Tag Archiv für Caillas

Chemnitzer FC vs. Rot-Weiß Erfurt 0:2 / Eine Ahnung von Größe

Sie schossen die Tore: Reichwein und Drexler  / © www.fototifosi.de

Auf die Details kommt es an. Im Fußball wie im Leben, das man gerne auch das richtige nennt. RWE Co-Trainer Henri Fuchs erklärte in der Halbzeit im mdr, dass man die Spieler genau instruiert habe, wie sie den CFC-Rechtsverteidiger Fabian Stenzel anlaufen sollen. Nämlich so, dass er den Ball möglichst nur in die Mitte des Spielfeldes weiterpassen kann und nicht auf die rechte Seite zu Ronny Garbuschewski.

Chemnitz minus Garbuschewski / Kein Problem für den RWE

Stefan Emmerling verwendete also viel gedankliche Mühe darauf, den Spielmacher der Chemnitzer zu isolieren und scheute nicht davor zurück, seine Defensive aufwendig umzubauen. Das gelang glänzend. Wenn Garbuschewski dann doch mal am Ball war, kümmerte sich Joan Oumari um ihn, eine Dienstleistung, auf die der Chemnitzer Regisseur gewiss gerne verzichtet hätte. Die Erfurter Viererkette mit Rauw, Zedi, Bertram und Oumari war eine Novität, spielte aber, als hätte sie in dieser Konstellation schon manche Schlacht geschlagen. Die Aufstellung Oumaris hinten links hatte einen weiteren Vorteil. Damit war Caillas für das linke Mittelfeld frei und mittels seiner Spielstärke gelang es, Stenzel in der Abwehr zu binden. Ein weiterer Mosaikstein, um Garbuschewskis taktische Quarantäne im Angriff zu perfektionieren. Auch ansonsten gab es an diesem wunderbaren Nachmittag im Stadion an der Gellertstraße keinen Ausfall im Trikot des RWE. Im Gegenteil: Drexler und Reichwein waren pures Nitroglyzerin für die Verteidigung der Chemnitzer. Nach 28 Minuten – mit der Roten Karte gegen Bankert – hatten die beiden dann auch sämtliche Aufstiegsträume des CFC pulverisiert. Mission accomplished.

Die Rote Karte war berechtigt

Im oben schon erwähnten Halbzeitinterview des mdr bewies Henri Fuchs diplomatisches Geschick. Er wollte wohl nicht noch Öl ins Feuer gießen und befand, dass man „die Rote Karte nicht hätte geben müssen.“ Nun ja, was muss man schon geben? Festzuhalten bleibt, dass sich die Entscheidung von Schiedsrichter Stegemann völlig mit der korrespondierenden Regel des Deutschen Fußballbundes im Einklang befand. Diese lautet nämlich: „Ein Spieler … erhält die Rote Karte und wird des Feldes verwiesen, wenn er eines der folgendes Vergehen begeht: (u.a.) Vereiteln einer offensichtlichen Torchance für einen auf sein Tor zulaufenden Gegenspieler durch ein Vergehen, das mit Freistoß oder Strafstoß zu ahnden ist.“ Man kann sich die Szene wegen mir jetzt noch hundertmal anschauen, Stoff für Verschwörungstheorien sieht anders aus. Bankert tat durch sein Foul genau das: Er verhinderte eine offensichtliche Torchance. Amen. Und wenn ein mdr-Sportreporter noch einmal irgendeinen Blödsinn im Sinne von: Er war doch gar nicht letzter Mann erzählt, storniere ich den Dauerauftrag für die GEZ. Denn ob jemand „letzter Mann“ war, ist in etwa so relevant wie das Wahlergebnis von Dr. Gerd-Bezahlt-Euer-Stadion-Doch-Selber-Stübner für die Erfurter Kommunalpolitik: nämlich null.

Wäre das Spiel ohne diese Rote Karte anders verlaufen? Nun, darauf deutet wenig bis nichts hin. Der RWE war davor und danach die dominierende Mannschaft und es stand bereits 0:2, als der Chemnitzer Innenverteidiger vom Feld musste.

Im Hinspiel hatte ich einen taktischen Punktsieg Gerd Schädlichs über seinen Erfurter Kollegen konstatiert (RWE – CFC 0:0 / Emmerling vs. Schädlich 0:1). Emmerling hat sich am Samstag eindrucksvoll gerächt rehabilitiert. Nicht zum ersten Mal stellte sich dabei die Polyvalenz einiger RWE-Spieler als großes Plus heraus. Drexler spielte grandios in der Spitze, Caillas weiß auf jeder Position links der Spielmitte zu gefallen und Joan Oumari mag die tiefen Teller nicht erfunden haben, aber auf dem Platz ist er eigentlich immer ein Gewinn für die Stabilität des Rot-Weißen Defensivspiels.

Hoffentlich nicht wieder ein großer personeller Umbruch

Ich konnte nicht umhin, mich am Spiel des RWE in Chemnitz hochgradig zu erfreuen. Dabei war es keineswegs berauschend, spielerisch hatte die Mannschaft in dieser Saison schon Effektvolleres geboten. Doch vielleicht lag genau an diesem Punkt der Unterschied zu anderen, nicht siegreich beendeten Spielen: Nach der Führung wurde getan, was notwendig war, um zu gewinnen, und nicht das, woran man Spaß hat. Kein Glänzen wollen, keine Hackenpässe, kein Nachlassen im Gefühl einer vermeintlichen Überlegenheit. Einfach nur: konzentrierter Ergebnisfußball. Es beschlich mich – nicht zum ersten Mal – eine Ahnung davon, was mit dieser Mannschaft möglich gewesen wäre.

Meine Vorfreude auf das letzte Saisonspiel gegen Oberhausen ist ohnehin mit reichlich Wehmut vermischt. Wieder verlassen mit Olivier Caillas (sicher) und Marcel Reichwein (so gut wie sicher) zwei Spieler den RWE, die ich gerne länger in Erfurt spielen gesehen hätte. Dass die so Welt ist, muss mir jetzt niemand erklären. Das weiß ich. Es ändert nur nichts an der Leerstelle, die diese Fußballer hinterlassen werden und auf deren adäquaten Ersatz man vorerst nur hoffen darf. Umso wichtiger wäre, dass die auslaufenden Verträge mit anderen Leistungsträgern dieser Spielzeit, wie Pfingsten-Reddig und Weidlich, verlängert werden. Klar, auch diese beiden haben sich schwächere Spiele gestattet, und vor allem Weidlich ist derzeit nicht gerade in einer Überform. Nichtsdestotrotz handelt es sich um zwei Stammspieler, die – nimmt man alles in allem – ihre Drittligatauglichkeit in zwei Spielzeiten verlässlich demonstriert haben. Werden sie weiterhin an den Verein gebunden, könnte man sich bei der Personalsuche für die neue Saison auf die beiden defensiven Außenbahnen konzentrieren, hier herrscht absehbar der größte Handlungsbedarf.

Rot-Weiß Erfurt vs. Unterhaching / Irgendwie gewonnen

Pfingsten-Reddig schaut seinem Tor zu / © www.fototifosi.de

Es gab in dieser Saison einige Spiele, die der FC Rot-Weiß Erfurt im heimischen Steigerwaldstadion hätte gewinnen müssen. Jenes vom Samstag gegen Unterhaching gehört definitiv nicht in diese Kategorie. Wenn es dumm normal läuft, führen die Gäste zur Halbzeit mit 3:1. Mindestens.

Sponsel könnte auch Handballtorwart

Dabei begann es richtig gut. Pfingsten-Reddig, Morabit und der Meister höchstselbst waren an den Vorbereitungen zu Reichweins Führungstreffer beteiligt. Da waren noch keine 120 Sekunden gespielt und alle hofften auf eine Gala à la Sandhausen. Dass nichts daraus wurde, lag in erster Linie an der SpVgg Unterhaching. Bereits unmittelbar nach dem Gegentreffer hatten sie die Riesenchance auf den Ausgleich. Andreas Sponsel wurde zu einer ersten Glanzparade genötigt, weitere vier Mal wehrte er anschließend Schüsse aus kürzester Entfernung ab; die Sinnhaftigkeit seiner Vertragsverlängerung eindrucksvoll unterstreichend. Ihm allein war es zu danken, dass der Ausgleich erst kurz vor dem Halbzeitpfiff fiel. Gegen Hefeles Schuss aus abermals kürzester Distanz war er chancenlos. Es war ohnehin nur eine Frage, wann der Ausgleich fallen würde, nicht ob.

