Archiv für Rot-Weiß Erfurt

DDR-Olympiasieg im Fußball 1976: Der vergessene Triumph

1976. Welch ein Jahr! Mao starb, das Politbüro der SED feuerte Wolf Biermann und in einem kalifornischen Kaff namens Los Altos gründeten drei Nerds eine Garagenfirma mit dem kapriziösen Namen Apple. Sollte alles noch seine Bedeutung haben. Vorerst eher weniger. Mein Soundtrack des Jahres: „Bohemian Rhapsody“. Immer wenn Freddie Mercury sang, war ich von mir selbst ergriffen: I’m just a poor boy and nobody loves me. Mit anderen Worten: Ich pubertierte, dass es nur so krachte. An einem Abend Ende Juni verwies mich Vater – meiner notorischen Streitsucht wegen – der heimischen Stube. Was mir gleichgültig gewesen wäre, wenn nicht gerade auf dem einzigen Fernseher die 2. Halbzeit des EM-Halbfinals zwischen Deutschland und Jugoslawien begonnen hätte. Und nein, Livestreams waren vorerst keine Alternative. So verpasste ich Dieter Müllers sensationellen Hattrick, der den nicht mehr für möglich gehaltenen Finaleinzug bedeutete. Jedoch auf tragische Weise sinnlos blieb, weil sich Ulrich Hoeneß im Finale gegen die Tschechoslowakei den Fehlschuss des Jahrhunderts leistete. Zumindest was den deutschen Fußball anbelangt. Apropos Jahrhundert. 1976 war – laut Wikipedia – einer von dreizehn (sic!) Jahrhundertsommern dieses Säkulums. 

Nun waren Große Ferien. Die Olympischen Spiele in Montreal dominierten Bildschirme und Schlagzeilen beiderseits des Eisernen Vorhangs. Meine Eltern waren sicher nicht böse, ihren nervenden Mini-Che-Guevara für einige Wochen los zu sein. Den größten Teil der Ferien verbrachte ich bei Großmutter. Die schlau genug war, mich mit Hingabe zu verwöhnen, ansonsten aber in Ruhe zu lassen. Ausschlafen, ins Schwimmbad gehen, bis in die Morgenstunden Olympia gucken. Jugend, unbeschwert, Ausgabe Ost. 

Der letzte Wettkampftag der Spiele begann mit einem der spektakulärsten Erfolge der DDR-Sportgeschichte. Ein Typ mit dem kuriosen Namen Waldemar Cierpinski lief – zur Überraschung aller – als Führender auf die Tartanbahn des Olympiastadions und gewann souverän den Marathonlauf. Der Höhepunkt des Tages – jedenfalls für mich – stand erst um 21.30 Uhr Montrealer Zeit an: das Finale des Fußballturniers. DDR gegen Polen. Also saß ich halb vier Uhr nachts erneut vor Omas Fernsehgerät. Ein Schwarzweiß-Röhrenmonster, Typ Stella, zusammengelötet im VEB Fernsehgeräte Staßfurt. In der Nachbarschaft war alles dunkel. Ich fühlte mich elitär.

Bei olympischen Fußballturnieren durften nur Amateure antreten. Deshalb galten – und gelten – diese Spiele nicht als offizielle Länderspiele der FIFA, sondern als Vergleiche von Olympiamannschaften. Der DFB ignoriert diese Sichtweise bis heute, indem er manche Spiele der DDR-Olympiamannschaft als Länderspiele wertet. Dem kann eine gewisse Berechtigung kaum abgesprochen werden. Zwar traten alle Teams der westlichen Länder ohne Profis und mithin ohne ihre besten Spieler an. Die Länder des Ostblocks durften jedoch ihre Elite-Mannschaften aufbieten[i], weil deren Spieler nominell als Amateure galten. Eine abenteuerliche Sichtweise. Leistungssportler im Osten waren Vollprofis und wurden vom Staat bezahlt. Allerdings wurde dies stets dementiert und bis ins geringste Detail raffiniert camoufliert. Fußballer in der DDR erhielten Scheinverträge von Betrieben oder staatlichen Institutionen, in die sie nur einen Fuß setzten, wenn sie ihre Gehaltsschecks abholten oder mit den „Kollegen“ einen saufen gingen. Im Resultat führte diese Regelung des IOC dazu, dass die westlichen Länder bei olympischen Fußballturnieren chancenlos blieben. Bei allen Sommerspielen zwischen 1952 und 1988, an denen sie teilnahmen, errangen Mannschaften aus dem Ostblock den Titel. Wenn man so will, handelte es sich um eine Mini-WM des Warschauer Pakts. FIFA und UEFA betrieben diese Entwertung des Olympiaturniers engagiert im Hintergrund. Sie wollten den Glanz ihrer Premiumprodukte – WM und EM – bewahren. Das ist noch heute so.

Wenn im öffentlichen Bewusstsein von diesem Turnier etwas haften blieb, dann dieses Endspiel. Oder vielmehr der Umstand, dass die DDR es gewann. Gegen die gleichen Polen, die zwei Jahre zuvor im Halbfinale der WM (ich nenne es hier mal so, obwohl es nur das entscheidende Gruppenspiel war) den späteren Weltmeister Deutschland an den Rand einer Niederlage brachten und WM-Dritter wurden. Die beste polnische Mannschaft aller Zeiten, Olympiasieger 1972, der Titelverteidiger. Sie traten mit ihrer stärksten Mannschaft an, nur ihr brillanter Libero Jerzy Gorgon verletzte sich beim Warmlaufen. Trotzdem rechnete ich mir einiges aus, denn die Mannschaft von Trainer Georg Buschner hatte sich im Laufe des Turniers gesteigert. Im ersten Spiel kamen die vom Jetlag geschwächten DDR-Kicker gegen die brasilianische Auswahl über ein torloses Remis nicht hinaus. Daraufhin wurden sie vom Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB), Manfred Ewald, mit einer Wutrede traktiert. Napola[ii]-Zögling Ewald, jahrzehntelang der mächtigste Funktionär des DDR-Sports, war kein Freund des Fußballs. Zu viel Aufwand für zu wenig Erfolg. Die DDR gewann – und erdopte – bei diesen Spielen unglaubliche 90 Medaillen – davon 40 goldene. Selbst im günstigsten Fall konnten die Fußballer nur einen marginalen Beitrag leisten. 18 Mann und eine mögliche Medaille –  das war dem Effizienzdenken des sich im Goldrausch befindlichen NOK-Chefs zuwider. Das schwache Spiel gegen die Brasilianer (diesem Fußball-Entwicklungsland, wie Ewald wusste) bot einen willkommenen Anlass zur Triebabfuhr. Buschners Jungs ertrugen es gelassen. Sie kannten die Animositäten Ewalds und ließen die Tirade über sich ergehen, gewannen das nächste Gruppenspiel gegen Spanien und siegten im Viertelfinale gegen die Franzosen (für die der junge Platini auflief) 4:0. 

