Ein bisschen Rathausastrologie in Sachen Arena-Abstimmung

Hatten Journalisten – in Zeiten des Kalten Krieges – keine Ahnung was hinter den dicken Mauern des Kreml vor sich ging, stellten sie wilde Vermutungen an. Das nannte man Kremlastrologie. Die mit Abstand unterhaltsamste Fernsehrunde dieser Art war „Der internationale Frühschoppen“. Werner Höfer, der Gastgeber, bat internationale Journalisten zum Gedankenaustausch. Die Sendung begann jeden Sonntag um 12.00 Uhr mittags in der ARD. Ab 12.30 Uhr war es dann Hörfunk, weil man im Fernsehen noch rauchen durfte (sogar wenn man nicht Helmut Schmidt hieß) und alle reichlich Gebrauch von dieser Möglichkeit machten. Der üppig ausgeschenkte Wein sorgte zudem für eine – sagen wir – entspannte Stimmung.

Gehen wir es mal nüchterner an. Am 29. Februar findet die – vorerst letzte – entscheidende Abstimmung im Erfurter Stadtrat zum Umbau des Steigerwaldstadions statt. Es soll über das vorliegende Betreiberkonzept der Stadtverwaltung abgestimmt werden. Im Stadtrat sitzen 50 ehrenamtliche Stadträte. In ihren Händen liegt die Zukunft des Erfurter Fußballs. Gestern veröffentlichte die Thüringer Allgemeine eine Befragung alle Fraktionsvorsitzenden. Thema: Welche Position vertritt ihre Partei in dieser hochstrittigen Frage? SPD und FDP haben sich quasi ohne Wenn und Aber zu den bisherigen Ausbauplänen bekannt. Wenig überraschend und ebenso deutlich sprachen sich die beiden älteren Damen der Grünen und der Freien Wähler Erfurt dagegen aus. Am Abstimmungsverhalten dieser beiden Lager wird sich bis nächsten Mittwoch nichts ändern. Somit steht es 20 zu 9 Stimmen für die Befürworter der Arena. Notwendig für die Annahme ist eine einfache Mehrheit. Es kommt also auf die CDU und/oder die Linken an. Meine Prophezeiung lautet: Die CDU wird keinesfalls geschlossen dagegen stimmen, die Linken werden sich enthalten.

Warum? Michael Panse, der OB-Kandidat der CDU beharrt momentan in erster Linie auf mehr Parkfläche in Nähe der Arena und einer Lösung für die Südeinfahrt. SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein hat in den letzten Tagen diesbezüglich Verhandlungsbereitschaft signalisiert und sein Fraktionschef Frank Warnecke macht die Tür für die CDU ganz weit auf, wenn er sagt: „Zum anderen haben wir als SPD-Fraktion extra Haushaltsmittel für die Martin-Andersen-Nexö-Straße/Südeinfahrt bereitgestellt. Es sollte unstrittig sein, dass im Rahmen des Stadionumbaues die Südeinfahrt der Landeshauptstadt gleichzeitig mit neu hergerichtet werden muss. In diesem Zuge muss auch ein Parkraumkonzept für Veranstaltungen vorgelegt werden.“ Panse, das sollte nicht vergessen werden, hat für eine Total-Blockade der Arena-Pläne selbst in seiner eigenen Fraktion keine uneingeschränkte Unterstützung. Dort sitzen mit Thomas Pfistner und Jörg Schwäblein ebenso einflussreiche wie RWE-affine CDU-Ratsmitglieder, die für die zweifelhafte politische Zukunft von Michael Panse allein, nicht ihre persönliche Reputation zu ruinieren bereit sein werden. Selbst wenn Panse (und einige andere in der CDU-Fraktion) auf einer Ablehnung insistieren sollten, gehe ich nicht von einem geschlossenen Abstimmungsverhalten der CDU aus. Dann wird es Enthaltungen bzw. Zustimmung von Mitgliedern der Fraktion geben. Um die CDU-Fraktion nicht als heillos zerstrittenen Haufen dastehen zu lassen, könnte eine kollektive Enthaltung (die einem Durchwinken des Betreiberkonzepts gleich käme) ein Kompromiss für die Christdemokraten sein.

Die Linken. Von deren Fraktionschef Andre Blechschmidt sind in der TA Sätze zu lesen, die so fast von der Erfurter SPD stammen könnten: „Die Linke tritt für eine moderne und attraktive Sportstätte an der heutigen Stelle ein. Die Pläne des Oberbürgermeisters sind eine mögliche Variante. Schwächen, Mängel und Risiken müssen ausgeräumt sowie Alternativen geprüft werden. … Vieles in dem Konzept ist gut.“ Er nörgelt dann im Weiteren ein bisschen an diesem und jenem herum, macht aber keine wirklich grundsätzlichen Einwände geltend. Den Vorschlag einer Bürgerbefragung, den der OB-Kandidat der Linken Michael Menzel letzte Woche meinte machen zu müssen, handelt er in einem Satz ab, der an Unbestimmtheit schwer zu überbieten ist: „Wir wissen um die Fragen der Menschen, gerade im Wohnumfeld, die wir beantwortet haben wollen, um mit einem Bürgervotum eine Entscheidung über diese Vorschläge zu treffen.“ Abgesehen davon, dass mit einer Bürgerbefragung überhaupt nichts entschieden werden kann (sie hat rein informellen Charakter), lässt er völlig offen, über was genau, welche Bürger mit welcher Methodik befragt werden sollen. Die Linken werden diese Bürgerbefragungsnummer als Vorwand nutzen schlichtweg nichts zu entscheiden – sich also der Stimme enthalten. Denn davon versprechen sie sich die Möglichkeit im Wahlkampf ihre grenzenlose Bürgernähe lautstark in Szene zu setzen. Dagegen werden sie allerdings auch nicht stimmen, denn selbst dialektisch geschulte Genossen werden es schwer haben, Argumente dafür zu finden, warum sie im Dezember dem Haushalt (einschließlich Arena-Anteil der Stadt) zugestimmt haben um knappe zehn Wochen danach gegen ein Betreiberkonzept zu votieren, das ihnen im Wesentlichen damals bereits bekannt war.

Die Kreml-Astrologen irrten sich zumeist. Mag also sein, dass ich spätestens am Mittwochabend dumm und zudem enttäuscht dastehe. Aber Stand jetzt, rufe ich allen Anhängern des RWE Manfred Wolkes Lieblingssatz zu: Et läuft!

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