Ehrlich gesagt waren meine Hoffnungen auf eine bessere zweite Halbzeit des RWE arg limitiert. Wortschatz von Podolski nichts dagegen. Wer sich für die derzeitigen fußballerischen Baustellen des RWE interessiert, muss sich keinen Cutter suchen. Ein Videoband der ersten Hälfte genügt vollauf. En suite gaben sich alle Defizite die Ehre: Das zentrale Mittelfeld bekam keinen Zugriff auf ihre jeweiligen Kombattanten in dieser entscheidenden Zone. Entweder stand man zu weit von den Gegenspielern entfernt oder attackierte diese nicht aggressiv genug. Des Gleichen war die Raumaufteilung mangelhaft. Den Hachingern gelang es immer wieder, flache, vertikale Bälle zu spielen, ein sicheres Indiz dafür, dass das Verstellen der Passwege nicht wirklich funktioniert. Was die Verteidiger zuverlässig alt aussehen lässt.

Schlagseite auf links / Segen und Fluch in einem

Zudem hatte das Spiel des RWE, nicht zum ersten Mal, schwere Schlagseite nach links. Ich denke, nein, ich bin sicher, dass dies in erster Linie mit der Positionierung von Olivier Caillas auf der linken Abwehrseite zu tun hat. Wird hinten herausgespielt, ist es zumeist Caillas der den Spielaufbau betreibt. Er versucht zunächst schon (taktisch lehrbuchmäßig), das Aufbauspiel zentral anzulegen. Sind allerdings die Passwege auf die beiden 6er verstellt, spielt er dann aber sehr häufig einen langen Ball auf die linke Seite. Diese Zuspiele haben meist eine hohe Qualität, weswegen Morabit und Pfingsten-Reddig sich häufig in diesen Raum orientieren. Zusätzlich zum offensiven Spieler auf dieser Seite (z.B. Drexler) und zum evtl. noch aufrückenden Caillas selbst. Was für eine hohe spielerische Qualität auf dieser Seite sorgt. Meiner Schätzung nach sind mindestens die Hälfte aller Tore und Torchancen des RWE  in der zweiten Saisonhälfte auf diese Weise entstanden. So what, ist doch prima! Im Grunde schon, wenn da nicht noch die rechte Hälfte des Spielfeldes wäre. Dazu muss man sich klar machen, das Pfingsten-Reddig um nach links zu kommen, den eigentlich auf dieser Seite des zentralen Mittelfeldes agierenden Engelhardt quasi links überholen muss. Wird der Ball in so einem Moment vom Gegner abgefangen, ergeben sich auf unserer rechten Defensivseite unendliche Räume für schnelle Konter. Das ist dann kaum zu verteidigen.

Stefan Emmerling weiß um dieses Manko. Es ist halt nur verdammt schwer zu beheben, da unser Offensivspiel über die rechte Seite eklatante spielerische Defizite aufweist. Weidlich, mit mehr Schatten als Licht (und insgesamt einer Stagnation in seiner Entwicklung) und Ofosu-Ayeh, der zwar rackert wie ein Grubengaul, aber mit seinen Forrest-Gump-Gedächtnisläufen zu einem konstruktiven, passorientierten Spielaufbau wenig beiträgt. Nun, das Problem der linksseitigen Asynchronität wird sich mit dem Abschied von Olivier Caillas vermutlich erübrigen. Um eine raumgreifende initiale Spielgestaltung seiner Elf muss sich Stefan Emmerling jedoch weiterhin sorgen. Eine – möglicherweise auch durch neues Personal herbeizuführende – Verstärkung der rechten Seite spielt dabei in seinen Überlegungen gewiss eine Rolle.

Ein Endspiel in Chemnitz / Auch für die Mannschaft?

Wie gesagt, ich hatte mich eigentlich von allen Hoffnungen für diese Begegnung verabschiedet. Und die ersten Minuten der zweiten Halbzeit schienen wenig geeignet, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Doch dann drehte das Spiel, ebenso unvermittelt wie deutlich sichtbar: Der RWE gewann mehr Zweikämpfe, zweite Bälle wurden erobert, die Passgenauigkeit erhöht, es gelang sogar die ein oder andere Spielverlagerung auf die rechte Seite. Nach dem Tor von Pfingsten-Reddig waren die Hachinger zunächst nicht in der Lage etwas Zwingendes zu erwidern. Der RWE schien das Ergebnis nach Hause schaukeln zu können. Das war optimistisch gedacht. Von mir und wohl gleichfalls von der Mannschaft. Denn in den letzten Minuten kam es zu einem Dauer-Tohuwabohu im Erfurter Strafraum. Der Fußballgott mag ein launischer Himmelsfürst sein – grundhaft ungerecht ist er nicht. Das Glück, jenes uns in einigen Saisonspielen abging, war dem RWE in der crunch-time gegen Unterhaching gewogen. Die drei Punkte blieben im Steigerwaldstadion.

Jetzt Chemnitz. Die verloren zwar in Regensburg, allerdings höchst unglücklich, denn der CFC war dort in weiten Phasen das bessere Team. Die Mannschaft von Gerd Schädlich wird bis in die letzte Synapse hinein motiviert sein. Emmerlings Spieler erwartet zudem ein emotional aufgeheizter Hexenkessel. Dort kann nur erfolgreich sein, wer über 90 Minuten engagierten, strukturierten und konzentrierten Fußball spielt. Das Setzen gelegentlicher spielerischer Glanzlichter wird im Stadion an der Gellertstraße nicht mal ansatzweise genügen. Nicht gegen diesen Gegner, nicht in dieser Atmosphäre. Aber, ich wüsste keinen geeigneteren Anlass für die Mannschaft, alle Kritiker von ihrer fußballerischen und charakterlichen Stärke zu überzeugen. Auf geht’s Jungs!

OFC vs. RWE 2:0 / Vom Bieberer Berg gefallen

Sie gaben alles – die Mannschaft auch? / © www.fototifosi.de

Um dieses Mal nicht auf ein paar Minuten Spielbericht des mdr angewiesen zu sein, hatte ich mich zum sonntäglichen Groundhopping nach Offenbach entschlossen. Außerdem hoffte ich natürlich einen Sieg des RWE erleben zu können, der – nach dem Chemnitzer Remis am Vortag – gleichbedeutend mit einer Renaissance der Hoffnungen auf den Relegationsplatz gewesen wäre. Ich armer Irrer.

Naja, jedenfalls mal wieder auf dem Bieberer Berg gewesen. Und – obwohl es sich quasi um ein neues Stadion handelt – durchaus nicht fremd gefühlt. Es mag im Detail viele Kritikpunkte an der modern gewandeten Spielstätte des OFC geben, doch allein diese imposante Stehplatztribüne, die sich über die komplette Gegengerade erstreckt, bewahrt ein schönes Stück Fußballtradition. Gar nicht so einfach. Auch die mächtige, nun fast fertige Südosttribüne sieht wie ein renoviertes Abbild der alten aus.

Hohes taktisches Risiko

Wie ein Abbild der letzten Auswärtsauftritte präsentierte sich leider auch der RWE. Obwohl es Emmerling mit einer (bei den Spielen des RWE) selten zu sehenden taktischen Variante versuchte. Die Abwehrkette (rekrutiert aus Ofosu, Rauw, Engelhardt und Caillas) hatte offensichtlich die Anweisung sehr hoch, sprich weit entfernt vom eigenen Tor, zu agieren. Wie jeder weiß, ein weitverbreitetes Mittel aus dem Arsenal moderner Fußballtaktiken. Wenn Jens Lehmann ein Spiel bei Sky co-kommentiert, lobt er jede Mannschaft, die so verteidigt. Man verspricht sich davon die Verdichtung der Räume im zentralen Mittelfeld, gegnerische Kombinationen sollen bereits dort unterbunden werden. Der größte Vorteil liegt jedoch im Umkehrspiel. Werden Bälle bereits im Mittelfeld erobert (und diese Wahrscheinlichkeit steigt, wenn Abwehr- und Mittelfeldkette hoch stehen), ist die zu überbrückende Distanz zum Tor des Gegners geringer. Es ist mithin eine aggressive, offensiv orientierte Art des Spiels. Nach den letzten, mutlosen Auswärtsspielen sicherlich auch ein Zeichen an die Mannschaft: Jungs, hört die Signale! Aber es will beherrscht sein, denn es birgt enorme Risiken. Gelingt der angreifenden Mannschaft kontrollierter Ballbesitz und wird der ballführende Spieler nicht unter Druck gesetzt, sind Bälle in die Schnittstellen der Viererkette oder hinter die Abwehr, ein ungemein effektives Mittel um eine hoch stehende Verteidigung sehr alt aussehen zu lassen. Günter Grass, nichts dagegen.