Das Minimalziel war erreicht. Mehr zu erwarten wäre vermessen gewesen. Jetzt wartete im Halbfinale die Sowjetunion. Neben den Polen der andere Turnierfavorit. Die UdSSR verstand sich darauf, die Vielvölkerigkeit ihres Reiches effektiv zu verwerten. Zumindest im Sport. Ihre Olympiamannschaft entsprach dem sowjetischen Nationalteam und das setzte sich überwiegend aus Spielern des ukrainischen Vereins Dynamo Kiew zusammen. Dynamo Kiew, dieser legendäre Fußballgolem, erlebte Mitte der siebziger Jahre seine erste internationale Blüte. 1975 gewannen die Ukrainer den UEFA-Pokal und schlugen Bayern München im Finale des Supercups. Den Bayern gelang in den zwei Finalspielen kein Tor (0:1, 0:2). Dass sie erfolgreich spielten, erklärt jedoch nur einen Teil des Dynamo-Kiew-Mythos. Der andere, heute wesentlichere, lag in der Art und Weise wie diese Mannschaft Fußball spielte. In vielem glich das System, dass der Trainer und Fußballkybernetiker Walerij Lobanowskyj spielen ließ, dem Totaalvoetbal[iii], als dessen Erfinder gemeinhin die Herren Rinus Michels und Johan Cruyff gelten. Wer sich da von wem was und ob überhaupt abgeschaut hat, darüber streiten Taktikfreaks bis heute. Von all dem wusste ich damals nichts. Demutsvoll, überrascht und erfreut nahm ich den verdienten 2:1-Erfolg der DDR im Halbfinale zur Kenntnis. 

So kam es, dass gegen 03:40 MEZ der uruguayische Schiedsrichter Barreto die Nationalmannschaften Polens und der DDR zum Fußballfinale aufs durchweichte Geläuf des Montrealer Olympiastadions führte. Die Platzverhältnisse waren schwierig, irregulär waren sie nicht. Im Gegensatz zur Frankfurter Wasserschlacht zwischen Polen und der Bundesrepublik bei der WM zwei Jahre zuvor rollte der Ball, ohne von quadratmetergroßen Binnenseen jäh gestoppt zu werden.  Die DDR startete furios mit einer Art Überrumpelungstaktik. Nach 14 Minuten stand es 2:0. Vor allem Schade und Häfner erkämpften, erliefen und erspielten im Mittelfeld die Hoheit über das Geschehen. Dem hatten die Polen über weite Strecken der ersten Hälfte nichts entgegenzusetzen. Ihre langen Bälle auf die Spitzen Lato und Szarmach wurden leichte Beute der aufmerksamen Verteidigung um Libero Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, der sich zudem um den initialen Spielaufbau bemühte. Mittelstürmer Riediger und Rechtsaußen Wolfram Löwe ließen sich wechselweise ins Mittelfeld fallen, wo sie für die Duracellhasen und Ballverteiler Schade und Häfner einfach anzuspielen waren. Diese wiederum schalteten sich auf der ganzen Breite des Platzes ins Angriffsspiel ein, was zu Überzahlsituationen auf den Flügeln und im Zentrum führte. Logische Folge: Hartmut Schade schoss das erste Tor, Reinhard Häfner bereitete das zweite mit einem unwiderstehlichen Sololauf über den halben Platz vor. Es sollte nicht seine letzte großartige Aktion an diesem Montrealer Abend bleiben.

Abschweifung zu Reinhard Häfner: Neben Peter Ducke ist er für mich der beste Fußballer, den die DDR hervorbrachte und der seine Karriere überwiegend (oder ausschließlich) dort bestritt. Wären die Zeiten andere gewesen, er hätte in jeder Mannschaft der Welt spielen können. Sieht man sich seine Spielweise an – gerade auch in diesem Finale – so ist er ein Prototyp dessen, was heute als moderner Sechser gilt. Defensiv wie offensiv gleich gut, laufstark, körperlich robust und extrem passsicher. Zudem war er ein eleganter Stilist, ein seltenes Attribut für zentrale Mittelfeldspieler. Als einziges Manko galt, dass er zu wenige Tore schoss.

Erzielt hatte das zweite Tor der große Unvollendete[iv] des DDR-Fußballs, der Magdeburger Linksaußen Martin Hoffmann. Häfners Vorlage vollendete er direkt mit einem lehrbuchmäßigen Außenristschuss, unhaltbar für Jan Tomaszewski. Das polnische Torhüteridol ließ sich in der 19. Minute auswechseln. Es darf spekuliert werden, ob tatsächlich die offizielle Begründung „Übelkeit“ ursächlich war, oder ob er nur vermeiden wollte, im Zentrum einer sich anbahnenden fußballerischen Katastrophe zu stehen. Denn zunächst änderte sich wenig. Die Polen hatten nun zwar größere Spielanteile, was sie nicht hatten waren: Torchancen. Dafür vergaben Riediger und Löwe zwei hundertprozentige Gelegenheiten. Die Statik des Spieles änderte sich erst gegen Ende der ersten Halbzeit. Kazimierz Deyna – the magic men – entzog sich zunehmend der von Buschner verordneten Manndeckung durch den Berliner Reinhard „Mäcki“ Lauck. Es schien, als ob der enorme Laufaufwand der DDR-Mannschaft frühzeitig Wirkung zeigte. Indizien dafür: Kmiecik und Deyna boten sich gute Möglichkeiten; seine Kontergelegenheiten spielte das DDR-Team nur noch mangelhaft aus. 

Dann war Halbzeit.

Ich wusste: Hier war noch nichts entschieden. Wie glänzend die Polen Fußball zu spielen verstanden, war mir seit der WM 1974 klar. Wären sie in Deutschland Weltmeister geworden, niemand hätte von Glück zu sprechen gewagt. Bange und hellwach zitterte ich – in the heat of the night – der zweiten Hälfte entgegen.

