten bekommt. Das wissen sie aber. Hoffe ich.

Es wird schwierig am Samstag in Wiesbaden. Das unterscheidet dieses erste Saisonspiel allerdings in nichts von den 37 folgenden Begegnungen. Ich denke, die Mannschaft ist gut vorbereitet. Ob das reicht, werden wir sehen.

Rot-Weiße Aussichten (II) – Nachrichten from Hell

Das hatte ich mir fein ausgemalt: Ein letztes, optimistisches und versöhnliches Posting zum RWE, bevor die EM unsere Aufmerksamkeit aufzehrt. Dann kamen die ersten Gerüchte um Dominick Drexler und Greuther Fürth, die dann sehr schnell vom Verein bestätigt wurden. Auch der Verbleib Smail Morabits in Erfurt ist unsicherer denn je. Der Vertrag zwischen ihm und dem FCK soll ausverhandelt sein. Was noch aussteht, ist eine Einigung zwischen den Vereinen.

Dominick Drexler hat in der abgelaufenen Spielzeit ein herausragendes letztes Saisonviertel gespielt. Zwischen dem 29. und 38. Spieltag schoss er sechs seiner acht Saisontore. Seine Leistungen davor waren (mit wenigen Ausnahmen) tristes Mittelmaß, wenn überhaupt. Insofern ist es schon sehr überraschend, dass sich mit dem Greuther Fürth plötzlich ein Erstligist an seiner Verpflichtung interessiert zeigt. Allerdings: Die sportliche Expertise von Mike Büskens und Rachid Azzouzi sollte von niemandem in Abrede gestellt werden. In aller Regel werden dort neue Spieler äußerst bedacht ausgewählt. Machen wir uns also nichts vor – wenn die Absichten der Fürther ernsthaft sind (und gegen diese Annahme spricht derzeit rein gar nichts), wird Dominick Drexler in der nächsten Saison Spieler eines Erstligisten sein. Ich bin zwar nach wie vor skeptisch, dass er sich dort sportlich durchsetzen wird, wünsche ihm jedoch alles Gute dafür. Dass sein Verlust für den RWE keine gute Nachricht wäre, bedarf an dieser Stelle einer besonderen Erwähnung nicht.

In Fall Morabit müsste man leider von einer Katastrophe sprechen, sollte er den RWE in Richtung Betzenberg verlassen. Der RWE sollte alles in seinen Möglichkeiten stehende tun, dies zu vermeiden – und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Verantwortlichen dies ebenso sehen. Die Verpflichtung von Smail Morabit (bei einem Marktwert von quasi null) war im letzten Jahr der Transfercoup der dritten Liga schlechthin, das hat seine sportliche Entwicklung während der letzten Saison eindrucksvoll gezeigt. In meinen Augen ist diese sportliche Entwicklung noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein. Soll heißen: Da ist sogar noch reichlich Luft nach oben. Trotzdem ist er in der Rangliste von kicker.de der notenbeste Stürmer der letzten Saison.

Kommen wir nun – wie annonciert – zur bisher spektakulärsten Neuverpflichtung: Mijo Tunjic. Nach allem was ich bisher über ihn gelesen und gesehen habe, muss man konstatieren, dass er, was seine sportlichen Qualitäten betrifft, quasi ein Wiedergänger von Marcel Reichwein ist. Und somit eine höchst nachvollziehbare Verpflichtung darstellt. Trotz seiner 1,86 Meter Körpergröße ist er ein technisch begabter, mitspielender Centerstürmer, der sich vor allem als Wandspieler initiativ in die eigenen Angriffsbemühungen einschaltet. Er ist kopfballstark und wird dies beim RWE auch in der Defensive (vor allem bei gegnerischen Standards) unter Beweis stellen müssen. In diesem Blog wird – aus naheliegenden Gründen – in der Regel eher weniger über charakterliche Qualitäten von Spielern spekuliert. Bei Mijo Tunjic jedoch, gewinnt man schon den Eindruck, dass seiner sportlichen Performance eine positive öffentliche Wahrnehmung förderlich ist. Vielleicht mehr als dies bei anderen Spielern der Fall ist. Nun, nach zwei Jahren trostloser Unterhachinger Heimspielatmosphäre, soll es daran beim RWE nicht mangeln. Aber, er ist eben ein Mittelstürmer und als solcher auf Vorlagen und sonstige Zuarbeiten anderer Offensivspieler zwingend angewiesen. Und es ist eben ein Unterschied, ob ich einen Mittelstürmer in ein erprobtes Spielsystem einpassen kann, oder ob ich, hinsichtlich fast aller Personalien das letzte Spieldrittel betreffend, quasi bei Null anfange. Was der Fall wäre, wenn Morabit und Drexler den Verein verlassen.