Deshalb ist ein funktionierendes Pressing die Grundvoraussetzung für aufgerückte Abwehrformationen. Wenn ich mir nicht sicher bin, dass mein Pressing funktioniert, sollte ich es lieber bleiben lassen. Sonst verliere ich das Spiel. Doch grau ist alle Theorie. Schmerzhaft konkret wird es dann, wenn man sich den Offenbacher Führungstreffer anschaut, der genau dieses Dilemma vor Augen führt: kein Pressing, ein gut in den Rücken der Abwehr geschlagener Ball. Andreas Sponsel kann nur verlieren: Bleibt er stehen hat er ein Problem, geht er raus und bekommt den Ball nicht, hat er ein noch viel größeres Problem.

Eine hässliche alte Bekannte ist wieder da: die Auswärtsschwäche

Gegen eng am Mann stehende Offenbacher konnten sich die Erfurter Aufbau- und Offensivspieler selten bis nie am Ball behaupten. Kombinationen über mehr als zwei oder drei Stationen fanden kaum statt. Eklatante technische Unfertigkeiten (Weidlich, Zedi), hektische Aktionen (Ofosu-Ayeh), oder eben gute Abwehrarbeit des OFC (Pfingsten, Reichwein, Morabit) verhinderten Angriffe bereits in ihrer Entstehung. Allein auf der linken Seite gelang es Drexler und Caillas zweimal, sich zur Offenbacher Grundlinie vorzuarbeiten. Die Flanken nach innen fanden jedoch keinen Abnehmer.

Die Aufstellung von Emmerling war – nach Bertrams Ausfall – kurzfristig improvisiert. Ein zusätzliches Manko. Natürlich war ich ob Engelhardts erneuter Positionierung in der Zentrale der Viererkette überrascht. Mit Oumari stand ja noch ein ein gelernter Innenverteidiger zur Verfügung. Unser Trainer hatte sicherlich seine Gründe für diese Entscheidung. Das Problem bestand auch eher darin, dass Engelhardt im Mittelfeld als zusätzliche Relaisstation fehlte. Pfingsten-Reddig wurde aggressiv bearbeitet (überdies spielte er nicht gut) und Zedi hatte für seine technischen Möglichkeiten schlichtweg zu wenig Raum. Die von Emmerling während der zweiten Halbzeit vorgenommenen Wechsel und Positionsverschiebungen – bis hin zur Auflösung der Viererkette – änderten an den Grundübeln des Erfurter Spiels nichts Substanzielles: Hektik, mangelhafte Ballmitnahme, hohe Fehlpassquote. Der RWE hatte zwar mehr Spielanteile, was allerdings in erster Linie der nun auf Konter ausgerichteten Spielanlage des OFC geschuldet war.

Was sich in den drei vorhergehenden Spielen auf fremdem Platz bereits abzeichnete, muss man nun als Tatsache akzeptieren: zur Unzeit ist die altbekannte RWE-Auswärtsschwäche auferstanden. Ein gnadenloser Zombie. Mit dieser Niederlage sind wohl endgültig alle höheren Ziele – einschließlich des zum DFB-Pokal berechtigenden vierten Platzes – unerreichbar. Das ist, zurückhaltend und jugendfrei formuliert, ernüchternd. Jetzt kann es nur noch darum gehen, die Saison vernünftig zu Ende zu spielen. Vor allem in den beiden verbliebenen Heimspielen kann die Mannschaft unter Beweis stellen, dass sie besseren Fußball zu spielen versteht, als sie dies in Offenbach zeigen konnte.

Erfurt – Heidenheim: Wie Jekyll & Hyde – der RWE im Frühjahr 2012

Kevin Möhwald mit Überblick / © www.fototifosi.de

Der FC Rot-Weiß Erfurt bestritt in dieser Saison schon deutlich bessere Heimspiele. Leider hat er die wenigsten davon gewinnen können. Diesmal kam es anders, woran Drexlers gleichermaßen frühes wie sehenswertes Tor keinen geringen Anteil hatte. Das wiederum wurde weder von Pfingsten-Reddig (RWE-Bericht) noch von Hauck (Kicker, TA) vorbereitet. Der nach schönem Steilpass redlich verdiente Scorerpunkt gebührt allein Rudi Zedi – so viel Sorgfalt muss sein.

Sensationelles Spiel von Caillas

Aus der Not heraus beorderte Emmerling Marco Engelhardt in die Innenverteidigung. Dafür, dass er diese Position gewiss noch nicht allzu häufig spielte, hat er seine Sache sehr ordentlich gemacht. Am Anfang waren die beiden «Erfurter Jungs» (Bertram war der andere IV) noch etwas nervös, im Laufe des Spiels gewannen sie jedoch zusehends an Sicherheit und Ruhe. Sicherheit und Ruhe – dafür bot sich den beiden allerdings auch prima Anschauungsunterricht in unmittelbarer räumlicher Nähe. Der oft und zuweilen sogar zu Recht kritisierte Olivier Caillas bot auf der linken defensiven Außenbahn eine Leistung, die ich nicht umhin komme, makellos zu nennen. Wenn man Ballsicherheit und cleveres Zweikampfverhalten auf Flaschen ziehen und im Supermarkt verkaufen könnte, Olivier Caillas wäre ein gemachter Mann. Schade nur, dass sich seine Zeit beim RWE – deutet man alle Zeichen richtig – dem Ende zuneigt. An diesem Abend jedoch war allein er das Eintrittsgeld wert (naja, wenigstens gilt das für mich). Großes Kino, wie er in einer Szene der ersten Halbzeit gleich zwei Heidenheimer Angreifer mit einer minimalistischen Bewegung (und Ball am Fuß) ins Leere laufen ließ.

Kontrollierte Offensive

Das frühe Tor hatte taktische Konsequenzen. Marco Alles stellte in der Thüringer Allgemeinen fest, dass Morabit die Unterstützung aus dem Mittelfeld fehlte, weshalb er sich oft in zumeist erfolglosen Einzelaktionen aufrieb. Das ist gut beobachtet, allerdings nahm Emmerling dies billigend in Kauf. Jeweils nur einer der beiden Sechser schaltete sich vorsichtig in die Angriffe ein, der andere blieb konsequent in einer Defensivposition. Auf jeden Fall sollten Unterzahlsituationen bei Angriffen der Heidenheimer vermieden werden, weshalb man im Offensivspiel eben diese Unterzahl hinnahm. Taktisch ist daran nichts zu kritisieren, schließlich lag man durchweg in Führung. Klar war zudem, dass im weiteren Fortgang des Spiels die Konterräume größer werden würden, da Heidenheim das Risiko erhöhen sowie läuferisch abbauen würde. Von daher hatte das entscheidende zweite Tor beinahe etwas Zwangsläufiges. Jedoch nur beinahe, denn es handelte sich ja um den RWE der da spielte und der hatte es in dieser Saison mehrmals fertiggebracht, trotz turmhoher Überlegenheit ein Heimspiel nicht zu gewinnen. Das war am Dienstag anders: Möhwald (Vorarbeit) und Morabit sicherten den Sieg mit einem cool herausgespielten Tor.

Morabit gut, aber weniger Eigensinn wäre mehr

Morabits Performance empfand ich – trotz Tor und oftmaliger Unterzahl – zum wiederholten Mal nicht als optimal. Kein Zweifel, er ist viel unterwegs, bemüht sich stets anspielbar zu sein und arbeitet nach hinten immens fleißig. Trotzdem muss unser Trainer darüber nachdenken, wie man über diesen Ausnahmefußballer (jedenfalls für die Verhältnisse der 3.Liga) mehr und vor allem effektivere Offensivaktionen initiieren kann. Morabit besitzt die Gabe so gut wie jeden Ball (auch unter Druck) schnell unter Kontrolle zu bringen. Das ist aber oft nutzlos, da er meist am zweiten oder dritten Gegenspieler scheitert, die er dribbelnd hinter sich zu lassen sucht. Ballbesitz vorbei, Angriff vorüber. In vielen Fällen ließe sich das vermeiden, wenn er den Ball früher zum besser postierten Mitspieler passen würde. Allerdings steht dem die folgende Aussage Emmerlings entgegen: „Smail ist zielstrebiger geworden, auch ein Stück weit egoistischer. Das macht ihn noch wertvoller“. Bei allem Respekt vor dem Fachwissen und der Arbeit unseres Trainers, das sehe ich grundlegend anders. Kontrollierter Ballbesitz in der Hälfte des Gegners ist zu wertvoll, um ihn durch Gewaltdribblings mit a priori geringen Erfolgsaussichten ohne Not zu gefährden. Da liegt Potenzial brach.

Auch mal ohne Ronny Hebestreit in Offenbach gewinnen

Genug der Mäkelei, alles in allem sahen wir einen souveränen Sieg des RWE über biedere Heidenheimer, die einen neuerlichen Nachweis ihrer chronischen Auswärtsschwäche lieferten.