Das Zittern hätte ich mir sparen können. Wenn, ja wenn, Wolfram Löwe Sekunden nach Wiederanpfiff die mit Abstand größte Chance des Spiels genutzt hätte. Eigentlich machte er alles richtig, Verteidiger und Torwart waren ausgespielt, ich hatte den Torschrei bereits auf den adoleszenten Lippen, als ein heranschlitternder polnischer Abwehrspieler den Ball noch von der Linie schubste. Das wäre die Entscheidung gewesen. Ein Jammer, denn nun nahm das Spiel den erwartbaren Verlauf. Die Polen drückten. Angetrieben vom unermüdlichen Henryk Kasperczak rollte Angriff auf Angriff in Richtung Croys Tor. Den focht das nicht an. Der Zwickauer Stoiker bestritt in diesem Finale eines von sehr, sehr vielen tadellosen Spielen seiner Karriere. Buschners Mannschaft hielt mit allem was sie hatte dagegen. Fußballerisch wie kämpferisch. Der befürchtete konditionelle Kollaps fand nicht statt. Die Chancen der Polen wurden trotzdem hochwertiger. Powerplayska. Großchance Kmiecik, Croy währt zur Ecke ab. Deyna flankt den Ball nach innen, Grzegorz Lato – ungedeckt, am  kurzen Pfosten hochsteigend – köpfte zum Anschlusstreffer ins Tor. Ich sank in den großelterlichen Sessel, fluchte und erbat zugleich den Beistand höherer Mächte. Nicht sehr durchdacht von mir, zugegeben. Es blieb auch ungehört, die Polen drehten weiter auf und in der 65. Minute gab es einen dieser großartigen, magischen Fußballmomente. Die nur genießen kann, wer diesen Sport so respektiert, dass er die Könnerschaft des Gegners als solche akzeptiert. Deyna spielte  – in der Vorwärtsbewegung – mit einem Hackenpass Szarmach hoch(!) an, der den Ball via Seitfallzieher aufs Tor katapultierte. Ein ästhetisches Meisterwerk – Sixtinische Kapelle nichts dagegen -, das einen schlechteren Torwart als Jürgen Croy verdient gehabt hätte. Der parierte mit einem sensationellen Reflex zur Ecke. Von der dieses Mal keine weitere Gefahr ausging.

Abschweifung zu Kazimierz Deyna: Die Polen wählten ihn zum Fußballer des Jahrhunderts. Für den Kicker war er 1974 der Weltfußballer des Jahres. Eine bemerkenswerte Entscheidung des deutschen Fußballmagazins, nach einer WM im eigenen Lande bei der man den Titel errang und angesichts des Superstars Franz Beckenbauer. Heute ist Deynas Name nur noch wenigen ein Begriff. Was wohl in erster Linie dem Umstand geschuldet ist, dass er seine besten Jahre als Fußballer bei Legia Warschau verbrachte und nicht in Barcelona, München oder Mailand. Die Rekordsummen gezahlt hätten, um ihn zu verpflichten. Kazimierz Deyna war keinen Jota schlechter als Johan Cruyff. Er war begnadet. Ein offensiver Spielmacher, dessen Spielweise noch heute ungemein dynamisch wirkt. Eben nicht so elegisch wie die von Netzer, Overath oder Rivelino, ohne diesen an technischer Raffinesse nachzustehen. Er starb 1989 bei einem Verkehrsunfall in den USA. Seine Rückennummer 10 wird bei Legia Warschau nicht mehr vergeben.

Draußen war es Tag geworden. Die letzten 10 Minuten des Spiels begannen. Den Polen gelang nicht mehr viel. Sie waren platt. Auch Katholiken sind schließlich nur Menschen. Andererseits stand da eine Mannschaft auf dem Platz, die aus dem Nichts ein Tor erzielen konnte. Zur Entspannung bestand kein Anlass. Aber ich musste nicht bis zum Schlusspfiff zittern. Hartmut Schade lief in ein schlampiges Zuspiel der polnischen Abwehr, passte auf Häfner, der plötzlich nur noch den Keeper vor sich hatte, in den Strafraum eindrang und aus 12 Metern den Ball an Mowlik vorbei ins Tor schob. Abgebrüht und kalt wie eine Tasse Mitropa-Kaffee. In den verbleibenden Minuten passierte nichts Erwähnenswertes. Die Schlacht war geschlagen. Barreto pfiff ab. Platzsturm der DDR-Equipe, die ihren Sieg euphorisch feierte, dabei aber die olympische Contenance wahrte. Manfred Ewald befand sich nicht im Stadion. 

Es war der erste Titel einer DDR-Fußballnationalmannschaft und es wird für alle Zeit der einzige bleiben. Der Nachruhm für die Beteiligten hielt und hält sich in engen Grenzen. Da ist ungerecht. Dieser Olympiasieg wurde gegen erstklassige sportliche Konkurrenz[v] errungen, erkämpft und erspielt. Von einer großartigen Mannschaft, die technisch wie taktisch auf der Höhe ihrer Zeit und ihres Metiers agierte.

Inzwischen war es 5.45 Uhr. (Nein, es gibt hier jetzt keinen geschmacklosen historischen Kalauer.) Großmutter, eine notorische Frühaufsteherin, blickte mich ungläubig an, war aber zufrieden einen glücklichen, wenn auch übermüdeten Enkel vor sich zu haben und schickte mich zu Bett. Vor dem Einschlafen dachte ich bestimmt daran, dass die Hälfte der Ferien bereits vorüber war und womöglich, spürte ich diese leichte Leere, die sich bei mir bis heute nach großen Sportereignissen einstellt.

Endspiel Olympisches Fußballturnier 1976 

31. Juli , 21.30 Ortszeit

Olympiastadion, Montreal

71,617 Zuschauer

Schiedsrichter

Ramón Barreto ( Uruguay)

Tore

1:0 Schade (7.), 2:0 Hoffmann (14.), 2:1 Lato (59.), 3:1 Häfner (84.)

DDR

Jürgen Croy – Hans-Jürgen Dörner – Lothar Kurbjuweit , Konrad Weise, Gerd Kische, – Reinhard Häfner, Reinhard Lauck, Hartmut Schade – Wolfram Löwe (68. Wilfried Gröbner), Hans-Jürgen Riediger (86. Bernd Bransch), Martin Hoffmann

Trainer: Georg Buschner

Polen

Jan Tomaszewski (19. Piotr Mowlik) – Henryk Wieczorek – Antoni Szymanowski, Władysław Żmuda, Henryk Wawrowski – Zygmunt Maszczyk, Kazimierz Deyna, Henryk Kasperczak – Grzegorz Lato, Andrzej Szarmach, Kazimierz Kmiecik

Trainer: Kazimierz Górski


[i] Diese Spiele der DDR gegen andere Ostblockmannschaften zählt der DFB in seinen Statistiken zu den Länderspielen.

[ii] Nationalpolitische Lehranstalt – Eliteschulen der Nazis zur Heranbildung des nationalsozialistischen Führungsnachwuchses

[iii] Totaalvoetbal – Alles, was den heutigen Fußball ausmacht, findet man unter diesem Begriff versammelt: Raumdeckung, Raumverengung, Dominanz im Umkehrspiel, Ballbesitzfußball. Es ist unstrittig, dass Michels und Cruyff diese Spielweise Ajax Amsterdam, dem FC Barcelona und – mit Verzögerung – dem Weltfußball, als eine Art fußballerischer Magna Charta hinterlassen haben. Ebenso unstrittig ist, dass Dynamo Kiew – unter Walerij Lobanowskyj – einen sehr wesensgleichen Fußball spielte. 

