Tag Archiv für Baumgarten

FC Rot-Weiß Erfurt vs. Holstein Kiel 3:2

Nach dem Spiel konnte niemand sagen, wann der FC Rot-Weiß Erfurt zuletzt drei Tore nach Standards erzielt hatte. Abgesehen von Pfingsten-Reddigs Elfmetern war das lange Zeit eine vernachlässigte Toreinnahme-Quelle. Es blieb Walter Kogler vorbehalten, die Gründe dafür zu nennen: Mehr gute Standardschützen (in diesem Fall: Tyrala, Aydin und Möhwald) und eine größere Anzahl potenzieller Abnehmer. Daraus resultierend: weniger Ausrechenbarkeit für den Gegner.

Soweit zu den ausschließlich positiven Aspekten des Spiels. Auf der anderen Seite ist zu vermerken, dass RWE die Standards so dringend benötigte wie die FDP Zweitstimmen, weil aus dem Spiel heraus wenig Konstruktives gelang. Das lag in erster Linie an einer bockstarken defensiven Vorstellung der Kieler. Carsten Neitzel und sein Trainerteam hatten definitiv ihre Hausaufgaben erledigt. Nichts war es mit einem gepflegten, vertikal orientierten Spielaufbau aus einer Dreierkette heraus. Quasi alle Aufbauspieler wurden früh und aggressiv gestört, sodass oft nur der Rückpass zu Klewin blieb. Dessen einzige wirkliche Schwäche, mangelnde Präzision bei langen Bällen, war ebenfalls nicht dazu angetan, das Offensivspiel von RWE zu befördern.

Kiel brachte zwar zunächst in direkter gegnerischer Tornähe auch nicht viel zustande, erwies sich aber als erstaunlich ballsicher und entzog sich so immer wieder dem Pressing der Erfurter. Beide Tore fielen dann wie aus dem Nichts. Zuerst hatte Judt einen Aussetzer und foulte Heider völlig unnötig, wenig später bilderbuchte Brandstetter die Ecke von Tyrala zum Ausgleich ins Kieler Tor.

Nach dem Wechsel brachte Kogler Aydin für den erneut wenig überzeugenden Bukva. Zunächst änderte sich dadurch wenig. Mit der folgenden Einwechslung von Kammlott (für Tyrala) wurde auf ein 4-4-2 umgestellt hatte. Aydin fand nach zehn Minuten besser ins Spiel, bzw. wurde von seinen Mitspielern in Selbiges eingebunden. Auch Wiegel, am anderen Flügel, wurde stärker. Es ergaben sich Chancen, doch erneut benötigte es einen Standard zur Führung. Danach «rächte» sicht die numerische Unterzahl im Mittelfeld, Holstein reagierte druckvoll und mit gutem Fußball auf den Rückstand, fast folgerichtig fiel der Ausgleich. Das Spiel wurde ein völlig offenes, aber der Fußballgott hatte an diesem Samstag ein Faible für Kevin Möhwald und ließ dessen Freistoß durch Freund und Feind passieren. Jetzt reagiert Kogler praktisch sofort, revidierte das 4-4-2 und wechselte Baumgarten für Brandstetter ein. Kiel mühte sich zwar noch um den Ausgleich, konnte aber die zwischenzeitliche Dominanz im Mittelfeld bis zum Ende nicht mehr erreichen.

Die drei Punkte lassen Rot-Weiß den Anschluss nach oben nicht verlieren, damit dies aber weiterhin gilt, sollte in Wiesbaden natürlich nicht verloren werden. Aber wenn ich mich recht entsinne, haben wir da eigentlich immer ganz gut ausgesehen und gepunktet. Wird trotzdem schwer, da der SVWW jetzt drei Mal in Folge verloren hat und sicher nicht scharf darauf ist, diese Serie fortzusetzen.

Rot-Weiß Erfurt vs. Borussia Dortmund II 3:1

Die regionalen Medien sind ja stets dankbar, wenn einem Spiel zum Ende einer Saison eine gewisse Restdramatik verliehen werden kann. So auch im Vorfeld der gestrigen Begegnung zwischen dem Nachwuchs des BVB und dem FC Rot-Weiß Erfurt. Zu diesem Zweck wurde das Abstiegsgespenst geweckt, in grelle Farben gekleidet und ins Steigerwaldstadion gezerrt. Die arme Sau.

Motto des Spiels:

Geduld will bei dem Werke sein. (Goethe)

Die Aufstellung:

Pfingsten-Reddig hatte in Chemnitz ein herausragend desolates Spiel abgeliefert. Baumgarten und Wiegel konnten ebenfalls nicht überzeugen (nebst vielen anderen, ich weiß). Folgerichtig ließ Kogler alle drei auf der Bank Platz nehmen. Dass Möhwald, Czichos und Odak nach Ablauf ihrer Sperren in der Startelf standen, war keine Sensation. Kreuzers Auftauchen in selbiger ebenfalls nicht, aber eine Überraschung war diese Personalie schon. Damit er die Doppelsechs Engelhardt und Möhwald aufbieten konnte, musste Czichos in die Innenverteidigung rücken, Odak auf die linke Abwehrseite und Kreuzer dessen eigentliche Position rechts in der Viererkette einnehmen. Kogler riskierte einiges, er stellte die Abwehrkette (fast) komplett um (in Relation zu den Stammpositionen der Spieler), damit er im zentralen Mittelfeld seine Wunschformation aufbieten konnte. And it works.

Taktiksplitter:

Möhwald und Engelhardt harmonierten prächtig miteinander. Das war spielentscheidend. Sie gewannen die Mehrheit ihrer Zweikämpfe und nervten den individuell starken BVB-Nachwuchs mit robuster und konzentrierter Zweikampfführung. Kann sich jemand an ein verlorenes Kopfballduell von Engelhardt erinnern? Ich jedenfalls nicht. Je länger das Spiel dauerte, desto öfter ergab sich für einen von beiden die Gelegenheit, ins Angriffspiel einzugreifen. So war es eben kein Zufall, dass sie an zwei von drei Toren direkt beteiligt waren.

Möhwald ließ sich von Anfang an beim Spielaufbau häufig auf Höhe der Innenverteidiger fallen. Der dahinterliegende Plan war klar: es sollten nicht nur lange Bälle in Richtung der Offensivspieler geschlagen werden, stattdessen wollte man mit Passstafetten das Mittelfeld überwinden. Interessant war, dass Möhwald sich meist nicht zentral zwischen den beiden IV anspielen ließ, sondern – in der Regel – etwas versetzt auf der linken Erfurter Abwehrseite. Sobald er das tat, schob sich Odak viel höher in die gegnerische Hälfte, um als Relaisspieler Angriffe auf dieser Seite erfolgversprechender unterstützen zu können.

Das Coaching:

Wie gesagt, die Aufstellung war mutig, hatte andererseits – nach der Leistung in Chemnitz – aber jede Logik für sich. Wenn der maßgeblichste Mannschaftsteil – das zentrale Mittelfeld – so schwach agiert, muss sich ein Trainer etwas einfallen lassen. Bei einem guten funktioniert die Idee dann sogar.

Die Wechsel während des Spiels folgten den Notwendigkeiten des Spielstands bzw. dem Fitnesszustand der Spieler, siehe Brandstetter.

Spieler des Tages:

Kevin Möhwald. Gab am Spieltag der Thüringer Allgemeinen ein ausführliches Interview. Die Lektüre lässt die Fans des RWE einigermaßen sicher in dem Gefühl zurück, dass er auch im nächsten Jahr am Steigerwald die Töppen schnüren wird. Hier könnte wohl nur eine sehr hohe Ablöse den Verein zum Umdenken bewegen.

Er bot gestern eine seiner besten Saisonleistungen. Ein Führungsspieler bereits jetzt. In dieser Form für den RWE nicht adäquat ersetzbar.

Bilanz des Spiels:

Drei Punkte und die Gewissheit, dass die Mannschaft, wenn sie denn (fast) in Bestbesetzung antreten kann, guten Fußball zu spielen in der Lage ist. Blendet  man die erneuten Irritationen wegen der Lizenzerteilung aus (fatalistisches Motto der Anhängerschaft, mich eingeschlossen: Rolle Rombach wird’s schon richten), sollte der FC Rot-Weiß Erfurt in der Lage sein, die neue Saison mit ausgeschlafener Gelassenheit zu planen.