Jetzt freue ich mich auf die Offenbacher Kickers. Zum letzten Mal sah ich am 4. August 2000 ein Spiel auf dem Bieberer Berg. Damals gewann der RWE vor der äußerst eindrucksvollen Kulisse von 13.000 Zuschauern mit 1:0. Vielleicht erinnert sich Marco Engelhardt daran, er stand gemeinsam mit Clemens Fritz und dem – in meiner Erinnerung – überragend aufspielenden Norman Loose in der von Frank Engel trainierten Erfurter Mannschaft. Der RWE hat in den letzten Jahren in Offenbach oft gut gespielt. Nichtsdestotrotz, den letzten Sieg dort gab es in der Saison 2003/2004. Wäre mal wieder schön, wäre mal wieder Zeit. Smail, come on, mach uns den Ronny!

RWE – 1. FC Saarbrücken 1:1 / Nicht nur vom Winde verweht

Dominik Drexler auf dem Weg zum Ausgleich / © www.fototifosi.de

Jürgen Klopp wurde einmal gefragt, worin der Hauptunterschied zwischen 1. und 2. Bundesliga bestehe. Seine Antwort: „In der Qualität der Spieler. Alles, was man trainieren kann, ist eigentlich gleich.“ Ich denke, dasselbe lässt sich mit einigem Recht auf die 3. Liga übertragen. In der Nachfolge von Rinus Michels, Walerij Lobanowskyj und – für den deutschen Fußball – Ralf Rangnick sind alle Mannschaften der dritten deutschen Profiliga in der Lage so zu verteidigen, wie es die moderne Taktiklehre vorgibt: Viererkette, Verschieben der Formation, Verdichten der Räume. Die angreifende Mannschaft soll für ihr Spiel keinen Platz haben und zu Fehlabspielen gezwungen werden.

Kein Mittel gegen tief verteidigende Gastmannschaften

Für das Team, das sich in der Offensive befindet, hält der Taktikkanon sehr unterschiedliche Rezepte parat, trotzdem gefährlich vor das Tor einer derart verteidigenden Mannschaft zu gelangen. Das Problem des FC Rot-Weiß Erfurt: Einschließlich des Heimspieles gegen Saarbrücken ist es dem RWE in dieser Saison nicht gelungen, wirksame Mittel zu entwickeln, tief verteidigende Gegner entscheidend in Verlegenheit zu bringen. Damit erkläre ich mir in erster Linie die große Zahl an Heimunentschieden gegen fußballerisch keinesfalls bessere Gegner.

Das wurde allen Fans des RWE gegen Saarbrücken noch einmal schmerzhaft vor Augen geführt. In der ersten halben Stunde fand Saabrücken offensiv nicht statt. Erfurt hatte zwar viel Ballbesitz, befand sich quasi unentwegt in der Hälfte der Saarländer, gewann die Mehrzahl der Zweikämpfe und schoss einige Mal (aus der Distanz) durchaus gefährlich auf das von Marina exzellent gehütete Tor des Gegners. Aber so gut wie nichts davon wurde mit spielerischen Mitteln erwirkt, Chancen aus Kombinationen: keine. Der Spielaufbau gestaltete sich schwierig, eben weil Saarbrücken sich bereits in dieser Spielphase gut darauf verstand, die Erfurter Playmaker weitgehend aus dem Spiel zu nehmen: Caillas erschien es wegen des böigen Windes (zu Recht) wenig sinnvoll lange Bälle nach vorn zu schlagen, die Passwege auf die beiden Sechser wurden zugestellt und auf den Außenbahnen gab es schlichtweg zu viele technische Unzulänglichkeiten um sich mit flachen Pässen in die gefährlichen Zonen der Saarbrücker Hälfte zu kombinieren. Verschärft wurde das alles durch den Umstand, dass Morabit und Reichwein, wenn sie denn einmal einen Ball bekamen, nicht in der Lage waren diesen zu behaupten. Zudem sollte die sportliche Leitung Smail Morabit noch einmal darüber in Kenntnis setzen, dass auch Tore die nicht per Hackenpass vorbereitet werden, dem Regelwerk der FIFA entsprechen.

Eine Einzelaktion führt zum Ausgleich – was sonst

Nach der Saarbrücker Führung wurde alles noch viel schlimmer und heraus kam das schlechteste Heimspiel des RWE in dieser Saison. Der Matchplan war dahin, einen Plan B gab es offensichtlich nicht. Allein Drexlers Eigen- und Energieleistung verdankte sich das Unentschieden. Er hatte begriffen, dass er auf ein gelungenes Zuspiel seiner Mitspieler bis zum Jüngsten Tag würde warten müssen, und kämpfte sich durch die Saarbrücker Abwehr wie dereinst John Rambo durch den vietnamesischen Dschungel. Mit so viel Entschlossenheit seitens eines RWE-Angreifers hatte die Saarbrücker Hintermannschaft wohl nicht mehr gerechnet. Wie sollte sie auch, bis dahin war die Performance der RWE-Angriffsbemühungen, milde ausgedrückt, eine Zumutung. An fehlendem Willen und einer mangelhaften Einstellung lag es allerdings nicht, um auch das ganz deutlich zu sagen. Der RWE spielte wie eine Mannschaft, der während eines Fußballspiels schmerzlich bewusst wird, dass ihr die Mittel fehlen, um ein Tor zu erzielen. Die daraus resultierende Verunsicherung war fast mit Händen zu greifen. Es gelang – bis auf Drexlers Solo – nichts mehr und dabei blieb es zum erlösenden Abpfiff. Erlösend deshalb, weil Saarbrücken mit Sicherheit irgendeine seiner vielen Kontermöglichkeiten genutzt hätte, wenn das Spiel auch nur noch ein paar Minuten länger gedauert hätte.

Viel Zeit die Wunden zu lecken bleibt nicht. Bei den immens kampfstarken Meuselwitzern muss ein Sieg her, damit der wahrscheinlichste Weg am DFB-Pokal teilnehmen zu können nicht gleich mit ruiniert wird.

Leider fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit – die U19 des RWE

Nun, einen Trost hielt der Verein Rot-Weiß Erfurt an diesem Wochenende dennoch für mich bereit. Zudem keinen, den man gering schätzen sollte. Die A-Junioren lieferten gegen die Berliner Hertha erneut ein bemerkenswert gutes Spiel, das wesentlich mehr als 120 Zuschauer verdient gehabt hätte. Diesmal wurden sie nur mit einem Punkt belohnt, obwohl drei möglich und – meines Erachtens – verdient gewesen wären. In einer ausgeglichenen ersten Halbzeit erzielten die Berliner nach einer Unaufmerksamkeit der Erfurter Hintermannschaft die Führung, nicht wirklich unverdient, aber eben auch nicht zwangsläufig. Nach verteiltem Spiel in den ersten 15 Minuten des zweiten Durchganges drehte der RWE auf, spielte den Nachwuchs des Erstligaklubs regelrecht an die Wand und wurde mit dem Ausgleich belohnt. Dass sie den Weg nach Berlin nicht mit einer Niederlage antreten mussten, hatten die Herthaner ausschließlich zahlreichen nicht genutzten Erfurter Großchancen und ihrem Torwart Philipp Sprint zu verdanken. Im Grunde lag in der mangelnden Effizienz beim Torabschluss das einzige Manko im Vergleich zum Sieg gegen den HSV eine Woche zuvor.

Der RWE-Nachwuchstrainer Christian Preußer ist ein Glücksfall für den Verein. Er hat seiner Mannschaft eine überaus klare Vorstellung vermittelt, wie sie Fußball spielen soll. Der initiale Spielaufbau erfolgt fast generell über das zentrale Mittelfeld (und kippt somit nicht vorzeitig auf eine Seite ab). Dort wird situativ entschieden, wie ein Angriff vorgetragen wird, wobei die Außenbahnspieler die Anweisung haben, ihre Seite konsequent zu halten, um permanent anspielbar zu bleiben. Das soll eine maximale Breite in der Vorwärtsbewegung sicherstellen und verhindern, dass der Gegner frühzeitig auf eine Seite verschieben kann. Die technischen Fähigkeiten, Handlungsschnelligkeit und das Zweikampfverhalten aller Spieler sind verblüffend gut entwickelt und stehen dem Nachwuchs von Profivereinen wie Hertha, dem HSV und Wolfsburg in nichts nach. Davon zeigte sich gestern auch der Ex-Nationalspieler Jens Nowotny beeindruckt, dessen Agentur Insoccer mit Jonathan Lao und Niklas Wittmann zwei Spieler unter Vertrag hat, die gestern für den RWE auf dem Platz standen.

Also: Fans des RWE, schaut auf diese Mannschaft. Oder besser noch: Schaut sie euch an. Das nächste Heimspiel findet am 07.04. (14.00) gegen Hertha Zehlendorf statt, am 22.04 (12.00) wird das U19-Team von Hannover 96 erwartet. Die Jungs haben jeden Zuschauer verdient.