[iv]  Martin Hoffmann war ein großartiges Talent und zum Zeitpunkt des Endspiels erst 21 Jahre alt. Leider wurde seine aktive Laufbahn immer wieder von schweren Verletzungen beeinträchtigt. Er bestritt 1981 gegen Kuba sein letztes Länderspiel.

[v] Schon die Qualifikation für das Turnier hielt mit der CSSR einen dicken Brocken parat. In zwei umkämpften Spielen trennte man sich jeweils Unentschieden, so dass am Ende das bessere Torverhältnis in der Qualifikationsgruppe für die DDR den Ausschlag gab. Die CSSR konnte sich völlig auf die im Juni stattfindende Europameisterschaft konzentrieren und tat das mit großem Erfolg: Sie wurde Europameister. Durch ein 5:3 (nach Elfmeterschießen) im Finale gegen die Bundesrepublik. Ihr wisst schon: Uli, Belgrad, Elfmeter, Abendhimmel.

Wir wollen doch nur spielen

Geht es nur mir so? Je mehr TV-Sendungen und Artikel zu den uns alle umtreibenden Themen Arenamiete, Nebenkosten, Lizenz zu sehen bzw. zu lesen sind, desto unübersichtlicher erscheint mir die Situation. Ich denke dann über Begriffe wie «ortsüblich» und «marktüblich» nach und frage mich, wieso diese Termini von niemandem mit Inhalten, also beispielsweise einer klaren Definition oder dem Verweis auf eine konkrete EU-Förderrichtlinie, versehen werden. Sondern, im Gegenteil, es kommt mir vor, als dienen sie allen, oder wenigstens den meisten die sie benutzen, eher dazu, ihre eigentlichen Absichten zu verschleiern.

Ebenso auffallend ist, wie quasi alle unentwegt darauf verweisen, dass man doch bitte nicht mehr öffentlich übereinander, sondern miteinander über eine Lösung reden solle. Wie süß. – Und alle tun das wo? Im Fernsehen, in Zeitungs-Interviews und in Pressemitteilungen. Großartig!

Schon die Forderung unseres Bürgermeisters, dass der Verein personelle Konsequenzen ziehen müsse, wenn er weiteres Geld von der Stadt wolle, war, da sie öffentlich erfolgte, entweder eine atemberaubende Torheit oder aber Andreas Bausewein hatte nie die Absicht, dem Verein die avisierten 600.000 Euro zu beschaffen. Es war a priori klar, dass sich Rolf Rombach darauf nie einlassen würde, nicht einlassen konnte. Man stelle sich nur diesen Dialog vor einem Arbeitsgericht vor:

Richter: «Warum hat man Sie entlassen, Herr Krause?»
Krause: «Weil der Oberbürgermeister von Erfurt das so wollte.»
Richter: «Der Oberbürgermeister von Erfurt hat genau welche Funktion bei Ihrem Arbeitgeber, dem FC Rot-Weiß Erfurt?»
Krause: «Gar keine.»
Richter: «Danke, ich habe keine weiteren Fragen.»

Die in Aussicht gestellten 600.000 Euro hätte man somit gleich als Rücklage für Abfindungen verwenden können. Worauf bereits Michael Panse in seinem Blog aufmerksam machte.

Ich kenne Konstantin Krause und Thomas Kalt nicht persönlich. Und ich traue mir kein Urteil hinsichtlich ihrer Arbeit beim Verein zu. Natürlich weiß ich, dass bei einem Verein der mehr als 5 Millionen Euro Schulden hat und dessen Kopf quasi auf dem Schafott liegt, nicht alles supi gelaufen sein kann in den letzten Jahren. Wie hoch daran der Anteil der beiden Herren ist, kann ich jedoch seriös nicht beurteilen. Als schlimmstes Vergehen aber wird ihnen angelastet, dass sie irgendwie für schlechte Stimmung bei den Gesprächen zwischen Stadt, Betreibergesellschaft und Verein gesorgt hätten. Huihuihui, schlechte Stimmung während hoch-strittiger Verhandlungen – bei denen für alle Beteiligten viel auf dem Spiel steht –, das hat es ja noch nie gegeben. Zitat aus dem oben bereits verlinkten Text von Michael Panse: «Der grüne Fraktionsvorsitzende erklärte sie würden RWE nicht unterstützen, weil Herr Rombach Frau Hoyer kritisiert habe (wie alle wissen: völlig berechtigt). … Er [Bausewein, Anmerkung Fedor Freytag] und seine Beigeordnete Hoyer haben einen großen Teil der Verantwortung für das schwierige Fahrwasser in dem sich nun alle befinden.» Der ausgewiesene Rathaus-Kenner und Stadtrat Panse hält es also für möglich, und darin möchte ich ihm nicht widersprechen, dass die «schlechte Stimmung» gar nicht einseitig vom Verein ausgegangen ist und die Stadt daran einen nicht geringen Anteil hat. Das sollte jeder im Sinn haben, der sich öffentlich dazu äußert. Auch unser zweifelsfrei honoriger Ehrenvorsitzende Klaus Neumann.

Nun zu einem anderen Protagonisten der letzten Tage im Arena-Dschungelcamp: Mike Mohring. Irgendwann in der letzten Woche wartete er mit dem Vorschlag auf, das Land solle beim Bund dessen Anteil an den Fördergeldern (ca. 16 Millionen Euro) ablösen. Bodo Ramelow ließ dies noch am selben Tag als «Unsinn» bezeichnen. Beide Seiten verzichteten darauf, eine ungute Konstante der ganzen Debatte, ihre Auffassung nachvollziehbar zu belegen. Meinem inneren Monk gefällt Mohrings Vorschlag. Ich tausche auch gern schnell die Damen – beim Schach. Wie Mohring halte ich wenig von der komplexen Gesamtkonstruktion der Arena GmbH. «Zu viele Köche verderben den Brei» mag ein altbackenes Sprichwort sein, das macht es allerdings nicht weniger wahr. Mohring erklärte dies sogar zur Voraussetzung, damit dem Verein in Zukunft bessere Mietkonditionen eingeräumt werden können. Warum das so sein soll, dazu schwieg Mohring letzte Woche und auch in der Sendung des mdr am Montag. Was mich dazu bewog, ihn genau dies zu fragen. Er hatte mir am Dienstag eine Antwort in Aussicht gestellt, sobald und wenn diese eintrifft, gehört Ihr zu den Ersten denen ich davon berichte.

Was uns direkt zum Kern dieses Textes führt. Dem fast schon metaphysisch aufgeladenen Begriff von der «marktüblichen» bzw. «ortsüblichen» (Mohring) Miete die RWE aufzubringen habe, damit man nicht gegen die Fördermittelauflagen verstoße. Wenn irgendjemand unter den geneigten Lesern Kenntnis davon haben sollte, wie und nach welchen Regularien sich diese Miete ermittelt und mir dieses Wissen zwecks Aneignung zur Verfügung stellt, dann würde er den folgenden Abschnitt einigermaßen obsolet machen.