Der Gegner:

Der Nachwuchs des BVB hatte mit Marian Sarr und Marvin Ducksch die beiden – mit einigem Abstand – teuersten Spieler der dritten Liga in der Startelf.  Und auch ansonsten konnte man jedem BVB-Kicker individuelle Klasse kaum absprechen. Aber als Mannschaft funktionierte das Gebilde schon weniger gut und an diesem Abend traf mal halt auf einen Gegner, der einen Sieg schlichtweg mehr wollte. Andererseits: Geht der BVB in Führung, wird es – bei der Konterstärke der Westfalen – schwer für die Rot-Weißen. Gegen eine konzentriert und weitgehend fehlerfrei verteidigende Erfurter Mannschaft taten sie sich jedoch schwer, große Tormöglichkeiten zu erarbeiten. Trotzdem: der BVB II wird nicht absteigen, das hat auch mit dem nicht übermäßig schwierigen Restprogramm zu tun.

Die Öffentlichkeit:

Dauer der mdr-Spielberichts: 1 Minute. Mehr muss man nicht sagen. Ansonsten sorgt der heutige Feiertag für mediale Ruhe. Gibt Schlimmeres.

Wenn ich der Trainer wäre …

… würde ich mir über die Osterfeiertage ein paar Stunden Ruhe gönnen und ein wenig die Seele baumeln lassen. Hat er sich redlich verdient, der Walter Kogler.

Die Aussichten:

Landespokal-Halbfinale gegen den Landesligisten Dachwig-Döllstedt, ein Wiedersehen mit den Rot-Weiß-Ikonen Albert Krebs (Trainer) und Ronny Hebestreit (Kapitän). Nachdem wir im letzten Jahr gegen den der gleichen Klasse angehörigen SV Schott Jena das Finale verloren haben, sollte jeder gewarnt sein. Schaun mer mal.

Merke soeben, dass ich diesen Text unmöglich ohne eine Bemerkung zur Leistung von Carsten Kammlott enden lassen kann: Stark wie immer, seit er wieder hier spielt. Erneut zwei Scorerpunkte. Erneut unermüdlich. Ich war stets ein Freund seiner Rückkehr, aber so schnell so gut, das hätte ich mir nicht träumen lassen.

Rot-Weiß Erfurt vs. Jahn Regensburg 2:3 / Rot-Weiße Bravehearts

RWE vs. Regensburg

Ich erwartete ein munteres Drittligaspiel, bestritten von zwei Mannschaften, deren Stärken eher in der Offensive liegen. Ich sah ein aufregendes Spektakel, dessen spielentscheidende Szene noch immer nicht vollständig geklärt ist. Vor allem sah ich aber eine großartig kämpfende Erfurter Mannschaft, die kurz davor stand eine fußballerische Sensation Wirklichkeit werden zu lassen. Aber auch wenn diese nicht gelang, sollten sich die Anhänger des FC Rot-Weiß an der großen Moral ihres Teams erfreuen, anstatt sich bis zum Überdruss an der Leistung des Schiedsrichters abzuarbeiten.

Motto des Spiels:

Let’s stay together!

Die Aufstellung:

Keine Überraschung in der Startformation.

Taktiksplitter:

Dazu würde ich mehr schreiben, wenn es ein ganz normales Spiel gewesen wäre. Denn das Aufeinandertreffen des Erfurter 4-4-2 und des Regensburger 4-2-3-1 war schon fast prototypisch für ein Spiel, in dem diese Systeme gegeneinander antreten. Nur so viel: Regensburg machte in der Offensive das Spiel sehr breit, der ballferne offensive Außenbahnspieler blieb (fast immer) auf seiner Seite. Über schnelle diagonale Spielverlagerungen sollte dieser ins Spiel gebracht und der freie Raum genutzt werden, was vor allem über unsere rechte Abwehrseite einige Male gelang. Auch, weil sich Drazan nicht wirklich an der Abwehrarbeit beteiligte. Ganz anders das Erfurter Spiel. Hier rückt der ballferne Außenspieler (fast immer) ins Zentrum, um bei der systembedingten Vakanz des 10er-Raums eine zusätzliche Anspielstation zu bieten. Dies klappte beim Zuspiel von Möhwald auf Strangl, das zum Elfmeter führte, ausgezeichnet. Damit sind wir schon bei der ersten diskutablen Entscheidung des Spiels. Ich denke, es ist unstrittig, dass der Regensburger die Hand bereits vor dem Strafraum an Strangs Trikot hat. Das spielt aber keine Rolle, wenn diese sich noch dort befindet, sobald Strangls Fuß die Strafraumlinie berührt. Ich habe es mir einige Male angesehen: Es ist – so oder so – nicht wirklich zweifelsfrei zu erkennen.

Das Coaching:

Es gab einiges Murren um mich herum, als Kogler nach Möhwalds Feldverweis Brandstetter für Baumgarten auswechselte. Bei diesem Spielstand (1:1), in dieser Spielminute (34.) und angesichts der Spielstärke des Gegners hätten 100 von 100 Trainern so gewechselt. Bei Unterzahl in dieser Phase des Spiels kann es nur darum gehen, defensive Stabilität herzustellen, was in der Folge ja auch ganz gut gelang – bis die Unterzahl dann, nach Czichos Platzverweise, eine Zweifache wurde.

Kogler ließ Drazan in der Kabine und brachte für ihn Andreas Wiegel. Ein völlig nachvollziehbarer Wechsel, weil Drazan sich schlichtweg nicht an die defensive Zuordnung hielt, weshalb der Jahn vor allem über unsere rechte Abwehrseite gefährlich wurde. Je näher das Ende der Saison rückt, desto mehr beschleicht mich bei Drazan der Eindruck, dass er vor allem über gute Offensivaktionen potenzielle neue Arbeitgeber auf sich aufmerksam machen möchte. Seine individuellen Stärken sind unbestritten, verweigert er aber die Arbeit gegen den Ball, gehört er auf die Bank. Punkt.

Spieler des Tages:

Marco Engelhardt. Mal wieder. Bis zum 1:1 ein solides Spiel von ihm, danach überragend. Etwas zugespitzt könnte man behaupten: Je weniger eigene Mitspieler auf dem Feld standen, desto besser wurde Engelhardt. Jammerschade, dass sein Freistoß kurz vor Ultimo das Ziel knapp verfehlte. Ein Tor wäre die Krönung gewesen.

Bilanz des Spiels:

Die Schlüsselszene des Spiels datiert sich auf die 31. Spielminute. Es wird noch immer unterschiedlich darüber berichtet, was zum Elfmeter für Regensburg und zur Gelb-Roten Karte für Möhwald führte. Laut Spielberichtsbogen von fussballdaten.de und kicker.de, die, soweit ich erfahren habe, auf dem Spiel-Protokoll des DFB beruhen, wird ein Foulelfmeter für Regensburg aufgeführt. Und vermutlich, infolgedessen, die Gelb-Rote Karte wegen Foulspiels für Möhwald. Diese Sichtweise ließe die Entscheidung von Willenbork zumindest einigermaßen konsistent dastehen. Wenn sie auch, mit einiger Wahrscheinlichkeit, falsch war. Hier bieten die TV-Bilder des mdr allerdings ebenfalls keine letzte Gewissheit. Mein Eindruck im Stadion war: Möhwald berührt den Regensburger gar nicht, eine Wahrnehmung, die durch die Fernsehbilder nicht widerlegt aber eben auch nicht zweifelsfrei bewiesen wird. Die Riesen-Verwirrung um die Szene entsprang einer vielfach wiederholten Fehlinterpretation, Quelle: mdr-Spielbericht, der zufolge ein (vermeintliches) Handspiel von Möhwald ursächlich für den Elfmeter gewesen sein soll. Diese Version ist noch heute so in der TLZ zu lesen. Dabei war es eindeutig Odak der nicht Hand spielte. Wofür Möhwald dann Gelb-Rot sah, ist noch immer offen: Foulspiel oder doch Reklamieren? Wie auch immer, danach war das Spiel ein anderes. Regensburg wollte sich die Führung erspielen, der RWE ließ nicht viel zu und hatte mit Kammlotts Kopfballmöglichkeit sogar die bessere Chance. Ein zweites Mal änderte sich die Statik des Spiels komplett mit der Herausstellung von Czichos. Fingerspitzengefühl hin oder her, er darf diesen Zweikampf an der Seitenlinie einfach nicht so führen. Wie kaum anders zu erwarten, spielten die Regensburger weiter geduldig auf den Führungstreffer. Wie der dann fiel, ließ das Steigerwaldstadion vollends zum Tollhaus werden. Allein: das war ein reguläres Tor, es gab keine aktive Bewegung der Hand von Muhovic zum Ball. Sieht blöd aus, ist bitter – alles keine Frage. Trotzdem war die Anerkennung des Tores regelkonform. Man kann über die Regel diskutieren, es ist aber müßig, über deren korrekte Auslegung durch den Schiedsrichter zu lamentieren.