RWE – SV Sandhausen 4:2 / Ein geiles Spektakel

Marcel Reichwein erzielt das 1:0 / © www.fototifosi.de

„Den Erfurtern gelang diesmal fast alles. Der gravierende Eindruck: Der Spitzenreiter war einer deklassierenden Niederlage nahe! Die Ursache? Eine nicht funktionierende, offene Deckung, für die gegenseitige Absicherung ein Fremdwort zu sein schien.“ So die FuWo im Juni 1973, anlässlich des sensationellen 4:2 Heimsiegs (Halbzeit 3:0) des designierten Absteigers Rot-Weiß Erfurt über den designierten (und in Folge tatsächlichen) Meister Dynamo Dresden. Das Spiel war so etwas wie die letzte Chance des RWE. Sie wurde wahrgenommen, der Oberliga-Verbleib konnte am letzten Spieltag mit einem Sieg in Frankfurt/Oder gesichert werden.

Großartige Offensivleistung auf Basis defensiven Teamworks

Um so etwas wie die letzte Chance ging es am Samstag ebenfalls. Nur, dass es für den RWE diesmal die finale Möglichkeit war, Anschluss an den Relegationsplatz zu halten. Das gelang furios und daran hatte die gesamte Mannschaft Anteil. Und nicht nur Marcel Reichwein, wie in vielen Presseberichten ärgerlicherweise zu lesen ist. Den Gästen gelangen aus dem Spiel heraus kaum nennenswerte Offensivaktionen. Das war ein Verdienst aller Mannschaftsteile des RWE. Hier hat sich die Mannschaft definitiv verbessert. Es beginnt beim aggressiven Pressing der Stürmer gegen den Spielaufbau des Gegners, geht weiter über das geschickte Zustellen möglicher Passwege durch das Mittelfeld und endet beim konzentrierten Entsorgen aller Anspiele, die dennoch in die Nähe des RWE-Strafraums gelangen. Letzteres fällt den Verteidigern umso leichter, je mehr der Gegner gezwungen ist, lange, relativ leicht zu verteidigende Bälle zu spielen. Noch im ersten Spiel der Rückrunde (in Jena) hatte das Pressing überhaupt nicht funktioniert, da der Abstand zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen viel zu groß war. Durch die Aufstellung von Engelhardt im zentralen Mittelfeld und Caillas auf der linken Seite der Viererkette verfügt das Team von Emmerling jetzt zudem über mehr Optionen im Umkehrspiel. Das entlastet Pfingsten-Reddig und erschwert die Ausrechenbarkeit für den Gegner.

Ein kleines Loblied auf Olivier Caillas

Der Deutsch-Franzose hat uns in dieser Saison viele Nerven gekostet. Undiszipliniertheiten und eine zuweilen arrogante Lässigkeit machen es den Anhängern des RWE nicht immer leicht, ihn bzw. sein Spiel zu mögen. Die Promotion zum Mannschaftskapitän hat ihm jedoch offensichtlich gut getan. Läuferische Defizite auf der linken Abwehrposition weiß er durch Cleverness und glänzendes Stellungsspiel mehr als auszugleichen. Doch besonders wertvoll sind seine Fähigkeiten bei der Spieleröffnung. Ein Grund warum wir dringend aufsteigen müssen ist die mangelhafte statistische Erfassung von Drittligaspielen. Demzufolge kann ich die Behauptung nicht belegen, dass Caillas derjenige RWE-Spieler ist, der bei vertikalen (spieleröffnenden) Zuspielen die geringste Fehlpassquote aufweist. Sieht er eine Chance auf Raumgewinn spielt er den Ball schnell und präzise nach vorn, besteht diese Möglichkeit nicht, entscheidet er sich für die bessere Option einer Spielverlagerung. Alibizuspiele in die Spitze (mit a priori geringen Erfolgs-Aussichten) sieht man bei ihm ebenso selten wie ungenaue Pässe. Zudem haben seine Standards in den letzten Spielen an Qualität zugelegt.

Einzige derzeitige Schwäche: gegnerische Standards

Stichwort Standards: Wir haben in den letzten zwei Begegnungen vier Gegentore nach Standards kassiert. Man will ja nach so einem Heimsieg über den Spitzenreiter nicht kleinkariert erscheinen, aber wie der alte Cato im römischen Senat, kann ich an dieser Stelle auf ein ceterum censeo nicht verzichten: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Verhalten der Mannschaft bei gegnerischen Standards dringend verbessert werden muss. Ohne große Übertreibungen lässt sich für die letzten drei Spiele folgende Statistik behaupten:

  • 0 Gegentore der Gegner aus dem laufenden Spiel heraus
  • 0 Torchancen der Gegner aus dem laufenden Spiel heraus
  • 4 Gegentore nach Standards

Lassen wir es mit der Kritik am Spiel dabei bewenden.

Reichweins Scorerkoeffizient: besser als der von Bunjaku

Eine aufschlussreiche Statistik zu Marcel Reichwein: In der dritten Liga lief er bisher insgesamt 65 Mal für den RWE auf und kam dabei auf 40 Scorerpunkte (25 Tore, 15 Vorlagen). Das entspricht einem Koeffizienten von 0,62 Torbeteiligungen pro Ligaspiel. Damit liegt er jetzt knapp vor Albert Bunjaku, der in 74 Ligaspielen 45 Torbeteiligungen für sich verbuchte (0,61). Zahlen lügen nicht: auf die Knie, ihr Reichwein-Basher!

Sorgen um den Kader und leichte Verbesserung bei der Zuschauerresonanz

Leider, leider hat die glänzende Form einiger RWE-Spieler unabweisbare Konsequenzen. Für folgende Akteure sehe ich die akute Gefahr, dass sie den Verein in Richtung 2.Liga (oder anderer gut dotierter Optionen) verlassen, wenn der Aufstieg nicht erreicht werden sollte: Morabit, Oumari, Weidlich, Reichwein, Pfingsten-Reddig. Bei den drei letztgenannten laufen die Verträge aus. Trotzdem: Bei ihnen sehe ich am ehesten eine realistische Chance, sie auch bei einem Verbleib in der dritten Liga halten zu können. Bei Morabit und Oumari wird es ohnehin eng, selbst wenn der RWE aufsteigt. Es würde mich sehr überraschen, sollten sich für diese beiden nicht finanzstarke Vereine interessieren, die durchaus in der Lage wären, sie aus einem laufenden Vertrag herauszukaufen.

Knapp 6.500 Zuschauer sahen dieses Spitzenspiel der 3.Liga. Immherhin 1.500 mehr als am Samstag zuvor. Am klangvollen Namen der SV Sandhausen wird es nicht gelegen haben. Sollte doch die etwas konstruiert daherkommende Wette zwischen der Thüringer Allgemeinen und dem Verein dafür gesorgt haben? Wie auch immer, die Zuschauer die da waren, haben einer Werbung für den Fußball beigewohnt. Oder, wie es ein Gelegenheitsbesucher in der Reihe vor mir auszudrücken beliebte: „Geiles Spektakel, kann man sich öfter angucken!“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Amen.

SV Wehen Wiesbaden – RWE 0:1 / Sieg in der Blechbüchse

Kaum hat der Erfurter Stadtrat den Bau der Arena beschlossen, fangen wir an uns über die Stadien der Anderen lustig zu machen. Ist nicht so ernst gemeint – die Brita-Arena mag von außen gesehen keine Architekturpreise gewinnen, innen bietet sie alles, was eine moderne Spielstätte haben sollte. Großartig die Akustik: Spärliche 2.500 Zuschauer am Samstag hörten sich wie zehntausend an. Bei deutlicher Pegel-Überlegenheit der RWE-Fans.

Der Mannschaft von Stefan Emmerling tat die Heimspielatmosphäre in der Fremde sichtlich gut (anders als die Heimspielatmosphäre im eigenen Stadion.)  Von der ersten bis zur letzten Minute war der RWE die spielerisch und taktisch dominierende Mannschaft. Gegen einen schwachen Gegner, wohlgemerkt. Wenn Wiesbaden so weiter macht, werden sie noch zur finalen Hoffnung für den FCC. Vom Aufstiegskandidaten Nummer eins direkt in die Hölle des Abstiegskampfes – Fußball kann grausam sein.

Umso besser, dass dies in der hessischen Landeshauptstadt kaum jemanden so richtig ans Gemüt zu greifen scheint. Anders ist der jämmerliche Zuschauerszuspruch nicht zu erklären. Nur Kohle rüberschieben macht halt doch keine Fußballmannschaft. Fairerweise darf die schier endlose Verletztenmisere der Wiesbadener nicht unerwähnt bleiben. Die Verantwortlichen des SVWW täten sich jedoch keinen Gefallen, damit sämtliche Unfertigkeiten ihrer Mannschaft entschuldigen zu wollen.