Mir stellt es sich momentan so dar, dass der Begriff genauso dehnbar ist, wie er sich anhört. Es existiert kein verbindlicher Index für Stadionmieten, ebenso wenig wie ein Bundesamt darüber wacht. Der einzige konkrete und begründete Vorschlag stammt vom Verein, noch einmal vorgetragen von Rolf Rombach während der mdr-Sendung am Montag. Er orientiert sich an den Mieten in Halle, Magdeburg, Chemnitz und Zwickau. Alles Fußball-Drittligisten, alle mit mehr oder weniger neuen Stadien, alle in einem vergleichbaren Wirtschaftsraum beheimatet. Mehr «marktüblich» geht nicht. Demgegenüber beharrt die Arena GmbH auf einer um ca. 35 % höheren Miete. Mitsamt den horrenden Nebenkosten (allein für die Security von ca. 400.000 Euro pro Saison) kann der Verein diese Miete nicht aufbringen. Er würde bei diesen Konditionen nicht mal eine Lizenz vom DFB erhalten. Ich habe noch niemanden außerhalb des Erfurter Rathaus und der Arena GmbH vernommen, der diese Miete für gerechtfertigt hält. (Klar, war es ein Fehler des Vereins dieser Summe in einem Vorvertrag zuzustimmen, wohl aber in Unkenntnis der exorbitanten Nebenkosten.)

Das Argument, es handele sich eben nicht um ein Fußballstadion, sondern um eine Multifunktionsarena (MFA), weshalb die höhere Miete gerechtfertigt sei, lässt mich schlussendlich völlig perplex zurück. Dem Verein ging es von vornherein nur um ein modernes Fußballstadion, mit der er seine Wettbewerbsfähigkeit konsolidieren wollte. Modern heißt: Zeitgemäßer Bauzustand, Möglichkeiten der Vermarktung, gute Sicht für alle Zuschauer, nutzbar für deutsche Profiligen, keine Dixi-Klos. Weil das allein über den von Matthias Machnig erdachten Weg möglich war, schluckte RWE die Kröte MFA plus Laufbahn. (Letztere ist eigentlich, ebenso wie die alte Westtribüne, ein Grund zur Mietminderung, weil beide Sicht und Atmosphäre eines puren Fußballstadions verhindern.) Der Verein hat dieses Konstrukt nicht bestellt. Es bildete nur die einzige Möglichkeit, in absehbarer Zeit eine attraktive Spielstätte zu bekommen. Warum soll Rot-Weiß jetzt dafür mehr bezahlen? Von den annoncierten 70 Veranstaltungen in diesem und den nächsten Jahren profitiert exklusiv die Arena Erfurt GmbH.

Ich habe keine Ahnung, auf welchem Trip Andreas Bausewein sich in dieser Sache befindet. Sollte es ihm darum zu tun sein, dem größten Erfurter Verein den Todesstoß zu versetzen, hat er darin bereits beachtliche Fortschritte erzielt. Es ist allein an ihm, diesen Wahnsinn unverzüglich zu stoppen. Alle anderen sind nur noch Komparsen in diesem Drama.

(Anmerkung: Ist ohnehin relativ üppig geraten, der Text. Weshalb ich einige Punkte, wie zum Beispiel die irrwitzigen Nebenkosten nicht vertiefe.)

Die Gefangene von Alcatraz

In einem Artikel der TA von heute (online bisher nur hinter einer Bezahlschranke lesbar) offenbart Michael Keller die desaströse Sicherheitssituation im umgebauten Steigerwaldstadion. Der Text zitiert u.a. Äußerungen der Erfurter Beigeordneten Kathrin Hoyer, die ich, beginnend mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen, wie folgt kommentieren möchte:

Die neue Arena existiert nur, weil der Verein Rot-Weiß Erfurt, namentlich sein Präsident Rolf Rombach, jahrelang Druck auf alle politischen Entscheidungsträger der Stadt Erfurt und des Landes Thüringen ausgeübt hat.

Nach lange währender Untätigkeit verdankte sich die Finanzierung des Umbaus nahezu zu 100 Prozent dem genialen Coup des damaligen Wirtschaftsministers Matthias Machnig. Bei einer Fremdfinanzierungsquote von fast 90 Prozent lag der Stadt Erfurt ein Angebot vor, das sie nicht ablehnen konnte. (Was die Stadträte allerdings nicht davon abhielt, es trotzdem fast noch zu vermasseln.)

Niemand hätte dieses Geld allein für Kongresse, Konzerte oder sonstigen Klamauk organisiert. Gut und wichtig, dass es all dies gibt, aber ohne die Hartnäckigkeit des Vereins Rot-Weiß Erfurt wäre es an diesem Ort schlichtweg inexistent.

All das weiß Frau Hoyer selbstverständlich. Was sie nicht davon abhält, folgenden Satz der Welt zur Kenntnis zu geben: «Wir hatten nämlich nicht den Auftrag Alcatraz zu bauen, sondern eine Arena, die auch für Fußball funktionieren soll.» Auch für Fußball! Damit negiert Frau Hoyer grandios (und bewusst) alle Zusammenhänge, die der Stadt Erfurt den Umbau des maroden Stadions überhaupt erst ermöglichten.

Aber das ist nur eine Petitesse, verglichen mit der Ignoranz gegenüber allen Warnungen die mangelnden Sicherheitsstandards betreffend. Die Tore sind nicht aus Versehen nicht massiv genug, der Schutt (inklusive Steinbrocken) liegt nicht aus Leichtfertigkeit hinter den Fankurven – sondern weil Kathrin Hoyer das für richtig, weil ausreichend hielt. Sie gibt gegenüber der TA offen zu, dass die Einsparungen bei der baulichen Sicherheit durch ein Mehr an Sicherheitspersonal vom Verein auszugleichen seien. Für den ist das ruinös. (Aussage Rombach: 20.000 Euro pro Heimspiel. – Anmerkung FF: Wie soll man das bei unseren Zuschauerzahlen refinanzieren?)

Aber selbst 152 Ordner plus Polizei konnten die Ausschreitungen nicht verhindern. Wie auch. Sie können das konzeptionelle Komplettversagen der Sicherheitsarchitektur allenfalls provisorisch kompensieren, wie man am Anfang dieses Videos eindrucksvoll besichtigen kann. Man könnte sagen, sie halten ihre Knochen hin, damit Frau Hoyer bei Sekt und Häppchen die Peggy Guggenheim des Thüringer Beckens geben kann. Ich kenne mich da nicht so aus, aber für 100.000 Euro wäre bestimmt ein massiveres Tor zu beschaffen gewesen.