Die eigentliche Sensation war allerdings, wie die Erfurter Mannschaft auf den Rückstand reagierte. Statt wie die Lemminge auf weitere Tore der Regensburger zu warten, wurde nun volles Risiko gegangen, in der Abwehr und im Mittelfeld wurde nur noch eins gegen eins verteidigt und vorne erzwang man den Ausgleich. Nicht mittels eines irgendwie hineingewürgten Standards, sondern durch Zweikampfpräsenz, Druck und spielerische Mittel. Mit zwei Spielern weniger auf dem Feld, man es kann es gar nicht oft genug wiederholen. Es war dann auch eine feine Kombination, die zum zwischenzeitlichen Ausgleich durch den erneut unermüdlichen Kammlott führte.

Der Gegner:

Regensburg trat wie erwartet auf: fußballerisch versiert und begabt, mit Mängeln in der Chancenverwertung und in der Defensive. Sie sind nur knapp einer Blamage entgangen, die ein erneuter Erfurter Ausgleich zwangsläufig dargestellt hätte.

Die Konsequenzen:

Platz vier in der Liga kann man jetzt völlig vergessen. Wird zudem interessant, wen Kogler am Samstag in Chemnitz auf den Platz schickt. Man kann nur hoffen, dass Laurito wieder einsatzfähig ist. So oder so wird die Besetzung der beiden Außenverteidiger-Positionen ein schwieriges Unterfangen werden.

Die Öffentlichkeit:

Ist mir alles zu fokussiert auf den Schiedsrichter. Der, ich sage es gern noch einmal, sicherlich keinen guten Tag hatte. Mir ist viel wichtiger zu betonen: eine großartige kämpferische Leistung der Mannschaft, die nicht verdient hat, im großen Schiri-Gemotze unterzugehen.

Die Aussichten:

Nordhausen. Alles andere: sekundär. Vorläufig.

Wenn ich der Trainer wäre …

… würde ich mir über das Spiel gegen Chemnitz erst Gedanken machen, nachdem wir morgen im Südharz – hoffentlich – gewonnen haben. Und ich würde Christopher Drazan auf einen Plausch bitten. Thema: Du hilfst uns nur, wenn Du diszipliniert spielst. Heldenfußball braucht kein Mensch!

Wehen Wiesbaden vs. Rot-Weiß Erfurt 1:1

wehen-rweBlechbüchse hin, Wellblechpalast her – wen es fasziniert, ein Fußballspiel aus möglichst großer Nähe zu verfolgen, für den gibt es wahrlich miesere Orte als die Wiesbadener BRITA-Arena.

Walter Koglers Aufstellung bot nicht die geringste Überraschung. Patrick Göbel hatte sich, mit einer guten Vorstellung in Duisburg, erneut in die Startelf gespielt. Der Rest der Mannschaft stellt sich momentan (noch) nahezu von selbst auf. Die Rückkehr Möhwalds auf dem Spielberichtsbogen zeigt an, dass sich dies bald ändern könnte.

Rot-Weiß begann druckvoll und ging mit einer großartigen Kombination nach fünf Minuten folgerichtig in Führung. Wie schon in Duisburg leitete Pfingsten-Reddig das Tor mit einem schönen Pass ein, Drazan bestätigte (nicht nur in dieser Szene) wie wertvoll er bereits jetzt für die Mannschaft ist, und Kammlott tat, wofür man ihn verpflichtet hat und netzte routiniert ein. Die anschließenden 20 Minuten dominierte RWE nach Belieben, was einen (!) Zuschauer auf der Haupttribüne zu einem halblaut vorgetragenen «Kienle raus»-Ruf animierte. Dem mochte sich niemand weiter anschließen, schon gar nicht, als sich das Spiel zusehends in Richtung Erfurter Abwehr drehte. Wiesbaden fand immer besser in die Partie und Vunguidica, Mintzel, Book und Jänicke bewiesen, dass sie eine Defensive zu beschäftigen wissen. Den Ausgleich möchte ich nicht exklusiv unserer Abwehr angelastet sehen. Jänicke kann ohne jeden Druck, wie im Training, präzise flanken, Odak und Laurito stehen dann allerdings natürlich zu weit weg vom Torschützen Mintzel. Die ganz heißen letzten fünf Minuten vor der Pause hatten nicht zuletzt ihre Ursache in der Verletzung Lauritos. Engelhardt rückte zwar sofort in die Innenverteidigung, aber die Zuordnung stimmte vorerst überhaupt nicht, sodass RWE diese Phase nur mit Glück ohne weiteres Gegentor überstand. Nach Wiederanpfiff waren beide Mannschaften bemüht zum Siegtor zu gelangen, allerdings war es ihnen noch wichtiger, nicht als Verlierer den Platz zu verlassen. Alles war unspektakulärer als in Halbzeit eins, es gab deutlich weniger Torchancen und am Ende stand dann eben ein so logisches wie leistungsgerechtes Remis.

Was gab es noch Bemerkenswertes? Engelhardt spielte nach der Pause (wieder einmal) Innenverteidiger und macht seine Sache exzellent. Als hätte er seit der B-Jugend nichts anderes getan. Das ist keineswegs selbstverständlich, weshalb ich es hier gesondert vermerke. Wenn er zentral in der Abwehr spielt, hat das zudem den Vorteil, dass sich einer der beiden Sechser nicht (oder zumindest seltener) für den Spielaufbau nach hinten fallen lassen muss und auf diese Weise eine zusätzliche Anspielstation im Mittelfeld zur Verfügung steht, zumindest theoretisch.

Luka Odaks Defensivleistung war – gegen einen agilen Mintzel und sieht man mal vom Tor ab – in Ordnung. Was mir bei ihm nicht gefällt sind leichte Passfehler in der Vorwärtsbewegung, da agiert er einfach zu hektisch. Er kann das besser, keine Frage, nur wäre es langsam an der Zeit, dies konstant unter Beweis zu stellen.

Sehr gut gefallen hat mir Maik Baumgarten. Bei ihm bin (war) ich mir nie ganz sicher, ob seine Leistungen schon für die dritte Liga genügen. Er wurde in Wiesbaden in einer diffizilen Spielsituation als zentraler Mittelfeldspieler eingewechselt und hat diese Aufgabe defensiv souverän bewältigt. Wach, aggressiv, schnörkellos. Es mangelt ihm auch keineswegs an Spielübersicht bei eigenen Angriffen. Klar, nicht jeder Ball kam zum Mitspieler, aber grobe Fehlabspiele leistete er sich ebenfalls nicht. Für mich einer der Gewinner dieses Spiels.

Womit wir bei unserem Kapitän wären. Zunächst einmal, auch von diesem virtuellen Ort aus, einen herzlichen Glückwunsch zum 200. Drittligaspiel, lieber Nils Pfingsten-Reddig. Ansonsten lädt seine Leistung, wie häufig in den letzten Spielen, zu einer differenzierten Betrachtung ein. Ich hatte schon erwähnt, dass es sein Pass war, der das Führungstor einleitete. In diesem Bereich liegt ganz eindeutig seine größte Stärke – wie kein anderer Akteur unseres Kaders ist er in der Lage «tödliche» Pässe zu spielen. Weniger zufrieden war ich erneut mit seiner Leistung im Defensivverhalten. Hier ist er mir oft zu statisch, zu wenig aggressiv. Vor allem bei Ballverlusten ist es spielentscheidend, dass die zentralen Mittelfeldspieler in der Lage sind, einen Angriff des Gegners zu unterbinden. Sei es mit ihrem Zweikampfverhalten, sei es mit dem Zustellen von Passwegen, sei es mit möglichst geschickten, geringfügigen Fouls. (Was nicht immer gelingt, wie die insgesamt 14 Gelben Karten von Engelhardt und Möhwald beweisen.) In dieser Rubrik seiner Arbeitsplatzbeschreibung ist mir Pfingsten-Reddig zu zögerlich und das sorgt in Folge immer wieder dafür, dass sich die hintere Viererkette massiven Problemen – in Form einer Überzahl von Gegenspielern – gegenübersieht. Deshalb war ich froh, dass Kevin Möhwald wieder im Aufgebot stand und wir im Mittelfeld über Optionen verfügen, die wir überdies wie die Luft zum Atmen benötigen, da Laurito mindestens zwei Spiele ausfallen und Engelhardt seinen Platz in der Abwehr einnehmen wird.