Marco Engelhardt überzeugte, nicht nur des Tores wegen

Natürlich war ich gespannt, wie Stefan Emmerling die Ausfälle von Zedi, Rauw und Manno personell-taktisch kompensieren würde. Mit der Aufstellung von Oumari, Weidlich und Drexler konnte man rechnen, doch dass Engelhardt (statt Weidlich) im zentralen Mittelfeld neben Pfingsten-Reddig spielte war – wenigstens für mich – überraschend. Meiner Beobachtung nach verlief die Formkurve des Ex-Nationalspielers zuletzt eher nach Süden. Er schien nach wie vor nicht fit genug zu sein, schon gar nicht für das laufintensive zentrale Mittelfeld. Allerdings, wenn es dann so kommt wie am Samstag, ist es schon wieder ein Vergnügen sich zu irren. Marco Engelhardt spielte keineswegs herausragend (schon gar nicht mit Blick auf seine Möglichkeiten), er fiel aber auch nicht ab, machte gemeinsam mit Pfingsten einen soliden Job bei der Spieleröffnung, gefiel durch gutes Kopfballspiel, war bis zum Schluss konzentriert – und, ach ja, schoss das entscheidende Tor des Spiels. Im Vergleich zu Rudi Zedi ist er die spielstärkere Option im zentralen Mittelfeld. Wir dürfen gespannt sein, wie Emmerling diese delikate Personalie entscheidet. Dabei sollte nicht aus dem Blick verloren werden, dass der SVWW der mit Abstand schwächste Gegner der letzten Wochen war. Kein Vergleich zu den bärenstarken Aalenern (8 Siege in Folge!) vier Tage zuvor.

Das größte Manko der ersten Halbzeit war das Resultat mit dem es in die Kabinen ging. Der RWE war so überlegen, dass es deutlicher als 0:1 hätte ausfallen müssen. Doch beim letzten Pass fehlte wie so häufig ein Quantum Konzentration, andere nennen es Torgeilheit. Und so agil Morabit erneut spielte, es war wieder eines dieser Matches, in denen seine Kalibration einen Tick zuviel in Richtung Einzelkämpfermodus verstellt war. Wenn Wiesbaden gefährlich vor das Tor des RWE kam, dann nur bei Standardsituationen, hier war die Anfälligkeit des RWE jedoch besorgniserregend.

Phil Ofosu-Ayeh – die Überraschung der letzten Spiele

Überleitung zu Andreas Sponsel: Er rettete zweimal aus kürzester Distanz im Stile eines exquisiten Handballtorwarts. Bei 7 der 10 Siege des RWE stand Andreas Sponsel im Tor, er kassierte nur 12 Gegentore bei seinen 15 Einsätzen. Sicher, das Abwehrverhalten der gesamten Mannschaft mag sich verbessert haben, aber Sponsel ist eben ein Keeper, den man direkt mit dem ein oder anderen Punktgewinn in Verbindung bringen kann. Einfacher formuliert: Der Mann hält Siege fest. Siehe Saarbrücken, siehe jetzt Wiesbaden. Überleitung Rolf Rombach: Vertrag verlängern, unbedingt!

Die deutsch-französische Sphinx im Trikot des RWE, die Rede ist von Olivier Caillas, widerlegte in diesem Spiel die schon als gesichert geltende Annahme, er spiele im linken Mittelfeld besser als auf derselben Seite der Viererkette. So ganz schlüssig fand ich das sowieso nie, weil Positionen im modernden Fußball eher fluide als fest gefügt sind (sein sollten). Er kann – ähnlich wie Philipp Lahm bei den Bayern – auch auf dieser Position seine spielerischen Qualitäten zur Geltung bringen. Bedingung dafür ist ein gut abgestimmtes Verschieben der Mannschaft in die freien Räume hinein, das hat gestern in Wiesbaden prima funktioniert und ermöglicht eine sehr offensivstarke Formation auf dieser Seite. Defensiv spielte Caillas seinen Part routiniert herunter, zugegeben, eine Routiniertheit, die von aufreizender Lässigkeit manchmal nur schwer zu trennen ist.

Die eigentlich Überraschung der Rückrunde stellt für mich Phil Ofosu-Ayeh dar, dessen Offensivtalent nie in Zweifel stand, der aber bei seinem Einsätzen am Anfang der Saison besonders im Abwehrverhalten und bei gegnerischem Pressing zu hektisch agierte. Davon konnte in den letzten Spielen nicht mehr die Rede sein. Fast lehrbuchmäßig sah sein Zusammenspiel mit Weidlich auf der rechten Seite in Wiesbaden aus, selbst wenn nicht jeder Ball in eine gefährliche Angriffssituation mündete. Das permanente Überlaufen des Mitspielers in Richtung Grundlinie ist nach wie vor ein ungemein effektives taktisches Mittel um mehr Breite (und Unausrechenbarkeit) in eine Offensivaktion zu bekommen. Wenn Phil Ofosu-Ayeh diese erfreuliche Entwicklung fortsetzt, betrachte ich unser Problem auf der rechten Abwehrseite als gelöst.

Quecksilbriger Ahrens

Dass sich beide nominellen Außenverteidiger häufig in die Angriffe einschalten können, setzt unter anderem voraus, dass ein Innenverteidiger nach außen rückt. Diese Automatismen funktionieren inzwischen deutlich besser als noch am Anfang der Spielzeit, was sicherlich ebenfalls ein Grund für die degressive Entwicklung bei der Anzahl der Gegentore ist. Taktische Feinheiten sind das eine, Fußballer zu haben, die in der Lage sind diese mit spielerischer wie kämpferischer Substanz zu beleben ist noch einmal etwas völlig anderes. Tom Bertram macht derzeit seine besten Spiele seit er wieder das Trikot des RWE trägt. Seine Leistung in der zweiten Halbzeit gegen Bielefeld war exorbitant, schade, dass ihm (und uns) das Siegtor verwehrt blieb und er stattdessen nur die Latte traf. In Wiesbaden fiel er in erster Linie durch seine gescheiten Pässe bei der Spieleröffnung auf. Defensiv wurden Oumari und er durch die biederen Angreifer des SVWW kaum gefordert.

Acht Minuten vor Ende des Spiels wechselte Emmerling Tobias Ahrens für Drexler ein. Ahrens nutzte seine Chance eindrucksvoll. Die bereits etwas müden Verteidiger der Wiesbadener hatten fortan keine ruhige Zehntelsekunde mehr, Ahrens attackierte sie, wo er sie traf, und hatte entscheidenden Anteil daran, dass dem SVWW keine gefährliche Offensivaktion mehr gelang. Im Gegenteil, er selbst erarbeitete sich noch eine Riesenchance, die er diesmal noch vergab. Doch Geduld, sein erstes Drittligator wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.

RWE – VfR Aalen 0:1 / An einer besseren Mannschaft gescheitert

«Geht der Ball auf die Außen, verschieben sich die beiden Viererketten samt der beiden Stürmer davor durch das Bewegen der Außenspieler zwischen den Linien zu mehreren asymmetrischen Dreierreihen, die ein wahres Netz voller Drei- und Vierecke spinnen. Beeindruckend dabei die Selbstverständlichkeit, mit der diese Formationsverschiebungen so schnell, unkompliziert und fehlerlos ablaufen.» So beschrieb der grandiose Taktikblog spielverlagerung.de Defensivtaktik und -leistung von Borussia Mönchengladbach gegen die Münchner Bayern anlässlich des 3:1 Erfolges zum Rückrundenauftakt. Da man das prägnanter nicht zusammenfassen kann und es auf die Defensivleistung des VfR Aalen übertragbar ist, soll dies am Anfang dieses kurzen Spielberichtes stehen.

Aalen hat am Dienstagabend eine beeindruckende Vorstellung im Steigerwaldstadion geliefert. Auch ohne das völlig unnötige frühe Gegentor wäre ein Punktgewinn gegen das Team von Trainer Ralf Hasenhüttl eine komplizierte Aufgabe für den RWE geworden. Mit diesem Gegentor wurde es eine Mission Impossible. Engelhardt und Caillas standen beim Angriff der Aalener taktisch richtig, der Aalener Angreifer war – wie es sein soll – gedoppelt. Es war eine Situation an der Außenlinie wie sie in jedem Spiel dutzendfach vorkommt und fast immer zugunsten der beiden verteidigenden Spieler ausgeht. Aber beide gingen nicht giftig genug in den Zweikampf: zuerst wurde Caillas überlaufen, dann Engelhardt. Dennoch, den entscheidenden Fehler macht Olivier Caillas – statt sich nach eigenem Zweikampfverlust sofort wieder hinter Engelhardt zu bewegen um zur Stelle zu sein, sollte sein Mitspieler ebenfalls überlaufen werden, trabt er dem Spielgeschehen hinterher und kann nicht mehr eingreifen als der Aalener frei zur Grundlinie durchläuft. Das ist ein Tor bei dem Trainer ausflippen, manchen merkt man das sogleich an (Klopp, Magath), andere – wie Stefan Emmerling – leiden eher innerlich unter solchen Fehlleistungen.