Die Entscheidung der sportlichen Leitung, vier der begabtesten A-Junioren mit einem Profivertrag auszustatten, ist so konsequent wie erfreulich. Philipp Klewin, Maik Baumgarten, Kevin Möhwald und Patrick Göbel haben unter der Leitung von Christian Preußer eine herausragende Saison gespielt und zur Überraschung vieler (auch meiner eigenen) mehrheitlich auf Augenhöhe mit den Nachwuchsteams von Erstligisten agiert. Trotzdem ist ihre sportliche Perspektive im Kader der Profimannschaft sehr unterschiedlich.

Philipp Klewin muss sich als dritter Torhüter (hinter Sponsel und Rickert) erst einmal mit einer Reservistenrolle begnügen. Da es sich aber lohnt dabei nicht vorschnell die Geduld zu verlieren, hat Andreas Sponsel bewiesen, der sehr ausdauernd auf seine Chance gewartet hat, diese dann aber konsequent zu nutzen wusste.

Maik Baumgarten ist ja schon länger im Fokus der ersten Mannschaft. Sein Pech in der letzten Saison war, dass er ausgerechnet bei einer desolaten Vorstellung der gesamten Mannschaft in der Startelf stand (1. Halbzeit in Unterhaching). Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld wird auch er sich zunächst schwer tun gegen die Konkurrenz von Engelhardt und Pfingsten-Reddig. Er ist aber ein körperlich robuster, technisch und taktisch ungemein solide ausgebildeter Mittelfeldspieler, der vor allem in der Arbeit nach hinten seine großen Stärken hat. Für ihn böten – meines Erachtens nach – die beiden defensiven Außenbahnen durchaus Alternativen zur Position im zentralen Mittelfeld.

Kevin Möhwald ist derjenige unter den vier Rookies, dem ich eigentlich sofort eine Chance in der ersten Mannschaft bieten würde. In Christian Preußers Team ist er verantwortlich für den zentralen offensiven Spielaufbau, inklusive der Spielverlagerungen auf die Außenpositionen. Mehr ein Achter als ein Zehner. Das Problem ist, dass es diese Position in Emmerlings 4-4-2 eigentlich nicht gibt. Diese Aufgabe teilen sich der offensive Sechser (meist Pfingsten-Reddig) und die hängende Spitze (meist Morabit). Allerdings könnte auch in Möhwalds Fall eine Außenposition (in dem Fall die offensive) eine Option sein, ihn in die Mannschaft einzubauen. Die Umstellung auf ein 4-2-3-1 – mit ihm als zentralen offensiven Mittelfeldspieler würde seinen Fähigkeiten allerdings am ehesten Rechnung tragen. Jedoch – in Anbetracht der völlig offenen Personalfragen in der Offensive – ist all das pure Spekulation.

Patrick Göbel. Für mich die Sphinx unter den vier Jungs. 13 Tore, 11 Torvorlagen in der gerade beendeten Saison – überragende Werte für einen linken Mittelfeldspieler. Göbel (1,73 Meter) ist ein grandioser Techniker, der schon allein mit seinen sensationellen Standards neue Impulse in der Profimannschaft setzen könnte. Aber: Technisch begabte Mittelfeldspieler bevölkern zu Dutzenden Ober- und Landesligen. Viele von ihnen setzen sich im Profibereich nie durch, weil sie sich zu sehr auf ihre Begabung verlassen und zu wenig an ihren körperlichen Defiziten arbeiten. Dass Patrick Göbel die fußballerischen Fähigkeiten mitbringt, Profifußball zu spielen, steht für mich außer Frage. Doch sollte man ihm klar machen, dass neben dem Fußballfeld die Hölle des Kraftraums auf ihn wartet, damit dies kein Traum für ihn bleibt.