Wir haben wieder nicht gewonnen, ich weiß. Trotzdem kommen mir die Abstiegsunkenrufe etwas deplatziert, um nicht zu sagen hysterisch vor. Die Mannschaft spielt weder wie ein Absteiger, noch verliert sie jedes Spiel. Es ist zugegeben derzeit etwas zäh mit dem Punktekonto, allerdings bin ich optimistisch, dass sich dies bereits am Freitag gegen Holstein Kiel ändern wird.

Einmal abgesehen von der fortgesetzten Sieglosigkeit war das ein sehr angenehmer Ausflug nach Wiesbaden. Nicht zuletzt wegen meines Bloggerkollegen Gunnar, der im stehblog dem SV Wehen Wiesbaden schon lange die Treue hält und uns vor dem Spiel und in der Halbzeit bestens betreute. Vielen Dank!

Dortmund II vs. Rot-Weiß Erfurt 0:3 / Göbel&Co rocken den BVB

RWE - YoungstersDer Ballspielverein Borussia Dortmund e.V. eignet eine ruhmreiche Vergangenheit, durchlebt eine in jeder Hinsicht erfolgreiche Gegenwart und darf – nach allem was man weiß – einer ebensolchen Zukunft entgegen sehen. Über was er allerdings nicht verfügt, ist ein vernünftiger Rasen für die Austragung der Heimspiele seiner Drittligamannschaft. Aber wir wollen die Erregung darüber gar nicht allzu hoch dimmen, denn vermutlich hat von diesen miserablen Platzverhältnissen der samstägliche Gegner des BVB, der FC Rot-Weiß Erfurt, durchaus profitiert. Eine Art höhere Fußball-Ironie. Quittieren wir gerne und mit einem milden Lächeln.

Der BVB begann stark, wurde dem Ruf der Zweitvertretungen gerecht, spielte technisch beschlagenen Fußball, spielte über die Flügel, kam zu einigen Halbchancen und dachte wohl, dies genüge zunächst als Arbeitsnachweis. Errare humanum est, würden die alten Römer und Wilfried Mohren sagen. Nach etwa zehn gespielten Minuten übernahm Erfurt die Hoheit und gab die Spielkonsole bis zum Abpfiff nicht mehr her. Am Ende stand ein ungefährdeter, kühl, kontrolliert und zu Teilen sogar ansehnlich herausgespielter Erfolg für die rot-weißen Farben. Punkt. (Oder richtiger: drei davon.) Ja, Marvin Ducksch war nicht dabei, seines Zeichens der teuerste Spieler der 3. Liga. Er sollte mit den Profis in Wolfsburg siegen, was – wie man inzwischen weiß – auch so ein BVB-Plan war, der in dieser Woche nicht wirklich aufging.

Dortmund versuchte es fortan fast nur noch mit hohen Zuspielen auf den Sturmhirten Balint Bajner, der jedoch bei Laurito und Engelhardt in besten Händen war und deshalb gar nichts ausrichten konnte. Nach der Führung durch Wiegel (Assist: Pfingsten-Reddig) gewann Erfurt Selbstvertrauen und Sicherheit und verwaltete den Vorsprung, ohne dass der geneigte Zuschauer oder -hörer jede Minute einen kleinen Herzkasper erlitt, wie das noch eine Woche zuvor gegen Chemnitz der Fall war, als RWE-Verteidiger vier Mal auf der Linie klären mussten. Dann kam Patrick Göbel und machte den Sack zu. Er schoss das zweite Tor selbst und spielte einen wunderbaren Pass in die Schnittstelle der Dortmunder Abwehrkette, den Nietfeld quer legte und damit Mijo Tunjic ein Angebot unterbreitete, das dieser nicht ablehnen konnte.

Es gibt Stimmen, die behaupten, dass Marco Engelhardt, als Innenverteidiger für den gesperrten Kleineheismann aufgeboten, sein bestes Spiel für RWE machte, seitdem er wieder am Steigerwald die Töppen schnürt. Ob das zutrifft, kann ich nicht beurteilen. Was ich glaube beurteilen zu können, ist der Umstand, dass spielerisch sehr starke Innenverteidiger dem Aufbauspiel jeder Fußballmannschaft gut tun, natürlich auch dem von RWE. Womit ich keinesfalls sagen möchte, dass Kleineheismann Schwächen in dieser Disziplin hat – eher ist das Gegenteil der Fall. Aber Engelhardt ist in dieser Hinsicht natürlich noch mal eine andere Nummer. Mit Pfingsten-Reddig und Möhwald im zentralen Mittelfeld hat Erfurt alle drei Spiele gewonnen, eine durchaus bemerkenswerte Statistik. Das ist jetzt kein Plädoyer, diese Konstellation gegen Dortmund in jedem weiteren Spiel aufs Neue zu erproben. Es soll nur zeigen, dass Kogler eine Situation zu nutzen weiß, die er selbst mitgeschaffen hat: Obwohl Kleineheismann, Czichos und Möckel nicht aufgeboten werden können (mithin drei der vier Spieler die bisher in der IV standen), ist er in der Lage mit Engelhardt einen weiteren Akteur in die Startelf zu stellen, der ohne jeden Substanzverlust diese Position zu spielen weiß. Und auf dessen eigentlicher Planstelle im zentralen Mittelfeld agiert dann mit Pfingsten und Möhwald ein äußerst spielstarkes Duo. Diese Variabilität ist über das Resultat vom Samstag hinaus eine äußerst erfreuliche Botschaft für jeden Anhänger der Rot-Weißen.

Patrick Göbel. Ich muss gestehen, ich hatte meine Zweifel, ob sich der kleine offensive Mittelfeldspieler mit dem sensationellen rechten Fuß bei den Profis würde durchsetzen können. Aber gerade bei ihm macht sich eine weitere Personalentscheidung der sportlichen Leitung peu à peu bezahlt. Es ist sicherlich für die jungen Spieler von großem Wert, dass mit Christian Preußer ein Ko-Trainer installiert wurde, der sie seit Jahren kennt und der sich im Umgang mit ihnen stets für Vertrauen und Geduld ausspricht. Das zahlen Klewin, Möhwald, Nietfeld, Göbel, Baumgarten und Stolze jetzt mit harter Währung in Form von guten Leistungen zurück.

Man kann überhaupt nicht genug würdigen, wie großartig das ist.

Rot-Weiß Erfurt vs. Elversberg 2:0 / Ich liebe Arbeitssiege

Geduld will bei dem Werke sein, ließ schon Goethe die Nachwelt wissen. Es hätte gestern weit weniger davon benötigt, wenn Schiedsrichter Badstübner dem RWE nach Foul an Öztürk in der ersten Halbzeit einen Elfmeter nicht verweigert hätte. Und damit die Fortsetzung des inzwischen schon legendären Klassikers Oztürk-Foul-Elfmeter-Pfingsten-Tor verhinderte. Oder wenn die Rot-Weißen eine ihrer Chancen, die Größte durch Brandstetter nach tollem Pass von Pfingsten, nutzen. So aber dauerte es 75 Minuten, bis die Elversberger endgültig und spielentscheidend die Übersicht verloren und es für irgendwie überflüssig erachteten, Möhwald beim Freistoß von Pfingsten zu decken. Dieses Führungstor lag von den ersten Minuten an, in der – Wilfried Mohren würde schreiben – bratwurstgeschwängerten Luft des Steigerwaldstadions. Dass Kevin Möhwald es erzielte, hat mich zusätzlich erfreut, weil er aus einer sehr guten Mannschaft noch einen (seinen) schwarzen Haarschopf breit, herausragte. Momentan drängt weniger die Frage, ob Möhwald im zentralen Mittelfeld spielt, sondern wen Kogler neben ihn platziert. Ich stelle es mir nicht vergnügungsteuerpflichtig vor, beispielsweise Pfingsten-Reddig zu erklären, dass er nach einer gleichfalls prima Leistung (mit vielen klugen Pässen) wieder für Engelhardt Platz machen muss. Einerseits. Andererseits sind das genau jene Sorgen, die eine Mannschaft braucht. Allemal besser als langfristig verpachtete Stammplätze. Hatten wir ebenfalls schon, ist gar nicht so lange her. Es sei mal der Name Bernd Rauw exemplarisch genannt.