Ganz anders die Aalener. Wie die Gladbacher Borussia gegen die Bayern, gelang es ihnen fast immer Überzahlsituationen bei Ballbesitz des RWE herzustellen. Anders als Engelhardt und Caillas (beim Gegentor) standen sie zudem durchweg eng an ihren Gegenspielern und versuchten diese bereits bei der Ballannahme aggressiv (aber zumeist mit fairen Mitteln) zu stören. Gelang es einem Erfurter Spieler am ersten Aalener vorbei zu kommen, war sofort ein weiterer verteidigender Spieler zu Stelle. Ganz besonderer Aufmerksamkeit «erfreuten» sich Pfingsten-Reddig und Morabit, beide wurden auch schon mal getrippelt um das Aufbauspiel des RWE (Pfingsten) bzw. die strafraumnahe Ballzirkulation (Morabit) zu unterbinden. Daran beteiligt war ausnahmslos die gesamte Mannschaft der Aalener. Der erste Pressingblock wurde durch die Stürmer aufgebaut; gelang es dem RWE eine Reihe zu überwinden verharrten die überspielten Aalener nicht in ihrer Position, sondern versuchten Passwege bzw. Räume aufs Neue zuzustellen. Das war Anschauungsunterricht in Sachen zeitgemäßer Fußballtaktik, ermöglicht durch eine ebenfalls herausragende physische Verfassung der Schwaben.

Die gute Nachricht des Abends: Der RWE erspielte sich trotzdem sehr gute Möglichkeiten und ein Remis wäre durchaus möglich gewesen. Natürlich stehen auf der anderen Seite die Aalener Konterchancen zu Buche, es hätte zur Halbzeit gut und gerne 2:4 stehen können. Das der Sieg der Aalener letztlich verdient war, wird wohl kaum jemand ernsthaft in Abrede stellen.

Für die Anhänger des RWE kein Grund den Kopf hängen zu lassen. Gegen die Mannschaft der Stunde (möglicherweise sogar der Saison) knapp zu verlieren ist keine Schande und am Samstag bietet sich in Wiesbaden die Gelegenheit in der Tabelle wieder Boden gut zu machen. Erinnert sei an Dynamo Dresden, das am 31. Spieltag der letzten Saison gegen den RWE zu Hause überhaupt keine Chance hatte (1:3) und am Ende dennoch aufstieg. Zugegeben – die Wahrscheinlichkeit eines Erfurter Fußballwunders sinkt mit jedem Punktverlust, aber in Anbetracht der großen Ausgeglichenheit der Liga sollte man die Hoffnungen erst aufgeben, wenn der Abstand zum Relegationsplatz deutlichere Dimensionen angenommen hat als das momentan der Fall ist.

RWE – VfB Stuttgart II 3:1 / Ein Wintervergnügen

Der kleine Teufel in mir flüsterte leise, aber unüberhörbar: «Es ist arschkalt da draußen, das Spiel wird im Internet live übertragen (wow, ganz schön up-to-date – der Leibhaftige), sie werden wieder nicht gewinnen und ein Grottenkick wird es sowieso.» Ich ließ mich nicht beirren, meine Hoffnungen auf den ersten Heimsieg seit Ende August waren zwar nicht überschwänglich, man kann sich jedoch nicht gut über Event-Fans lustig machen, um dann bei den ersten Minusgraden selbst zu kneifen.

Der Erfurter OB zeigt Flagge

Auch der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein schien ausreichend Gründe für einen Besuch dieses Heimspiels zu haben. Er gilt nicht wirklich als Fußballfanatiker, hat sich aber – gemeinsam mit RWE-Präsident Rombach und Wirtschaftsminister Machnig – auf den schnellstmöglichen Um- und Ausbau des Steigerwaldstadions festgelegt. Es wäre übertrieben zu behaupten, seine politische Zukunft hinge von diesem Projekt ab, aber auf Grund der plötzlich von der CDU entdeckten ordnungspolitischen Skrupel wird uns (und ihm) diese Kontroverse als Wahlkampfthema an prominenter Steller erhalten bleiben. Er zeigte Gesicht und das ist – angesichts der leicht hysterischen Diskussion – auch gut so.

Keine Überraschungen in der Startaufstellung

Nach der internen Suspendierung Oumaris rückte Bernd Rauw in die Innenverteidigung (und machte dort ein makelloses Spiel). Auf der rechten Abwehrseite entschied sich Emmerling für Ofosu-Ayeh, der, nach nervösem Beginn, eine solide Leistung bot. Engelhardt, spielte, wie bereits in Bremen, links in der Viererkette. Somit konnte Caillas ins linke Mittelfeld vorrücken, was sich als segensreich für die spielerische Performance des RWE herausstellen sollte. Allein sein Steilpass auf Reichwein war das Eintrittsgeld wert. Formal bot Emmerling ein leicht asymmetrisches 4-4-2 auf, in dem Weidlich – bei Angriffen des RWE – nicht selten auf Höhe der beiden nominellen Stürmer agierte. Diese wiederum zeigten sich taktisch sehr flexibel, einer von beiden ließ sich stets als offensive Relaisstation (sprich: Zehner) ins Mittelfeld zurückfallen, was bei ihrer spielerischen Stärke zu einem ungemein belebenden Element des Erfurter Spiels an diesem Nachmittag wurde.

Chancenlose Stuttgarter

Mit dem rekonvaleszenten Delpierre und Rathgeb standen zwei Spieler mit Bundesligaerfahrung in den Reihen des VfB. Sein erstes Spiel in der 3.Liga machte Rani Kedhira, der kleine Bruder des Real-Stars und deutschen Nationalspielers. Aber weder von vermeintlich großen Namen noch von der depressiv stimmenden Statistik ließen sich die Erfurter beeindrucken. Praktisch von Beginn des Spiels an, dominierten sie den Gegner nach Belieben. Nur bei Standards ging vom VfB so etwas wie Gefahr aus. Kein Zufall also, dass aus einer Ecke das Tor der Stuttgarter fiel. Die erste Halbzeit des RWE ließ keine Wünsche offen und die Kälte vergessen. Aus einer sehr guten Mannschaft möchte ich dann doch Smail Morabit herausheben. Seine Vorarbeit zum zweiten Tor war bemerkenswert, auch wenn sie nicht sonderlich spektakulär aussah. Nachdem er den Ball tief in der eigenen Hälfte bekommen hatte, lief er zunächst in zentraler Position auf das Stuttgarter Tor zu. Vor ihm boten sich Pfingsten-Reddig und Weidlich an. Die Stuttgarter Verteidiger konzentrierten sich auf die Absicherung des Raumes auf dieser Seite, hatten aber – schon numerisch – keine Möglichkeit Reichwein auf links adäquat zu decken. Genau diesen räumlichen Vorteil erkannte Morabit: Er verzögerte kurz, spielte dann Reichwein den Ball in den Fuß. Dass der mit solchen Situationen etwas anzufangen weiß, konnte man in dieser Szene aufs Schönste sehen. Alles in allem ein perfekt vorgetragener Konter des RWE, Lehrbuchmaterial. Das machte beim Zuschauen richtig Spaß.

Entlastung durch und für die beiden Sechser

Kaum schlechter (wenn auch etwas einfacher, weil viel mehr Raum vorhanden war), sah das erlösende 3:1 (wiederum Reichwein) aus. Die brillante Vorarbeit dazu liefert Nils Pfingsten-Reddig mit einem gefühlvollen Pass. Meine Meinung zu ihm habe ich hier schon mehrfach kund getan: Kaum ein schlechtes Spiel in anderthalb Jahren RWE, dafür viele richtig gute. Er ist das Herz des RWE-Mittelfeldspiels: effizient, leise, unspektakulär, präzise. Emmerling hatte offensichtlich die Verantwortlichkeiten der beiden zentralen Mittelfeldspieler neu justiert. Zedi verzichtete weitgehend auf Ausflüge in den gegnerischen Strafraum, dachte und spielte in erster Linie defensiv und beeindruckte den Stuttgarter Nachwuchs mit wuchtiger Körperlichkeit. Diese Maßnahme war geeignet, unserer Innenverteidigung einen weitgehend sorgenfreien Nachmittag zu ermöglichen.