So, nach der Europameisterschaft geht es weiter mit den Rot-Weißen Aussichten. Vielen Dank an alle Leser dieses Blogs für die fast durchgängig positive Resonanz. Uns allen wünsche ich grandiose Spiele in Polen und der Ukraine, vor allem natürlich von der deutschen Mannschaft. Aber da bin ich sehr optimistisch.

Habt Euch wohl in diesem Sommer.

Rot-Weiß Erfurt vs. RW Oberhausen: Wenn selbst Siege Trauer tragen

Fokussiert: Dominick Drexler  / © www.fototifosi.de

Irgendwann Mitte der ersten Halbzeit vergab Marcel Reichwein seine zweite und – wie sich zeigen sollte – letzte Torchance in diesem Spiel, in diesem Stadion, für diesen Verein. Einer der Dauerkarteninhaber um mich herum, noch nie ein großer Reichwein-Freund, jaulte auf und schimpfte: «Mein Gott, den muss er doch machen.» Eine zugegeben vergleichsweise harmlose Bemerkung, die ich normalerweise ignorieren würde. Nicht so am Samstag. Ich konnte nicht anders und wies ihn darauf hin, dass selbst die ganz Großen dieses Sport mitnichten all ihre Torchancen zu nutzen wissen und es mir überdies rätselhaft sei, wieso man dieser Tatsache nicht einmal im letzten Spiel von Marcel Reichwein Rechnung tragen kann. Sowie der Tatsache von 29 Toren und 16 Torvorlagen in zwei Drittligaspielzeiten. Wir haben dann in der Halbzeit ein Bier zusammen getrunken und uns wieder vertragen. Er war – wie ich, wie viele – einfach nur sauer, dass es wieder nichts wird mit dem Aufstieg (oder wenigstens der Relegation) und aus alter Gewohnheit bot sich unser Mittelstürmer als Zielscheibe an. Eine Enttäuschung die ich, wie gesagt, völlig nachvollziehen kann, da ich sie selbst empfinde. Nur weiß ich auch, dass Defätismus, Resignation und Schuldzuweisungen die denkbar ungeeignetsten Reaktionen auf erlittene Niederlagen darstellen.

Für Oberhausen nur noch ein Freundschaftsspiel

Aus offensichtlichen Gründen muss man zum Spiel selbst nicht allzu viele Worte verlieren. Oberhausen war abgestiegen und spielte auch so. Dadurch hatte das Geschehen auf dem Rasen, spätestens nach dem 2:0, Freundschaftsspielcharakter. Der RWE musste gewinnen – und spielte auch so. Die Mannschaft, der von einigen bereits eine Söldnermentalität attestiert wurde, gewann die letzten drei Spiele der Saison. Muster ohne Wert, leider. Auch unentwegtes Aktualisieren des Wischtelefons in Tateinheit mit irrationalem Anflehen höherer Mächte half nichts: Der Liveticker des SV Sandhausen meldete um 15.17 Uhr die Niederlage. Ihre, vor allem aber unsere. Nie war ein Sieg so sinnlos. So meine Gemütslage, als ich – passenderweise nass wie ein begossener Pudel – wieder auf dem Heimweg war.

Größere Enttäuschung als letztes Jahr

Meine Enttäuschung über die abgelaufene Saison ist dramatisch größer als im letzten Jahr. In der letzten Spielzeit rechnete ich über lange Phasen nicht damit, dass der RWE irgendetwas mit dem Aufstieg zu tun haben würde. Und, ganz entscheidend, ich traute es der Mannschaft vor allem fußballerisch nicht zu. Dann kam der Sieg in Dresden und plötzlich schien alles möglich. Daraufhin wurde in Wiesbaden gewonnen und plötzlich war alles möglich. Schließlich stürzte das ganze Kartenhaus gegen Regensburg und Ahlen wieder zusammen. Das alles spielte sich zeitlich sehr gedrängt ab. Wie in einem schlechten Film: Der Held sieht seine seit Jahren vermisste Geliebte plötzlich auf der anderen Straßenseite. Er lächelt, sie lächelt. Er rennt mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Dann überrollt ihn der Bus. THE END.