Ja, es gibt in Fußballstadien zu viele Idioten. Und ja, die Vereine sind permanent gefordert, gegen die asozialen Idiotien dieser Honks vorzugehen. (Was allerdings beispielsweise bei anreisenden Gästefans schnell an praktische Grenzen stößt.) Aber Fußballstadien mit einem Hochsicherheitsgefängnis wie Alcatraz zu vergleichen, verrät viel über den geistigen Knast indem das Denken der Politikerin Hoyer beheimatet zu sein scheint. Die 99 Prozent der friedlichen Zuschauer eines Fußballspiels haben dasselbe Recht auf körperliche Unversehrtheit wie die Besucher anderer Großveranstaltungen auch. Wer das durch Unterlassung boykottiert, trägt an Ausschreitungen und ihren Folgen eine Mitschuld.

„… wäre … nutzbar gewesen.“

Dieses Finale des Thüringer Landespokals war für den FC Rot-Weiß Erfurt in jeder Hinsicht verkorkst. Angefangen bei den Umständen, unter denen es stattfand. Dazu ist vieles gesagt und geschrieben worden, auf dessen nochmalige Erwähnung ich hier verzichten werde. Auf einen Aspekt allerdings möchte ich doch eingehen, weil er mir symptomatisch für den wurschtigen Umgang mit Wahrheit und Öffentlichkeit erscheint. Anlässlich der Pressekonferenz vor dem Finale äußerte sich der Sachgebietsleiter Spielbetrieb des TFV, Joachim Zeng, zum Austragungsort (ab etwa Minute 25:00). Dabei fiel der folgende Satz, bezogen auf das Steigerwaldstadion: «Das Stadion ist gesperrt, aus bautechnischen Gründen – wegen der Tribüne.» Danach leichte Heiterkeit beim anwesenden Hochadel des Thüringer Fußballs, weil – etwas skurril – die Pressekonferenz inmitten der gesperrten Tribüne stattfand. Aber gut, eine Pressekonferenz ist kein Fußballspiel. Ich wollte es dennoch etwas genauer wissen und fragte via Kontaktformular beim Stadionbetreiber, dem Erfurter Sportbetrieb, an. Und erhielt folgende Antwort:Mail Erfurter Sportbetrieb

Dass dieses Statement überhaupt nicht mit der Aussage von Herrn Zeng in Einklang zu bringen ist, liegt auf der Hand.

Nur eine weitere von vielen Dilettantismen im Vorfeld des Spiels. Das geht schon bei dem Gummiparagrafen los, der den Spielort bzw. die Vergabe nicht eindeutig bestimmt und reichlich Platz für Verbandswillkür (und/oder Trägheit, und/oder Unfähigkeit) lässt. Und endet nicht bei der offenkundigen Tatsache, dass man sich erst viel zu spät mit der Planung des Finals befasste. Am 27. April gewann Jena sein Halbfinale gegen Wacker Nordhausen. Seit diesem Tag hätte der TFV die Gelegenheit gehabt, den doch sehr wahrscheinlichen Fall genau dieser Finalpaarung vernünftig vorzubereiten. Aber nein, es wurde in der Folge nahezu alles getan, die Animositäten vieler Fußballfans, natürlich gerade hier in Erfurt, weiter zu ertüchtigen.

Der Thüringer Fußballverband ist das eine, die Leistung unserer Mannschaft in Jena etwas völlig anderes. Da ich nicht damit rechnete, dass wir den Kontrahenten aus den Schuhen spielen würden, war ich mit der 1. Halbzeit halbwegs zufrieden. Wir hatten zwar nur eine klare Torchance, die war allerdings hochkarätig und überdies brillant von Brückner vorbereitet. Wir ließen in der Defensive kaum etwas zu, die Mannschaft wirkte durchaus konzentriert, präsent und entschlossen. Zu diesem Zeitpunkt vertraute ich noch auf die übliche Steigerung nach der Pause. Allein, die blieb aus. Nun passierte etwas, was in keinem Spiel nach der Winterpause zu sehen war: Stefan Krämers Mannschaft baute konditionell rapide ab. Die Wechselwirkung war eindeutig, angeführt vom überragenden Eckardt verlagerte sich das Spielgeschehen immer näher in Richtung unseres Tores. Im Grunde brachte das 1:0 bereits die Entscheidung. Unser physisch angeschlagenes Team besaß nichts mehr, was es gegen die Niederlage mobilisieren konnte.

Dies ist in mehr als nur in einer Hinsicht ein kleines Drama. Es wäre wohl zu schön gewesen, um in Erfurt wahr zu werden. Der Klassenerhalt wurde – was niemand, inklusive der sportlichen Protagonisten zu hoffen wagte – souverän erreicht. Die Mannschaft bleibt im Kern erhalten. Eine neue, zeitgemäße Spielstätte wird im August offiziell übergeben. Aber erneut hat ein einziges Spiel das Verhältnis zwischen Spielern und Trainern auf der einen und den Fans auf der anderen Seite beschädigt.

Fraglos, die Zeit (die EM, der Sommer) wird die offenen Wunden heilen. Fraglos aber auch, der zarte Honeymoon zwischen Anhängerschaft und Krämers Mannschaft hat einen Schaden genommen, den man nicht schnell reparieren kann. Womöglich ist dies das größte Übel von allen.

Rot-Weiß Erfurt oder Ah ah ah ah, stayin‘ alive!

Stefan-Kraemer-rwe_posterDabei mag ich die Bee Gees nicht mal. Trotzdem ist es die titelgebende Liedzeile, die mir am Samstag nach unserem Sieg gegen Aalen in den Sinn kam und diesen winzigen Ort seitdem nicht verlässt. Es war eine Saison, seien wir ehrlich, die über lange Zeit das Abgründigste was einem Drittligaverein zustoßen kann, mehr als nur befürchten ließ. Den Abstieg in die Hölle. Auch bekannt unter dem Namen Regionalliga. Wenn der Verein, unser Verein, das finanziell überhaupt in seiner bisherigen Form überlebt hätte. Wer zählt die Vereine, nennt die Namen, die ungastlich dort zusammenkamen? (Sorry, Friedrich!) Und seit Jahren vergeblich versuchen, der sportlichen Randständigkeit zu fliehen. In manchen Minuten war mir, während ich auf der Tribüne oder vor dem Fernsehen saß, der Abstieg schon Gewissheit. Da dachte es in mir (Sorry, Günter!): Das ist so jämmerlich, unmöglich, dass sie dies noch korrigiert bekommen.

Dass es anders kam, wird – und zwar isoliert davon, ob wir den verdammten Thüringenpokal gewinnen – immer mit dem Namen und der Person Stefan Krämers verbunden bleiben. Es ist ja nicht so, dass er nur einen schlafenden Riesen wach küssen musste. Eine Mannschaft, die für jeden offensichtlich weit unter ihrem Potenzial spielte. So gut wie alle waren sich vor der Saison einig, dass es vermutlich sehr schwierig werden würde. Diese berechtigte Sorge gründete sich auf dem Weggang von Leistungsträgern wie Möhwald, Czichos und Wiegel. Sowie auf mehrheitlich desolaten Leistungen der Mannschaft in der zweiten Hälfte der letzten Saison. Eine Niederlagenserie, die auch Christian Preußer zunächst nicht zu stoppen wusste, bildete die Basis einer tief wirkenden Skepsis, die sich bis in die neue Saison hinein konservierte.