Stabiles System mit immer größerer Fluidität

Andere wollen in den letzten Spielen ein 4-1-3-2 beim RWE ausgemacht haben, für mich war es in allen bisherigen Spielen, so auch gestern, ein deutlich erkennbares 4-4-2 mit Doppelsechs. Defensiv ohnehin: die beiden Stürmer versuchen den Spielaufbau des Gegners, in der Regel mittels passivem Pressing, zu unterbinden. Hinter ihnen verschieben zwei Viererketten. Situativ (wenn der aufbauende Gegner Probleme mit der Ballkontrolle hat) wird aus dem passiven ein aktives Pressing, die Stürmer und mindestens zwei nachrückende Mittelfeldspieler attackieren aggressiv den Gegner, um einen Ballverlust zu provozieren. In diesen Situationen geht quasi ein Ruck durch die Mannschaft, weil auch die Abwehrkette nach vorne schieben muss, um die Räume im Mittelfeld möglichst klein zu halten, sollte das Pressing fehlschlagen. Insgesamt ist dies, gerade in dieser Liga, ein sehr probates taktisches Rezept, weil die aufbauende Mannschaft auf diese Weise oft zu langen Bällen gezwungen wird.

Eines der gravierenden Defizite eines 4-4-2 (mit Doppelsechs) ist die numerische Unterzahl im offensiven Mittelfeld bei eigenem Spielaufbau. Die wird noch dadurch verstärkt, wenn sich einer der 6er bei der Spieleröffnung auf Höhe der beiden Innenverteidiger fallen lässt. Er kann sich dann nämlich schlecht selbst anspielen. Interessant ist jetzt, dass dies nicht Koglers präferierte Spieleröffnung darstellt. Die beiden 6er postieren sich zunächst relativ hoch und es wird entweder über einen halblangen hohen oder über einen flachen Ball versucht, sie ins Spiel zu bringen. Variante zwei ist, dass das Spiel des RWE über die Außen bis mindestens zur Spielfeldmitte getragen wird. Erst wenn all das keine Option ist, lässt sich einer der 6er nach hinten fallen, um den Spielaufbau zu unterstützen. Maßgabe ist stets, lang und hoch geschlagene Bälle auf die Stürmer zu vermeiden. (Die es natürlich trotzdem gibt, weil auch die anderen Mannschaften aggressiven Druck auszuüben in der Lage sind.)

Im Angriff wird versucht, variabel und somit für den Gegner wenig ausrechenbar zu spielen. Gestern tauschten Göbel und Öztürk manchmal minutenlang die Seiten. Außerdem orientiert sich Göbel ohnehin häufig in den Halbraum auf Öztürks Seite. Diese asynchrone Überladung des linken Flügels soll Öztürks Stärke im Dribbling mittels Überzahl und damit einhergehender Passoptionen zusätzlich aufwerten. Ein Vorbild dafür sind sicherlich die Bayern, die diese Variante mit Ribery und Robben perfekt beherrschen.

Und da wäre noch Mijo Tunjic. Er kann mich noch immer überraschen. Sowieso spielt er auf einem völlig anderen Niveau als in der letzten Saison. Nach eigener Aussage begründet sich das nicht zuletzt mit einer viel besseren Fitness. Aber jetzt fängt er auch noch an die Bälle zu verteilen wie ein Zehner. Kaum Zufall, dass es sein kluger Pass auf Öztürk war, der das Spiel endgültig entschied. Da fiel selbst Brandstetters diesmal eher durchwachsene Leistung kaum negativ ins Gewicht. Für die es sowieso eine plausible Begründung gab – er konnte die Woche über verletzungsbedingt nicht trainieren.

Aus Talenten werden Profis und die Neuen sind ein Gewinn

Nachdem Kevin Möhwald in der letzten Saison Stammspieler wurde, hat zu Beginn der laufenden Spielzeit auch Philipp Klewin diesen Status erreicht. Beide sind inzwischen unangefochtene Leistungsträger. Womit man bei Möhwald rechnen durfte, kommt im Falle unseres Torwarts einer kleinen Sensation gleich. Jeder, der ihn als Jugendspieler sah, wusste, dass dem Verein da ein großes Talent zuwächst. Wie er jedoch nach Sponsels plötzlichem Abgang, mit dem unleugbaren Druck und den großen Erwartungen umgeht plötzlich Stammtorhüter zu sein, davor kann man nur den Hut ziehen. Und es geht weiter. Patrick Göbel stand in den letzten drei Spielen (alle gewonnen) in der Startelf, was an sich bereits darauf hindeutet, dass er seine Sache jeweils recht gut gemacht haben muss. Der Nächste in der Reihe der Eigengewächse, Maik Baumgarten, hat das Pech, dass auf seiner Position im zentralen Mittelfeld Hochkaräter wie Engelhardt, Pfingsten und Möhwald vor ihm rangieren. Trotzdem ist er völlig in den gegenwärtigen Kader eingebunden. Immer wenn Kogler einen Vorsprung absichern will, und das ist erfreulich häufig der Fall, ist er die erste Wahl des Trainers. Kommt ins Spiel und macht abgeklärt seinen Job. Somit haben sich vier der fünf dafür auserkorenen A-Junioren des vorvergangenen Jahrgangs bei den Profis etabliert (nur Tobias Ahrens gelang das nicht). Das ist eine herausragende Quote. Spätestens jetzt ist es hohe Zeit, hier weitere Namen zu nennen. Christian Preußers Berufung zum Co-Trainer war, ist und bleibt ein Segen für diese jungen Spieler. Erkannt zu haben, dass dies auch ein Segen für den Verein Rot-Weiß Erfurt sein kann, ist das Verdienst von Sportvorstand Alfred Hörtnagl.

Das gilt ebenso für die relativ unvermittelten Verpflichtungen von Spielern wie Kreuzer und Wiegel, die beide quasi aus dem Stand Startelf-Format nachgewiesen haben. Beides sind perfekt ausgebildete Spieler (Kreuzer: FC Basel, Wiegel: Schalke 04), beide hatten Berufungen für deutsche Nachwuchsnationalmannschaften und beide sind polyvalent einsetzbar. Soll heißen, sie können ohne Leistungsminderung mehrere Positionen spielen. Klar, muss man ihre weitere Entwicklung abwarten, bevor man ein fundiertes Urteil abgeben kann. Die Idee, die hinter ihrer Verpflichtung steht, finde ich jedoch jetzt bereits bestätigt.

Den Zuschauern wurde gestern kein Spektakel geboten. Das Wort vom Arbeitssieg hatte Konjunktur. Zeit für ein Geständnis: Ich liebe solche Siege. Die eigene Mannschaft ist besser und kontrolliert das Spiel. Spielkontrolle ist für mich beim Fußball das höchste aller Güter. Sie verdeutlicht, dass die Spieler vor allem am Ergebnis orientiert sind und individuelle Interessen zurückstellen. Anders ist sie nicht zu haben. Ich will keinen Zirkus sehen, ich will, dass meine Mannschaft gewinnt. Walter Koglers Team beweist gerade, dass Ergebnisorientierung und ansehnlicher Fußball miteinander gut zu vereinbaren sind, selbst mit den Mitteln des FC Rot-Weiß Erfurt. Dafür haben alle Mitwirkenden meinen Respekt.

PS: Anderes Thema. Die neueste Ausgabe von Ostderby – Magazin für den Fußballosten ist erschienen und kann hier erworben werden. Ich bin mit einer Buchbesprechung vertreten und habe gemeinsam mit Michael Kummer ein Interview mit zwei ausgewiesenen Kennern der überaus turbulenten Leipziger Fußballszene geführt. Das sind aber nur zwei von vielen interessanten Beiträgen.

Rot-Weiß Erfurt vs. Burghausen 1:1 / Ich. Bin. Nicht. Enttäuscht.