Ganz anders in diesem Jahr. Um das Bild ein letztes Mal zu gebrauchen: In dieser Spielzeit hat uns der Bus gleich mehrmals überfahren. Soweit die Emotionen. Nun zu den Fakten.

Die Zugänge waren Verstärkungen

Vor der Saison war die sportliche Leitung (im Wesentlichen also Stefan Emmerling) genötigt zahlreiche Abgänge durch neue Spieler zu ersetzen. Das gelang wie bereits im Jahr zuvor bemerkenswert gut: Morabit, Rickert, Rauw, Oumari, Manno und Ofosu-Ayeh gehörten über die ganze Saison hinweg zu den 16 bis 17 Spielern der Kernmannschaft. Morabits Verpflichtung war sogar ein kleiner Geniestreich. Der Franzose wurde vom saarländischen Oberligisten SF Köllerbach verpflichtet und schon im Vorbereitungsspiel gegen Werden Bremen war seine spielerische Klasse nicht zu übersehen. In der Innenverteidigung wurde Routine (Rauw) und Perspektive (Oumari) verpflichtet. Beides Verteidiger, die fußballerisch besser sind als Möckel, Hillebrandt und Pohl. Wer das nicht wahrhaben will, erinnere sich an das zuweilen atemberaubend dilettantische Gekicke vor dem eigenen Tor in den letzten Jahren. Etwas, das man in dieser Saison kaum zu ertragen hatte. Natürlich auch dank eines immer wertvoller werdenden Tom Betram. Mit Ofosu-Ayeh wurde ein 19 Jahre alter Nachwuchsspieler aus Wilhelmshaven geholt, dessen Saison Licht und Schatten aufwies, der aber eindeutig ebenfalls auf der Habenseite von Emmerlings Verpflichtungen zu verorten ist. Für alles, was er auf dem Platz geleistet hat, trifft das gleichermaßen auf Gaetano Manno zu. Von Hause aus ein Stürmer hat er im offensiven Mittelfeld mehrheitlich gute, engagierte Spiele geboten. Das ist keineswegs selbstverständlich, da er hier deutlich mehr Defensivarbeit leisten muss, wozu er klaglos bereit und in der Lage war.

Während der Winterpause konnte sich der Verein zudem mit Marco Engelhardt auf einen langfristigen Vertrag einigen. Und, obwohl er quasi ein Jahr keinen Fußball mehr gespielt hatte, gelang ihm bereits in Bremen der Sprung in die Stammelf. Angesichts dieser Verstärkungen ist Emmerlings Aussage, dass die Mannschaft spielerisch besser sei als jene der letzten Saison völlig nachvollziehbar. Wir halten fest: mehr spielerische Qualität bei kleinerem Etat. Schon rechnerisch war das nur möglich, weil der RWE mit 23 Spielern den numerisch kleinsten Kader aller Drittligamannschaften aufwies (Quelle: transfermarkt.de).

Viele Spiele wurden von Kleinigkeiten entschieden

Warum hat es dann trotzdem wieder nur zu Platz 5 gereicht? Nun, ich glaube nicht, dass es hierfür eine monokausale, alles erfassende, quasi mohrensche Antwort gibt. Jedenfalls keine plausible. Eine Ursache liegt meines Erachtens in der immensen sportlichen Ausgeglichenheit der Liga. Es gab eine Unmenge enge Spiele. Spiele in denen Kleinigkeiten und Zufälle den Ausschlag gaben. In einigen dieser Spiele hatte die Mannschaft schlichtweg Pech, in anderen vergab sie Führungen durch mentale und taktische Leichtfertigen, wobei Ersteres meist Letzterem vorausging. Natürlich wurden taktische Fehler gemacht, nicht alle vom Trainer erdachten Spielpläne gingen auf und manchmal, ja manchmal, verlor man gegen eine an diesem Tag schlichtweg bessere Mannschaft. Was aber vergleichsweise selten vorkam.

In einer separaten Saisonanalyse werde ich darauf noch detaillierter zu sprechen kommen. Wie ausgeglichen der gesamte Wettbewerb 3.Liga war, sollen hier schon mal einige Zahlen verdeutlichen.