Aus der Skepsis wurde alsbald Gewissheit. Auch wenn wir nur bis zum 5. Spieltag auf einem Abstiegsplatz standen, gelang es Preußer nicht, die Mannschaft fußballerisch zu stabilisieren. Der Kontakt zur Abstiegszone riss nie ab, einhergehend mit einer Dauerpanik, die allen aufs Gemüt drückte. Eine erneute Niederlagenserie vor der Winterpause besiegelte Christian Preußers Aus.

Was seit der Berufung Stefan Krämers zum Cheftrainer des FC Rot-Weiß Erfurt geschah, ist erstaunlich. Vor allem, weil er es vermochte, viele Dinge gleichzeitig zu verbessern. Nimmt man nur den Kader und die taktische Grundformation, wird man feststellen, dass sich bei beiden so viel nicht geändert hat. Krämer vertraute im Wesentlichen auf die Spieler, die schon unter Preußer zum Einsatz kamen, und auch Krämer ließ (mehrheitlich) ein 4-2-3-1-System spielen. Klar, mit Brückner und Benamar kamen zwei wichtige Offensivspieler hinzu und zuweilen variiert er mit einem 4-1-4-1-System. Das allein erklärt aber nicht, warum einige Spieler plötzlich sehr viel besser spielen als vorher – unter Preußer und teilweise sogar unter Kogler. Aydin, Menz, Tyrala. Selbst Odak gehört für mich in diese Kategorie.

Ich denke, dass es sich bei Krämer lohnt, sehr genau zuzuhören, wenn er sich öffentlich äußert. Er betonte am Anfang seiner Tätigkeit nachdrücklich, es sei für ihn von entscheidender Bedeutung, dass die Mannschaft kollektiv angreift und verteidigt. Wer bei ihm nicht defensiv arbeite, habe keine Chance. Okay, das klingt zunächst nach einer Plattitüde, wie sie Trainer oft und gern benutzen. So wie die Mannschaft sich nach und nach entwickelte, zeigte allerdings, wie ernst es ihm damit war.

Im modernen Fußballkauderwelsch existiert dafür ein Begriff: Kompaktheit. Kein schönes Wort und ich würde gern ein anderes verwenden, mir fällt nur kein passenderer Begriff ein. Selbst Zuschauern, die während eines Spiels nicht ständig auf die Positionen der Spieler achten, fällt am Spiel der Rot-Weißen auf, was damit gemeint ist: Wenn der Gegner angreift, dann muss er sich (oft) gegen eine scheinbar nicht enden wollende Kaskade Erfurter Spieler behaupten, die ihm für seine Angriffsbemühungen weder Raum noch Zeit zu geben die Absicht haben. Weswegen die Angriffe oft wirkungslos bleiben. Das liest sich jetzt ebenfalls relativ banal, ist aber, taktisch (und physisch) betrachtet, großes Kino. Nur so war es möglich, dass wir, gerade in den letzten Spielen, man denke nur an den durchgängig famosen Auftritt in Stuttgart, über weite Teile des Spiels das dominante Team waren. Dies ist keinesfalls selbstverständlich, und es ist, wie vieles im Fußball, anfällig für Störungen jeder Art. Man kann mit einem forcierten Pressingfußball auch grandios scheitern, wie es das Beispiel Zorniger in Stuttgart belegt. Die Feinjustierung innerhalb der Mannschaft muss schon sehr gut passen, sonst hat der Gegner immer die Möglichkeit, freie Räume zu bespielen. Bei Preußer war zum Beispiel das Pressing im Mittelfeld des Öfteren mangelhaft. Die gegnerischen Mittelfeldspieler hatten zu häufig die entscheidenden 2-3 Sekunden Zeit, den Ball anzunehmen, sich zu orientieren und abzuspielen.

Diese Zeit lässt ihnen die Mannschaft unter Krämers Anleitung nicht mehr. Oder präziser: viel seltener. Das erreicht man nur mit einem höheren Laufaufwand und einem variableren Positionsspiel. Damit der Druck auf den angreifenden Gegner überall in den relevanten Zonen des Spielfeldes aufrecht erhalten werden kann, müssen Spieler – situativ – ihre Positionen verlassen, um die Räume (und damit die Ballbesitzzeiten des Gegners) klein zu halten. Das wiederum beeinflusst die Positionen der noch hinter dem Ball befindlichen Abwehrspieler, sie müssen diese Räume dann besetzen. Ich sagte ja, es klingt nur banal.

Ich kann nicht beurteilen, ob Krämer mit den oben erwähnten Spielern individuell viel gearbeitet hat. Einen Grund für ihre offensichtliche Verbesserung sehe ich darin, dass sich Spieler wohler fühlen, wenn ihr Spiel Teil eines Konzeptes ist, dass ihnen schlüssig erscheint und mit dem sie erfolgreich sind. Das trifft sicher auf alle Spieler einer Mannschaft zu, bei einigen scheint es aber Potenziale freizulegen, die man ihnen gar nicht mehr zugetraut hätte.

Abschließend möchte ich noch zwei Spieler hervorheben, denen in Krämers System eine maßgebliche Rolle zukommt. Carsten Kammlott ist nicht nur deshalb so wichtig, weil er entscheidende Tore schießt und vorbereitet. Er ist ebenfalls eine grandiose Ein-Mann-Angriffs-Pressing-Maschine und in dieser Eigenschaft vermutlich ohne Gleichen in der Liga. Seine Dynamik und Aggressivität sorgen nicht selten dafür, dass die Verteidiger (oder auch der Torwart) sich lieber dafür entscheiden, lange (weniger kontrollierte) Bälle zu spielen, die natürlich leichter zu verteidigen sind. Mit anderen Worten: sie haben die Buxe voll, wenn Kammlott wie ein Berserker auf sie zu stürmt.

Last but least: Jens Möckel. Bereits nach seiner letzten langen Verletzung war ich verblüfft, wie schnell er wieder auf hohem Niveau zu spielen in der Lage war. Diesmal, nach einer noch längeren, noch schwereren Verletzung, bin ich das nicht minder. Weiter oben habe ich versucht zu erläutern, wie wichtig es ist, dass die Spieler situativ ihre Positionen verlassen, um die mannschaftliche Kompaktheit (und damit den Gegnerdruck) aufrecht zu erhalten. Genau hier liegt eine von Jens Möckels größten Stärken. Wirklich beeindruckend, wie er mitunter – nicht frei von Risiko – seine Position in der Innenverteidigung verlässt, um Spieler zu attackieren, die sich in den Räumen zwischen den Linien anbieten. Dabei gelingen ihm zuweilen äußerst spektakuläre Ballgewinne, die er, nächstes großes Lob, dann auch häufig direkt in die Einleitung von Gegenangriffen umwandeln kann.