Die Erwartungshaltung um den wichtigsten Fußballklub der Thüringer Landeshauptstadt treibt zuweilen bizarre Blüten. Da schreibt einer bei Facebook (abgedruckt in der TA): «Landeshauptstadt gegen Dorf, es ist eine Schande.» Das würde als singulärer Blödsinn hier unerwähnt bleiben, wenn es nicht (zumindest teilweise) den Tenor der Meinungsbildung nach dem Spiel am Samstag wiedergeben würde. Der große FC Rot-Weiß Erfurt, Tabellendritter, ist nicht in der Lage, das kleine Wacker Burghausen, Tabellenletzter, aus dem Steigerwaldstadion zu schießen. Nun, die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Burghausen war in den letzten beiden Spielzeiten Sechster und Achter der Abschlusstabelle und ist mithin eine etablierte Größe in der dritten deutschen Profiliga. Beide Teams mussten vor der Saison Leistungsträger abgeben und ihren Etat deutlich reduzieren. Der RWE kam deutlich besser aus dem Saison-Startblock, da aber gerade einmal zehn Prozent der Spiele absolviert sind, handelt es sich nicht um einen Sprint, sondern um ein Langstreckenrennen, bei dem die Platzierung nach 400 Metern ja auch nicht mehr als einen Fingerzeig auf das finale Resultat liefert. Zudem hatte sich Burghausen in den ersten drei Saisonspielen schrittweise gesteigert, gegen Leipzig verlor man nur recht unglücklich in der Nachspielzeit. Es gibt keinen Grund dieses Unentschieden gleich wieder als Riesen-Enttäuschung rhetorisch in Szene zu setzen. Nach der Wolke 7 des Saisonstarts herrscht jetzt Liga-Alltag. So what?

Tunjic fehlte an allen Ecken und Enden

Walter Kogler gab Morten Nielsen eine Chance in der Startelf. Er ersetzte den rot-gesperrten Mijo Tunjic und konnte in dieser Rolle nicht überzeugen. Ich kann nicht wirklich beurteilen, ob Nielsen mit dieser Leistung bereits sein Potenzial erschöpft hat, denke aber, dass dies nicht der Fall ist. Zu seinen Gunsten sollte berücksichtigt werden, dass das sein erster Startelf-Einsatz seit Monaten war und er von Verletzungen immer wieder an einem stringenten Formaufbau gehindert wurde. Es wäre übertrieben zu behaupten, dass sich die beiden Buddys Brandstetter und Tunjic inzwischen blind verstehen, aber ihr Spiel wirkte schon ziemlich passabel aufeinander abgestimmt. Das konnte man vom Sturmduo Nielsen-Brandstetter kaum erwarten und dementsprechend sah das dann auch aus. Jedoch bot Brandstetter alles andere als eine schlechte Partie und auch Öztürk zeigt sich in der ersten Halbzeit gewohnt quirlig und für seine Gegenspieler schlecht ausrechenbar. Beide tendierten jedoch dazu, den Ball zu lange zu halten, was einige im Ansatz Erfolg versprechende Angriffe des RWE jäh und unnötig beendete. Aber, neben seiner offensiven Durchschlagskraft gingen dem Spiel der Rot-Weißen auch Tunjics Fleiß und Geschick beim Stören gegnerischer Angriffe ab. Bei einer 4-4-2-Formation ist eine unerlässliche Grundbedingung, dass die beiden Angreifer in der Lage sind, die zahlenmäßige Unterlegenheit des eigenen Mittelfelds gegen ein 4-2-3-1 des Gegners zu neutralisieren. Das gelang mit zunehmender Spieldauer immer weniger und sorgte dafür, dass die überdies ballsicheren Burghäuser in der entscheidenden Zone des Platzes die Hoheit über das Geschehen errangen. Nur gut, dass sie nicht in der Lage waren, diese Mittelfelddominanz mit besseren Zuspielen in die Spitze noch gefährlicher für die Abwehr des RWE werden zu lassen, als dies ohnehin schon der Fall war.

Das war kein gutes Spiel des FC Rot-Weiß Erfurt, jeder weiß das, weil jeder es sehen konnte. Es war ein völlig normales Spiel einer Liga, in der sich die Qualität der eingesetzten Spieler nur vergleichsweise wenig unterscheidet und es somit von Kleinigkeiten abhängig ist, ob ich ein Spiel gewinne oder verliere. Und der Gott der kleinen Dinge entschied sich an diesem Samstag eben für ein völlig leistungsgerechtes Unentschieden.

RB Leipzig ist keine Übermannschaft

Unser nächster Gegner ist – wie der RWE – nach vier Spielen noch ohne Niederlage, hat aber – anders als der RWE – zu Hause noch nicht gewonnen, was doch so ein bisschen die Stimmung eintrübt. Diese statistische Gemengelage entspricht im Großen und Ganzen dem Eindruck, den ich vom Spiel des Aufsteigers habe: Taktisch sehr diszipliniert, mithin schwer zu besiegen. Fußballerisch aber erstaunlich selten in der Lage Druck auf gut abgestimmt verteidigende und körperlich robuste Gegner auszuüben. Was manchmal nicht so ins Gewicht fällt, da sie mit Daniel Frahn einen Stürmer besitzen, der Spiele über brillante Einzelaktionen entscheiden kann. Auffällig ist, dass relativ häufig lange Bälle auf die Angreifer gespielt werden. Und, dass im Mittelfeld viele sogenannte «zweite Bälle» gewonnen werden. Das verleiht dem Spiel von RB Konstanz sieht aber selten gefällig aus. Ein großes Manko von RB ist die Anfälligkeit bei gegnerischen Standards. Dazu muss man aber a.) erst mal welche in Tornähe bekommen und b.) selbst eine gewisse Überlegenheit in dieser Disziplin vorweisen.

Mit Öztürk, Brandstetter und Tunjic fehlen dem RWE in Leipzig seine drei gefährlichsten Offensivakteure. Das ist unerfreulich. Wir sollten trotzdem guten Mutes nach Leipzig fahren. Gestern hat Duisburg bewiesen, dass dort nicht exklusiv für Spitzenteams wie Münster etwas zu holen ist. In Anbetracht des Komplettausfalls unseres Sturms wird es gravierende Änderungen in der RWE-Formation geben müssen. Es könnte sein, dass wir zum ersten Mal in dieser Saison ein System mit nur einem nominellen Stürmer sehen werden. Ich denke, dass Strangl und Göbel recht gute Chancen für die Startelf haben, mir persönlich würde allerdings auch die Variante Engelhardt und Baumgarten auf den Sechserpositionen und Pfingsten zentral im offensiven Mittelfeld davor plausibel erscheinen. Wer der (möglicherweise) einzige Stürmer sein wird, ist derzeit völlig offen. Was mich für Stolze einnimmt, ist seine Schnelligkeit und seine Aggressivität beim Anlaufen des ballführenden Aufbauspielers der gegnerischen Mannschaft.

RWE vs. HFC 3:0 / Some like it hot

So viel Beifall war lange nicht auf der Haupttribüne des Steigerwaldstadions. Das lag zum einen am starken Spiel der Erfurter Mannschaft, zum anderen waren die Fans des RWE schlichtweg erleichtert, dass ihnen ein Höllenstart wie in die letzte Saison erspart blieb. Zum ersten Mal seit dem Spieljahr 2000/2001 startete der FC Rot-Weiß Erfurt wieder mit zwei Siegen in eine Ligasaison. Dieser Rückgriff auf die Statistik macht allerdings ebenfalls deutlich, dass zu Euphorie kein Anlass besteht, denn am Ende nämlicher Saison stand der RWE auf einem Abstiegsplatz und vermied die Viertklassigkeit nur aufgrund des Lizenzentzuges für den SSV Ulm.

Fit wie ein Turnschuh

Über die Tropenhitze wurde vor dem Spieltag viel diskutiert, vielleicht ein bisschen zu viel für meinen Geschmack, sie sollte am Ende keine entscheidende Rolle spielen. Natürlich dauert die Regeneration der Spieler länger als nach einem Spiel bei «Normaltemperatur». Doch Fußballprofis sind austrainierte Leistungssportler, und hätte man nicht gewusst, dass auf dem Spielfeld über 40 Grad herrschen, dem Spieltempo wäre es nicht zu entnehmen gewesen. Das dritte Tor für den RWE fiel nach der fußballerisch schönsten Kombination des ganzen Spiels – in der letzten Spielminute. Wie bereits in Stuttgart machte der RWE am Ende des Spiels sogar den, im Vergleich zum Gegner, etwas frischeren Eindruck. Dies ebenfalls ein Indiz für die exzellente Vorbereitung unter Walter Kogler.