Extrem hohe Leistungsdichte

Die längste Siegesserie aller Mannschaften (8 Siege in Folge) bescherte dem VfR Aalen (bei ansonsten durchschnittlicher Bilanz) den direkten Aufstieg. Eine ähnliche Sequenz der Chemnitzer nach der Winterpause katapultierte die Sachsen zwischenzeitlich von sehr weit unten auf den Relegationsplatz. Gerade mal 22 Punkte liegen zwischen dem Tabellenführer (Sandhausen, 66) und dem ersten Nichtabstiegsplatz (Babelsberg, 44). In den bisherigen Spielzeiten war der Abstand (meist deutlich) größer: 08/09 – 38 Punkte, 09/10 – 23, 10/11 – 49. Der Tabellenvierzehnte Darmstadt verlor nur drei Spiele mehr als Primus Sandhausen. Burghausen, Tabellensechster, verlor sogar drei Partien weniger (7) als der Spitzenreiter (10). Die 18 Unentschieden der Oberbayern (zwei davon gegen den RWE) werden wohl ein Rekord für die Drittligaewigkeit bleiben.

Es fühlt sich nicht so an, aber es war eine gute Saison

Nüchtern betrachtet hat die Mannschaft des FC Rot-Weiß Erfurt unter ihrem Trainer Stefan Emmerling erneut eine gute Drittligasaison gespielt. Der fünfte Platz lässt wenig Raum für andere Interpretation. Im Grunde wurde die Mannschaft ein Opfer der durch sie selbst entfachten Erwartungen. Die frustrierende Erfahrung scheinbar leichtfertig vertaner Aufstiegschancen teilen wir allerdings mit den Anhängern anderer Vereine: siehe Chemnitz, siehe Burghausen, siehe Heidenheim, siehe die Offenbacher Kickers. Auch die wurden das ein oder andere Mal vom Bus der eigenen Illusionen überrollt, auch die hatten beständig (Burghausen, Offenbach, Heidenheim) oder zum Ende (Chemnitz) die Aufstiegsplätze vor der Nase. Das wird in Erfurt niemanden trösten, sollte aber Anlass genug sein, über die vermeintliche Singularität hiesigen Elends hinwegzukommen.

Das Wichtigste zum Ende dieses Postings: Wie die meisten bereits wissen, hat sich unser U18-Nationalspieler Johannes Bergmann am Sonntag beim Spiel gegen den VfL Osnabrück schwer verletzt. Ihm wünschen wir alles erdenklich Gute, vor allem jedoch baldige und vollständige Genesung. Kopf hoch, Johannes!

Chemnitzer FC vs. Rot-Weiß Erfurt 0:2 / Eine Ahnung von Größe

Sie schossen die Tore: Reichwein und Drexler  / © www.fototifosi.de

Auf die Details kommt es an. Im Fußball wie im Leben, das man gerne auch das richtige nennt. RWE Co-Trainer Henri Fuchs erklärte in der Halbzeit im mdr, dass man die Spieler genau instruiert habe, wie sie den CFC-Rechtsverteidiger Fabian Stenzel anlaufen sollen. Nämlich so, dass er den Ball möglichst nur in die Mitte des Spielfeldes weiterpassen kann und nicht auf die rechte Seite zu Ronny Garbuschewski.

Chemnitz minus Garbuschewski / Kein Problem für den RWE

Stefan Emmerling verwendete also viel gedankliche Mühe darauf, den Spielmacher der Chemnitzer zu isolieren und scheute nicht davor zurück, seine Defensive aufwendig umzubauen. Das gelang glänzend. Wenn Garbuschewski dann doch mal am Ball war, kümmerte sich Joan Oumari um ihn, eine Dienstleistung, auf die der Chemnitzer Regisseur gewiss gerne verzichtet hätte. Die Erfurter Viererkette mit Rauw, Zedi, Bertram und Oumari war eine Novität, spielte aber, als hätte sie in dieser Konstellation schon manche Schlacht geschlagen. Die Aufstellung Oumaris hinten links hatte einen weiteren Vorteil. Damit war Caillas für das linke Mittelfeld frei und mittels seiner Spielstärke gelang es, Stenzel in der Abwehr zu binden. Ein weiterer Mosaikstein, um Garbuschewskis taktische Quarantäne im Angriff zu perfektionieren. Auch ansonsten gab es an diesem wunderbaren Nachmittag im Stadion an der Gellertstraße keinen Ausfall im Trikot des RWE. Im Gegenteil: Drexler und Reichwein waren pures Nitroglyzerin für die Verteidigung der Chemnitzer. Nach 28 Minuten – mit der Roten Karte gegen Bankert – hatten die beiden dann auch sämtliche Aufstiegsträume des CFC pulverisiert. Mission accomplished.