Dafür hatte Pfingsten mehr Freiheiten nach vorn. Mit Weidlich und Caillas, sowie wechselweise Morabit oder Reichwein boten sich ihm immer mehrere Anspielmöglichkeiten für die Spieleröffnung. Daran hatte es in den letzten Heimspielen vor allem gemangelt. Man muss natürlich einschränkend sagen, dass die Stuttgarter ein deutlich offensiverer und mitspielwilligerer Gegner waren als z.B. Chemnitz oder Babelsberg. Aus ihrer Sicht war das ein Fehler, denn dass die gegenwärtige Mannschaft des RWE fußballspielen kann (so man sie denn lässt) sollte sich bis ins Schwabenland herumgesprochen haben.

Ein Hoch den Greenkeepern des Steigerwaldstadions

Das jetzt folgende liegt mir seit längerem auf der Seele. Ich finde nämlich, dass die Verantwortlichen für die Spielfläche des SWS seit Jahren einen sehr, sehr guten Job machen. Schaut man sich in diesen Tagen so manchen Acker in anderen Stadien an – selbst in der 1. Bundesliga -, kann man ihnen nur ein Kompliment machen. Das Stadion mag alt und die Liga drittklassig sein, der Rasen im SWS ist selbst bei widrigsten Wetterverhältnissen passabel bespielbar. So auch am Samstag und dies war gleichfalls ein Grund dafür, dass knapp 4.000 Zuschauer die vielleicht beste Saisonleistung des RWE zu sehen das Vergnügen hatten.

Bildquellen: Foto von Marco Engelhardt – kicker.de; Spielfotos – mdr

Werder Bremen II – RWE 1:1

Kein Liveticker, kein Liveradio, nur spärliche Informationen fanden den Weg von Platz 11 des Weserstadions auf die Monitore der zu Hause gebliebenen RWE-Anhänger. Was die Qualität der Berichterstattung betraf, fühlte ich mich in die längst vergangene Zeit versetzt, als deutsche Fußball-Nationalmannschaften in Albanien oder auf Malta spielten. Auf staubtrockenen Hartplätzen ging es um Punkte für die EM- oder WM-Qualifikation. Rundfunk-Korrespondenten knarrten schwer verständliche Umständlichkeiten durch den Mittelwellen-Äther, so denn die brüchige Telefonverbindung nach Tirana oder La Valetta überhaupt zu Stande kam. Nie gab es Erhebendes zu vermelden, allenfalls ein knapper Pflichtsieg war dort zu holen. Und manchmal blamierte man sich bis auf die berühmten Knochen – wie beim 0:0 der DFB-Elf am 17.12.1967 in Tirana.

Den Ausgleich schoss Johann Morabit

Aber jeden Samstag, ab 16.30 Uhr, wird ja Licht am Ende des Tunnels. Sport im Osten, jenes journalistische Glanzstück unseres geliebten heimatlichen Kuschelsenders würde verlässliche Informationen über das Spielgeschehen in La Valetta Bremen liefern. Allerdings, ja klar, da gab es zunächst wichtigere Dinge über die es zu berichten galt. Bevor der mdr die Zeit fand, sich den Spielberichten der Profifußballer aus Chemnitz, Erfurt und Jena zuzuwenden, musste das sportliche Highlight des Wochenendes opulent versendet werden: ein Frauenfußballhallenturnier. Handgestoppte 26 Minuten verwendeten die Schmocks des mdr auf diesen Charity-Event, der den sportlichen Wert einer südthüringischen Kreismeisterschaft im Handyweitwurf noch deutlich unterschritt. Mir ist schon klar, dass Lira Bajramajs Sex-Appeal um Nuancen höher liegt, als jenes von – sagen wir mal – Rudi Zedi, trotzdem scheinen dem mdr die Maßstäbe für die Relevanz von Sportveranstaltungen endgültig abhanden gekommen zu sein.

Auf 26 Minuten Frauenhallenfußball folgten dann 11 Minuten Profifußball mit dem RWE. Es sollte nicht der letzte Fauxpas des mdr an diesem Nachmittag bleiben. Der Reporter aus Bremen hatte wohl nicht die nötige Zeit, sich mit den Spielernamen der Teams näher vertraut zu machen, jedenfalls hieß Smail Morabit bei ihm durchgängig Johann mit Vornamen. Wahrscheinlich eine Verwechslung mit Oumaris Rufnamen, der Joan lautet und von logopädisch sparsam ausgebildeten Sprechern auch schon mal Johann artikuliert wird.

Kleiner Kader – bei Sperren, Geburten und Verletzungen wird es eng

Der RWE hat mit 23 Akteuren, neben Saarbrücken, den kleinsten Kader aller Drittligisten. Caillas und Drexler waren gesperrt, Manno nach seiner Verletzung noch nicht fit und Danso Weidlich einen Tag vor dem Spiel Vater geworden. So musste Emmerling auf vier Stammkräfte verzichten, von Jovanovic und Serge Yohoua redet ja irgendwie niemand mehr. So kam es, dass die personell-taktische Ausrichtung der Mannschaft zum einen sehr gewöhnungsbedürftig war, zum anderen saßen auf der Bank eigentlich nur noch ein paar Jungpioniere Nachwuchsspieler, von denen allein Hauck in der 87. Minute einer Einwechslung für wert befunden wurde. Das macht ein weiteres Dilemma im Kader des RWE deutlich: nach den ersten 15 kommt nicht mehr viel. Können von den Stammkräften einige nicht spielen, wird es schnell sehr, sehr eng. Und auch wenn es so klingen mag, das ist keine Kritik an der sportlichen Leitung des Vereins. Es bleibt strategisch richtig, sich bei den Neuverpflichtungen für Spieler wie Oumari, Manno, Rauw, Morabit und Engelhardt zu entscheiden, die zwar teuer sind, bei denen man aber davon ausgehen kann, dass sie der Mannschaft sofort helfen können, anstatt eine größere Anzahl preiswerterer Spieler zu verpflichten, von denen es möglicherweise niemand in die erste Mannschaft schafft. Mehr gibt der Etat eben nicht her. Die Aufgabe unseres Trainers wurde zudem dadurch verkompliziert, dass sich Engelhardt für eine laufintensive Mittelfeldposition noch nicht fit genug fühlte, so dass er Ströhls Stelle auf der linken Abwehrseite einnahm. Alles in allem waren das nicht die allergünstigsten Vorzeichen, den derzeit deutlich negativen Trend zu stoppen.

Dem Spielverlauf entsprechendes Remis

Ob man das Unentschieden als Punktgewinn oder -verlust ansieht, liegt im Auge des Betrachters. Eingedenk der nach wie vor nicht völlig gegenstandslosen Ambitionen in Richtung Relegationsplatz kommt man wohl nicht umhin, von einem enttäuschenden Resultat beim Tabellenletzten zu sprechen.

Es ist schwierig die Leistungen einzelner Spieler fair zu bewerten. Engelhardt trifft jedenfalls definitiv keine Schuld am schnellen Rückstand. Der Bremer Ayik hatte bereits unsere beiden Innenverteidiger hinter sich gelassen und war dabei allein auf Sponsel zuzulaufen, als Engelhardt von links einrückte und dies zu verhindern suchte. Sein Abfälschen des Balles über unseren Torhüter hinweg war einfach nur verdammtes Pech.

Nach dem sehenswert heraus gespielten Ausgleich durch Morabit war Erfurt der Führung deutlich näher als die Bremer. Zedi und Morabit hatten danach noch zwei erstklassige Chancen. Überhaupt, Morabit, er hatte schon gegen die Bayern zu gefallen gewusst, und bestätigte mit seiner Leistung in Bremen diesen Aufwärtstrend. Wenn in dieser Saison noch etwas nach oben gehen soll beim RWE, dann wird Morabit dabei eine wichtige Rolle zukommen. Deshalb kann man nur hoffen, dass sich unser talentiertester Offensivallrounder nicht noch einmal verletzt. Take care, Smail. Auch Reichwein wusste mit dem für ihn typischen Spiel zu gefallen: mannschaftsdienlich, kopfballstark, engagiert. Beim Rest scheiden sich die Geister: dem Notengeber der Thüringer Allgemeinen gefielen Ströhl und Ofosu-Ayeh besser als Zedi und Pfingsten, sein Pendant beim Kicker bewertete die Leistungen unseres Mittelfelds genau anders herum. Herrje, wenn man nicht alles selbst macht.

Jetzt kann es schnell gehen und wir liegen aussichtslos hinten

Unnötig über die weiteren Aussichten viele Wort zu verlieren: Jetzt müssen Siege her. Sonst verdämmert die Saison im sportlichen Nirgendwo. Das wäre schade, aber es gibt Schlimmeres, wie uns ein Blick 50 Kilometer ostwärts lehrt. Jedenfalls ist es gut, dass Caillas, Manno und Weidlich nächste Woche wieder dabei sind. Gegen die spielstarke Reserve des VFB braucht es eine deutliche Steigerung in allen Mannschaftsteilen.

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