Das 4-4-2-System funktioniert

Die Systemfrage hatte Walter Kogler eine gute Woche vor Saisonstart entschieden. Er legte sich (vorerst) auf ein 4-4-2 fest. Das kommt Mijo Tunjic sehr zu passe, er profitiert am meisten davon, nicht mehr alleiniger Zielspieler im Sturmzentrum zu sein. Es gestattet ihm, sich häufiger auf die Flügel zu orientieren, mit den Außen das Kombinationsspiel zu suchen, von dort nach innen zu ziehen oder für nachrückende Mittelfeldspieler Räume zu eröffnen, indem er dem strafraumnahen Spiel solcherart mehr Breite verleiht. Am Samstag ist mir überdies aufgefallen, dass er auffallend oft Kopfballduelle gewann, das war in der letzten Saison ebenfalls ein Manko, jedenfalls, wenn man seine körperlichen Vorzüge in dieser Disziplin berücksichtigt. Sollte er diese Form konservieren und gemessen an seinen oft glücklosen Darbietungen in der letzten Saison, ist es kaum übertrieben zu behaupten: Wir begrüßen (diesen) Mijo Tunjic als weiteren Neuzugang beim FC Rot-Weiß Erfurt.

Brandstetter kommt sukzessive besser in Form. Schade, dass sein Schuss nur die Latte traf, denn ein Tor wäre auch ihm zu gönnen gewesen. Ich schreibe jetzt allerdings nicht, dass sein erstes Tor nur eine Frage der Zeit ist, denn als ich dies das letzte Mal getan habe, hat man von dem Spieler nie wieder was gehört (Tobias Ahrens). Klar ist aber: wenn Brandstetter gesund bleibt, werde ich hier noch sehr enthusiastische Dinge über ihn zu berichten wissen.

So wie über Aykut Öztürk, diesem Gott des körpernahen Kleindribblings. Keine Ahnung, wie oft es diese Abfolge jetzt bereits gab: Dribbling Öztürk, Foul an Öztürk. Elfmeter. Pfingsten. Tor. Ich bin mir sicher, dass der HFC-Coach Köhler seine Jungs exakt davor gewarnt hatte. Allein, es nützte nichts. Öztürks enge Ballführung, sein geschicktes Abschirmen des Balls mit dem Körper und die kurzen, minimalistischen Ballberührungen provozieren Abwehrspieler immer wieder das zu tun, was sie besser bleiben ließen: einen Tritt in Richtung des Balles zu riskieren, der aber schon gar nicht mehr an der vermuteten Stelle ist. Nur Aykut Öztürks Standbein ist noch da.

Nach der Auswechslung Brandstetters in der 70. Minute stellte Kogler auf ein 4-2-3-1 um. Der ins Spiel gekommene Baumgarten rückte neben Engelhardt auf die Sechserposition und Pfingsten-Reddig gab bis zum Spielende den Zehner. Was er sehr gut machte, nicht von ungefähr ging von ihm die entscheidende Aktion vor dem dritten Tor aus. Seine Beidfüßigkeit kommt ihm auf dieser Position ebenso entgegen wie sein Antizipationstalent – findet er keine sinnvolle vertikale Passoption, versucht er das Spiel zu verlagern oder gänzlich neu aufzubauen. Wilfried Mohren würde hier von einem retardierenden Moment sprechen, man könnte – etwas vulgärer – auch sagen: Pfingsten verzögert das Spiel bis er eine sinnvolle Fortführung entdeckt. In jedem Fall –  keine riskanten Dribblings, Vermeidung unnötiger Ballverluste.

Marginalien und Ausblicke

Der Umzug der Ultras auf die Haupttribüne hat der Stimmung insgesamt gut getan – was hoffentlich auch bei weniger günstigen Spielverläufen und -ausgängen so bleibt. Der neue Stadionsprecher befindet sich noch in der Ausbildung, da sollte ihm der ein oder andere Verhaspler großherzig verziehen werden. Im Grunde ist mir jedoch völlig egal wie die Tore des RWE der Welt verkündet werden – Hauptsache bleibt, sie fallen in hinreichender Anzahl.

Das Pokalfiasko bei Schott Jena hat ja womöglich doch einen kleinen Kollateralnutzen. Es gibt Walter Kogler zwei weitere Wochen Zeit, in Ruhe mit der Mannschaft zu arbeiten. Bis hierher scheint jeder Trainingstag unter seiner Anleitung, dem Team gut getan zu haben.

SV Babelsberg vs. RWE 1:1 / Bockwurst statt Foie gras

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Meine Instinkte scheinen sich nicht mehr vor einem Abstieg des FC Rot-Weiß Erfurt zu fürchten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum der wichtige Punktgewinn in Babelsberg bei mir mehr Verdruss als Erleichterung hervorrief. „Sei doch froh, wieder ein Armzug mehr zum rettenden Ufer hin“, warb mein präfrontaler Cortex um Vernunft. Vergeblich – wie so häufig. Ich war enttäuscht und wusste gleichzeitig, dass diese Emotion ungerecht und irgendwie auch blödsinnig war. Ich habe hier ja selbst oft genug geschrieben, dass wir in dieser Saison von der Mannschaft keine fußballerischen Delikatessen zu erwarten haben. Bockwurst statt Foie gras, so lautet nun mal das frugale Menü dieser Spielzeit.

Vielleicht lag es ja auch an der Aufstellung von Alois Schwartz. Meinem Erwarten zuwider verzichtete er auf einen dritten zentralen Mittelfeldspieler. Oumari verblieb in der Innenverteidigung und Kopilas auf der Bank. Die Analyse der Babelsberger Offensiv(un)fähigkeiten erwies sich als richtig. Auch in dieser offensiver angelegten Formation hatte der RWE die Babelsberger Angriffsbemühungen über die gesamte Spielzeit unter Kontrolle. Das Gegentor – nach einem Standard – entkräftet diese Aussage nicht. Nach dem Spiel gegen Aachen war ich zudem zuversichtlich, was eine weitere Steigerung des rot-weißen Offensivspiels betrifft. Dieser Optimismus war unbegründet. Leider. Dabei hätte es gar nicht besser laufen können. Der RWE geht – glücklich – in Führung. Babelsberg darf dieses Spiel nicht verlieren, erhöht in der zweiten Halbzeit den Druck (oder versucht es zumindest), Räume so groß wie das Dekolleté von Barbara Schöneberger tun sich auf und der RWE mach daraus: Nichts! Oder, besser, weil richtiger und fairer: fast nichts. Ein ums andere Mal werden die Konter nur halbherzig oder ungenau (nicht) zu Ende gespielt. Den Beweis zu erbringen, dass Mijo Tunjic kein Konterstürmer ist, dazu hätte es dieses Spiels nicht auch noch bedurft. Allein – Morabit, Möhwald und Öztürk machten es nicht viel besser, gleiches trifft auf die meist nicht wirklich geglückte Spieleröffnung von Engelhardt und Pfingsten-Reddig zu. Völlig konträr verhält es sich mit der Einordnung der defensiven Leistung der gesamten Mannschaft – die war über weite Strecken der Spielzeit erneut tadellos.