Die Rote Karte war berechtigt

Im oben schon erwähnten Halbzeitinterview des mdr bewies Henri Fuchs diplomatisches Geschick. Er wollte wohl nicht noch Öl ins Feuer gießen und befand, dass man „die Rote Karte nicht hätte geben müssen.“ Nun ja, was muss man schon geben? Festzuhalten bleibt, dass sich die Entscheidung von Schiedsrichter Stegemann völlig mit der korrespondierenden Regel des Deutschen Fußballbundes im Einklang befand. Diese lautet nämlich: „Ein Spieler … erhält die Rote Karte und wird des Feldes verwiesen, wenn er eines der folgendes Vergehen begeht: (u.a.) Vereiteln einer offensichtlichen Torchance für einen auf sein Tor zulaufenden Gegenspieler durch ein Vergehen, das mit Freistoß oder Strafstoß zu ahnden ist.“ Man kann sich die Szene wegen mir jetzt noch hundertmal anschauen, Stoff für Verschwörungstheorien sieht anders aus. Bankert tat durch sein Foul genau das: Er verhinderte eine offensichtliche Torchance. Amen. Und wenn ein mdr-Sportreporter noch einmal irgendeinen Blödsinn im Sinne von: Er war doch gar nicht letzter Mann erzählt, storniere ich den Dauerauftrag für die GEZ. Denn ob jemand „letzter Mann“ war, ist in etwa so relevant wie das Wahlergebnis von Dr. Gerd-Bezahlt-Euer-Stadion-Doch-Selber-Stübner für die Erfurter Kommunalpolitik: nämlich null.

Wäre das Spiel ohne diese Rote Karte anders verlaufen? Nun, darauf deutet wenig bis nichts hin. Der RWE war davor und danach die dominierende Mannschaft und es stand bereits 0:2, als der Chemnitzer Innenverteidiger vom Feld musste.

Im Hinspiel hatte ich einen taktischen Punktsieg Gerd Schädlichs über seinen Erfurter Kollegen konstatiert (RWE – CFC 0:0 / Emmerling vs. Schädlich 0:1). Emmerling hat sich am Samstag eindrucksvoll gerächt rehabilitiert. Nicht zum ersten Mal stellte sich dabei die Polyvalenz einiger RWE-Spieler als großes Plus heraus. Drexler spielte grandios in der Spitze, Caillas weiß auf jeder Position links der Spielmitte zu gefallen und Joan Oumari mag die tiefen Teller nicht erfunden haben, aber auf dem Platz ist er eigentlich immer ein Gewinn für die Stabilität des Rot-Weißen Defensivspiels.

Hoffentlich nicht wieder ein großer personeller Umbruch

Ich konnte nicht umhin, mich am Spiel des RWE in Chemnitz hochgradig zu erfreuen. Dabei war es keineswegs berauschend, spielerisch hatte die Mannschaft in dieser Saison schon Effektvolleres geboten. Doch vielleicht lag genau an diesem Punkt der Unterschied zu anderen, nicht siegreich beendeten Spielen: Nach der Führung wurde getan, was notwendig war, um zu gewinnen, und nicht das, woran man Spaß hat. Kein Glänzen wollen, keine Hackenpässe, kein Nachlassen im Gefühl einer vermeintlichen Überlegenheit. Einfach nur: konzentrierter Ergebnisfußball. Es beschlich mich – nicht zum ersten Mal – eine Ahnung davon, was mit dieser Mannschaft möglich gewesen wäre.

Meine Vorfreude auf das letzte Saisonspiel gegen Oberhausen ist ohnehin mit reichlich Wehmut vermischt. Wieder verlassen mit Olivier Caillas (sicher) und Marcel Reichwein (so gut wie sicher) zwei Spieler den RWE, die ich gerne länger in Erfurt spielen gesehen hätte. Dass die so Welt ist, muss mir jetzt niemand erklären. Das weiß ich. Es ändert nur nichts an der Leerstelle, die diese Fußballer hinterlassen werden und auf deren adäquaten Ersatz man vorerst nur hoffen darf. Umso wichtiger wäre, dass die auslaufenden Verträge mit anderen Leistungsträgern dieser Spielzeit, wie Pfingsten-Reddig und Weidlich, verlängert werden. Klar, auch diese beiden haben sich schwächere Spiele gestattet, und vor allem Weidlich ist derzeit nicht gerade in einer Überform. Nichtsdestotrotz handelt es sich um zwei Stammspieler, die – nimmt man alles in allem – ihre Drittligatauglichkeit in zwei Spielzeiten verlässlich demonstriert haben. Werden sie weiterhin an den Verein gebunden, könnte man sich bei der Personalsuche für die neue Saison auf die beiden defensiven Außenbahnen konzentrieren, hier herrscht absehbar der größte Handlungsbedarf.

Rot-Weiß Erfurt vs. Unterhaching / Irgendwie gewonnen

Pfingsten-Reddig schaut seinem Tor zu / © www.fototifosi.de

Es gab in dieser Saison einige Spiele, die der FC Rot-Weiß Erfurt im heimischen Steigerwaldstadion hätte gewinnen müssen. Jenes vom Samstag gegen Unterhaching gehört definitiv nicht in diese Kategorie. Wenn es dumm normal läuft, führen die Gäste zur Halbzeit mit 3:1. Mindestens.

Sponsel könnte auch Handballtorwart

Dabei begann es richtig gut. Pfingsten-Reddig, Morabit und der Meister höchstselbst waren an den Vorbereitungen zu Reichweins Führungstreffer beteiligt. Da waren noch keine 120 Sekunden gespielt und alle hofften auf eine Gala à la Sandhausen. Dass nichts daraus wurde, lag in erster Linie an der SpVgg Unterhaching. Bereits unmittelbar nach dem Gegentreffer hatten sie die Riesenchance auf den Ausgleich. Andreas Sponsel wurde zu einer ersten Glanzparade genötigt, weitere vier Mal wehrte er anschließend Schüsse aus kürzester Entfernung ab; die Sinnhaftigkeit seiner Vertragsverlängerung eindrucksvoll unterstreichend. Ihm allein war es zu danken, dass der Ausgleich erst kurz vor dem Halbzeitpfiff fiel. Gegen Hefeles Schuss aus abermals kürzester Distanz war er chancenlos. Es war ohnehin nur eine Frage, wann der Ausgleich fallen würde, nicht ob.

Ehrlich gesagt waren meine Hoffnungen auf eine bessere zweite Halbzeit des RWE arg limitiert. Wortschatz von Podolski nichts dagegen. Wer sich für die derzeitigen fußballerischen Baustellen des RWE interessiert, muss sich keinen Cutter suchen. Ein Videoband der ersten Hälfte genügt vollauf. En suite gaben sich alle Defizite die Ehre: Das zentrale Mittelfeld bekam keinen Zugriff auf ihre jeweiligen Kombattanten in dieser entscheidenden Zone. Entweder stand man zu weit von den Gegenspielern entfernt oder attackierte diese nicht aggressiv genug. Des Gleichen war die Raumaufteilung mangelhaft. Den Hachingern gelang es immer wieder, flache, vertikale Bälle zu spielen, ein sicheres Indiz dafür, dass das Verstellen der Passwege nicht wirklich funktioniert. Was die Verteidiger zuverlässig alt aussehen lässt.