Wir werden – sehr wahrscheinlich – auch in der nächsten Saison Drittligafußball in Erfurt sehen, womöglich sogar erleben. Dies verdankt sich in erster Linie einer Entscheidung, die Alois Schwartz relativ schnell nach seiner Verpflichtung getroffen haben muss und die in etwas abgewandelter Form einer alten Sport-Weisheit folgt: Der Angriff gewinnt Spiele, die Defensive vermeidet den Abstieg. In die Umsetzung dieser Erkenntnis hat der Cheftrainer des RWE viel Arbeit investiert. Dazu nur eine Statistik: Nach 14 Spielen der Hinrunde hatte der RWE bereits 27 Gegentore zu verzeichnen, nach ebenso vielen Spielen der Rückrunde sind es ganze 14. Ausschlaggebend dafür sind drei Faktoren:

  • Das Defensivverhalten der Mannschaften wurde im Verbund verbessert. Dies betrifft sowohl die Laufbereitschaft der Angreifer als auch deren taktisches Verhalten beim Pressing. Was am Anfang der Saison noch häufig unabgestimmt aussah, wirkt jetzt homogen und ist sehr effektiv. Sobald der RWE in der Hälfte des Gegners aggressiv presst, haben ausnahmslos alle Mannschaften der 3. Liga Probleme einen strukturierten Spielaufbau zu initiieren.
  • Vor allem gegen offensivstarke Mannschaften war es sinnvoll, einen dritten zentralen Mittelfeldspieler zu installieren. Diese Position wurde zumeist von Oumari besetzt, der sie in der Regel so ausgestaltete, dass er bei eigenem Spielaufbau deutlich tiefer als Engelhardt und Pfingsten agierte, quasi als deren Absicherung. Sobald der RWE tief in der eigenen Hälfte stand, reiht sich Oumari stabilisierend in die Viererkette ein. Marco Engelhardt interpretierte es ähnlich, vielleicht einen Tick offensiver. Diese Taktik ging nur einmal völlig schief, im verlorenen Heimspiel gegen Saarbrücken, als sich Maik Baumgarten auf der Position (noch) überfordert zeigte.
  • Die nach Saisonbeginn getätigten Verpflichtungen von Möckel und Kopilas erwiesen sich schnell als Gewinn. Bei aller – berechtigten – Kritik an der Transferpolitik des Vereins sollte dies nicht unerwähnt bleiben. Beide sind grundsolide Innenverteidiger, die nur wenige Fehler machen und gerade bei hohen Bällen für deutlich mehr Sicherheit sorgen, als dies noch am Anfang der Saison der Fall war.

Die Arbeit von Alois Schwartz sieht man sowohl dem Spiel der Mannschaft als auch der Tabelle an. Viel positiver kann die Bilanz eines Trainers kaum ausfallen, der eine Mannschaft übernommen hat, die desaströs in die Saison gestartet war. Da werde ich damit leben müssen, dass sich mein Unterbewusstsein besseren, schöneren, eleganteren Fußball wünscht. Fuck off, Freud!

Und nun geht’s raus und gewinnt endlich diesen verdammten Pokal.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. 1. FC Saarbrücken 1:2 / Kein Fußball, nirgends

Saarbrücken gewann nicht nur diesen Kopfball / ©www.fototifosi.de

Die Frage, mit welcher Taktik Alois Schwartz gegen Saarbrücken beginnen würde, beschäftigte mich bereits ein paar Tage vor dem Spiel. Sollte er das 4-1-4-1 beibehalten, mit dem eine Stabilisierung der Mannschaft auf überschaubarem fußballerischen Niveau gelungen war? Oder wäre dieses System – mit drei zentralen Mittelfeldspielern – gegen den FCS eine zu hasenfüßige Wahl und ein 4-2-3-1 sinnvoller? Wen würde er für die Startformation aufbieten? Die Zeiten, in denen sich die Mannschaft von allein aufgestellt hatte sind vorüber – die Sperren abgelaufen, Langzeitverletzte trainieren seit Wochen wieder mit der Mannschaft. Es würde Härtefälle geben. Unvermeidlich.

Der Erfurter Cheftrainer entschied sich für das 4-1-4-1 und für Maik Baumgarten hinter den beiden Achtern Pfingsten-Reddig und Engelhardt. Das war überraschend, da bisher Oumari oder Engelhardt diese Position innehatten. Überraschend, ja; unplausibel, nein. Baumgarten hatte in den letzten Spielen zu überzeugen gewusst und diese zentrale defensive Position von der Pike auf gelernt. Auf der Bank saßen mit Morabit, Tunjic, Kopilas und Nielsen vier Spieler, die von ihrem Selbstverständnis her, ein eher problematisches Verhältnis zu einer dauerhaften Rolle als Ergänzungsspieler haben dürften.

Spätestens nach der Saarbrücker Führung durch Özbek war klar, dass der taktische und personelle Spielplan des RWE nicht aufging. Baumgarten bekam keine Sicherheit in seine Aktionen, vor allem das Aufbauspiel kam über Ansätze nicht hinaus. Darauf reagierte Pfingsten-Reddig. Er versuchte den Youngster beim Spielaufbau zu unterstützen, was jedoch dazu führte, dass er als offensive Relaisstation vor der gegnerischen Viererkette ausfiel. Die drei Offensivspieler spielten zu positionsbezogen und bekamen kaum Zuspiele mit denen etwas anzufangen war. Die Option, die beiden Außenverteidiger mit ins Angriffsspiel einzubeziehen, steht dem RWE (aus verschiedenen Gründen) seit Jahren nicht zu Gebote – warum hätte sich ausgerechnet in diesem Spiel daran etwas ändern sollen. Erst gegen Ende der 1. Halbzeit wurde es geringfügig besser, der Ball wurde Öztürk einige Male in die Füße gespielt und der versuchte (meist mit dem Rücken zum gegnerischen Tor) über engagierte Einzelaktionen so etwas wie Torgefahr zu erwirken. Dann entschied Schiedsrichter Sven Jablonski auf Rote Karte gegen den Saarbrücker Stiefler. Eine bei Weitem zu harte Entscheidung. Diesmal schien der Fußballgott dem RWE gewogen. Halbzeit.

Schwartz nahm Baumgarten vom Feld und brachte für ihn einen zusätzlichen Stürmer. Eine taktisch absolut richtige Entscheidung. Dass der Stürmer Nielsen und nicht Tunjic hieß, na ja, darüber kann man sicher diskutieren. Weil eigentlich klar war, wie das Spiel in der 2. Hälfte aussehen würde. Saarbrücken verteidigte tief (und überaus geschickt), dem RWE gelang es nicht seine Überzahl spielerisch zu nutzen. Trotzdem ergaben sich einige unübersichtliche Situationen im Strafraum des FCS. Und genau für diese Art von Präsenzfußball ist Mijo Tunjic der richtige Spieler. Ebenfalls diskutabel war die Entscheidung, Morabit nicht ebenfalls sofort nach der Pause zu bringen. Wenn ich böse wäre, könnte ich schreiben, dass dann das 0:2 früher fällt und der RWE mehr Zeit gehabt hätte, es noch zu egalisieren. Aber Morabit ist vermutlich schon gestraft genug, weil sein leichtfertiger Hackenfehlpass einen (gerechtfertigten) Tobsuchtsanfall von Andreas Sponsel nach sich zog. Abgesehen vom zweiten Tor für Saarbrücken natürlich. Es gelang noch der Anschlusstreffer, mehr nicht. Der FCS feierte einen eklatant wichtigen, verdienten Auswärtssieg. Verdient allein schon wegen der erstklassigen Abwehrleistung (eine Schlacht war gar nicht vonnöten), die die Saarländer in Unterzahl lieferten. Gegen einen Gegner allerdings, der vor allem fußballerisch an diesem Samstag alles vermissen ließ.

Doch sollte man in Erfurt davon absehen, nun gleich wieder das berühmte Kind mit dem nicht minder berühmten Bade auszuschütten. Nach dreiwöchiger Punktspielabstinenz kam die Mannschaft aus der Winterpause 2.0. Die mangelnde Spielpraxis merkte man ihr an, zumal gegen einen Gegner, der sich eine Woche vorher mit einer sehr ordentlichen Leistung gegen den KSC einen Punkt und das damit einhergehende Selbstvertrauen holte. Mindestens ebenso schwer wog der Umstand, dass die Mannschaft seit 2 Wochen kaum vernünftig trainieren konnte. Das ist keine Lappalie. Damit will ich nicht die vielen Fehlpässe und jeden unabgestimmten Laufweg entschuldigen. Jedoch: Die Spiele dieser 3. Liga werden oft durch Kleinigkeiten entschieden. Für jeden Verein, der da unten steht, geht es um alles. Der FC Rot-Weiß Erfurt verfügt zumindest nominell über einen Kader, der sich in diesem sportlichen Überlebenskampf behaupten kann. Damit diese Profifußballer das umsetzen können, müssen sie in der Mannschaftssportart Fußball miteinander üben. Fußballspielen üben. Dazu benötigt es professionelle Trainingsbedingungen. Sind diese nicht vorhanden, sieht man das auf dem Platz. Und wenn man diese Bedingungen nur anderenorts findet, muss man deshalb nicht gleich „eine langfristige Zusammenarbeit auf sportlicher Ebene“ heraufbeschwören. Mir jedenfalls genügt der Grusel vollkommen, der sich bei einem Blick auf die aktuelle Tabelle einstellt. Horrorszenarien, die auf nichts als auf Spekulationen gründen, braucht es da nicht auch noch.

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