Schlagseite auf links / Segen und Fluch in einem

Zudem hatte das Spiel des RWE, nicht zum ersten Mal, schwere Schlagseite nach links. Ich denke, nein, ich bin sicher, dass dies in erster Linie mit der Positionierung von Olivier Caillas auf der linken Abwehrseite zu tun hat. Wird hinten herausgespielt, ist es zumeist Caillas der den Spielaufbau betreibt. Er versucht zunächst schon (taktisch lehrbuchmäßig), das Aufbauspiel zentral anzulegen. Sind allerdings die Passwege auf die beiden 6er verstellt, spielt er dann aber sehr häufig einen langen Ball auf die linke Seite. Diese Zuspiele haben meist eine hohe Qualität, weswegen Morabit und Pfingsten-Reddig sich häufig in diesen Raum orientieren. Zusätzlich zum offensiven Spieler auf dieser Seite (z.B. Drexler) und zum evtl. noch aufrückenden Caillas selbst. Was für eine hohe spielerische Qualität auf dieser Seite sorgt. Meiner Schätzung nach sind mindestens die Hälfte aller Tore und Torchancen des RWE  in der zweiten Saisonhälfte auf diese Weise entstanden. So what, ist doch prima! Im Grunde schon, wenn da nicht noch die rechte Hälfte des Spielfeldes wäre. Dazu muss man sich klar machen, das Pfingsten-Reddig um nach links zu kommen, den eigentlich auf dieser Seite des zentralen Mittelfeldes agierenden Engelhardt quasi links überholen muss. Wird der Ball in so einem Moment vom Gegner abgefangen, ergeben sich auf unserer rechten Defensivseite unendliche Räume für schnelle Konter. Das ist dann kaum zu verteidigen.

Stefan Emmerling weiß um dieses Manko. Es ist halt nur verdammt schwer zu beheben, da unser Offensivspiel über die rechte Seite eklatante spielerische Defizite aufweist. Weidlich, mit mehr Schatten als Licht (und insgesamt einer Stagnation in seiner Entwicklung) und Ofosu-Ayeh, der zwar rackert wie ein Grubengaul, aber mit seinen Forrest-Gump-Gedächtnisläufen zu einem konstruktiven, passorientierten Spielaufbau wenig beiträgt. Nun, das Problem der linksseitigen Asynchronität wird sich mit dem Abschied von Olivier Caillas vermutlich erübrigen. Um eine raumgreifende initiale Spielgestaltung seiner Elf muss sich Stefan Emmerling jedoch weiterhin sorgen. Eine – möglicherweise auch durch neues Personal herbeizuführende – Verstärkung der rechten Seite spielt dabei in seinen Überlegungen gewiss eine Rolle.

Ein Endspiel in Chemnitz / Auch für die Mannschaft?

Wie gesagt, ich hatte mich eigentlich von allen Hoffnungen für diese Begegnung verabschiedet. Und die ersten Minuten der zweiten Halbzeit schienen wenig geeignet, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Doch dann drehte das Spiel, ebenso unvermittelt wie deutlich sichtbar: Der RWE gewann mehr Zweikämpfe, zweite Bälle wurden erobert, die Passgenauigkeit erhöht, es gelang sogar die ein oder andere Spielverlagerung auf die rechte Seite. Nach dem Tor von Pfingsten-Reddig waren die Hachinger zunächst nicht in der Lage etwas Zwingendes zu erwidern. Der RWE schien das Ergebnis nach Hause schaukeln zu können. Das war optimistisch gedacht. Von mir und wohl gleichfalls von der Mannschaft. Denn in den letzten Minuten kam es zu einem Dauer-Tohuwabohu im Erfurter Strafraum. Der Fußballgott mag ein launischer Himmelsfürst sein – grundhaft ungerecht ist er nicht. Das Glück, jenes uns in einigen Saisonspielen abging, war dem RWE in der crunch-time gegen Unterhaching gewogen. Die drei Punkte blieben im Steigerwaldstadion.

Jetzt Chemnitz. Die verloren zwar in Regensburg, allerdings höchst unglücklich, denn der CFC war dort in weiten Phasen das bessere Team. Die Mannschaft von Gerd Schädlich wird bis in die letzte Synapse hinein motiviert sein. Emmerlings Spieler erwartet zudem ein emotional aufgeheizter Hexenkessel. Dort kann nur erfolgreich sein, wer über 90 Minuten engagierten, strukturierten und konzentrierten Fußball spielt. Das Setzen gelegentlicher spielerischer Glanzlichter wird im Stadion an der Gellertstraße nicht mal ansatzweise genügen. Nicht gegen diesen Gegner, nicht in dieser Atmosphäre. Aber, ich wüsste keinen geeigneteren Anlass für die Mannschaft, alle Kritiker von ihrer fußballerischen und charakterlichen Stärke zu überzeugen. Auf geht’s Jungs!

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