Oh, das ist mir jetzt relativ ausführlich geraten. Dabei bin auf verschiedene andere, nicht weniger wichtige Aspekte gar nicht zu sprechen gekommen. Als da wären: die Standards und die Fokussierung bzw. Überladung bestimmter Zonen des Spielfeldes bei eigenen Angriffen.

Das wird in den nächsten Wochen nachgeholt; denen wir auf wunderbare Weise, plötzlich aber alles andere als zufällig, sehr gelassen entgegen sehen können. Habt Euch wohl, Ihr Lieben.

Auflösung der Quizfragen

Die Zeit zur Beantwortung der Quizfragen ist abgelaufen. Vielen Dank für die rege Teilnahme. Hier die Antworten:

Frage 1: Welcher Spieler der späteren Erfurter Meistermannschaft wurde 1951 nach einem Trainingslager der DDR-Nationalmannschaft für ein halbes Jahr von Spielen der Nationalmannschaft gesperrt?

Antwort: Helmut Nordhaus

Quelle: «Die ungleichen Bedingungen des FC Rot-Weiß Erfurt und FC Carl Zeiss Jena in der DDR» / Michael Kummer, Tulpe Verlag 2012

Nodhaus1

 

 

 

 

 

Nordhaus2Die Frage wurde mehrheitlich korrekt beantwortet.

Frage 2: Wer schoss beim bis heute letztem Sieg in einem Ligaspiel bei Erzgebirge Aue das Führungstor zum 1:0 für den FC Rot-Weiß Erfurt?

Antwort (und jetzt müsst ihr alle tapfer sein!): Marco Weißhaupt

Diese Frage hat niemand richtig beantwortet. Hier sind wohl alle auf eine falsche Information hereingefallen, die zuerst durch Wilfried Mohren auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Aue verbreitet wurde. Mohren sensationiert (ab 1:40 Minuten) die vermeintliche Tatsache, dass wir seit 59 Jahren in Aue nicht gewonnen haben. Nur leider ist diese Information falsch. Wie – auf der selben Pressekonferenz – durch Kurt Gaida richtig gestellt wird (ab Minute 18:00). Wir haben 1994 in einem Punktspiel der Oberliga Nordost Süd 3:1 bei den Veilchen gewonnen. Zwei Tore durch Daniel Bärwolf. Aber das 1:0 erzielte eben Marco Weißhaupt.

Frage 3: Wie heißt die Firma, die unsere langjährige Anzeigetafel gebaut hat?

Antwort: Videoton. Eine ungarische Elektronikfirma aus der Stadt Székesfehérvár. (Quelle: Privatarchiv Michael Kummer)

Alle, die diese Frage beantworteten, haben sie korrekt beantwortet.

Nochmals vielen Dank an alle, die sich beteiligt haben. Hat Spaß gemacht. Die Gewinner werden in den nächsten Minuten eine Mail erhalten. Die Bücher liegen bereit und werden Anfang der Woche versandt.

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By the way – Grund 112: Weil wir in der Saison 2015/2016 mit einer Mannschaft, die fußballerisch tot schien, bereits vier Spieltage vor Schluss den Klassenerhalt praktisch gesichert haben. Sehr großartig! Und auf immer mit dem Namen Stefan Krämer verbunden.

111 Gründe, Rot-Weiß Erfurt zu lieben / Eine Buchkritik (und ein Quiz)

111GründeSeit einigen Tagen liegt sie nun endlich auch für den FC Rot-Weiß Erfurt und seine Fans vor, die neue inoffizielle Vereinsbibel mit dem Titel: «111 Gründe, Rot-Weiß Erfurt zu lieben». Untertitel: Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt.

Ich will ehrlich sein, ich hätte dieses Buch nicht zu schreiben vermocht. Schlichtweg, weil es Tage gab, gibt und sehr wahrscheinlich geben wird, an denen es mir schwerfallen würde, auch nur drei Gründe aufzuzählen. Von einer Liebeserklärung ganz zu schweigen. Insofern hat der Verlag «Schwarzkopf & Schwarzkopf» mit dem Sporthistoriker (und langjährigem RWE-Fan) Michael Kummer eine großartige Wahl getroffen. Die von ihm vorgenommene Auslese wichtiger und weniger wichtiger, lustiger und trauriger, bekannter und weithin unbekannter Episoden, Geschichten und Fakten aus dem Vereinsleben des FC Rot-Weiß Erfurt sind ein Lesevergnügen ersten Ranges.

Zum Wohle des Lesers widerstand der Autor der Versuchung, die gesamte Früh- und Vorgeschichte des Erfurter Fußballs in eine Art Enzyklopädie zu packen. Kein weiterer Opa also, der von vergangenem Ruhm schwadroniert. Fast alle Ereignisse, die hinter den 111 Geschichten des Buches stecken, haben sich nach der Vereinsneugründung 1966 zugetragen, erfreulich viele in jüngerer und jüngster Zeit.

Eine weitere Stärke des Buches liegt in seiner Vielstimmigkeit und Vitalität. Kummer lässt nicht totes Papier aus halb toten Archiven sprechen. Er hat sich von Fans und Protagonisten ihre Geschichten erzählen lassen und gibt diesen wohltuend viel Platz. Da werden mitunter rührende Momente der Vereinsliebe und ihrer Initiation lebendig. Aber man erfährt auch Erhellendes (wenngleich nicht durchgängig Erfreuliches) über interne Entscheidungen, von denen ich nicht ganz sicher bin, ob ihre Erwähnung im Buch den durchgehenden Beifall aller noch im Amt befindlichen Vereinsoberen findet. Bei dieser Art der Episoden kommt man an dem Namen des einstigen Stadionsprechers Lars Sänger nicht vorbei, der beispielsweise erstaunlich freizügig über die Hintergründe der Wiederverpflichtungen von Tom Bertram und Marco Engelhardt plaudert. Zur Erbauung des Lesers. (Als Blogger, dem der Erfolg des Vereins oberstes Gut ist, findet man die dort geschilderte Vorgehensweise hingegen etwas, sagen wir, hemdsärmlig.)

Ganz großes Kino bieten die Episoden, die von der (vermeintlichen) Aufbruchphase des Vereins in den frühen und mittleren Achtziger Jahren handeln. Man stelle sich vor: Die Nachwuchsmannschaft wurde DDR-Meister. Die in ihr spielenden Talente mussten nicht (mehr) an andere Klubs «delegiert» werden. Der Trainerguru (ohne Anführungszeichen) Hans Meyer wurde verpflichtet. Und dann gab es da noch eine Figur, die sich die Marx Brothers und die Gebrüder Grimm während eines gemeinsamen Saufgelages nicht besser hätten ausdenken können: Karl-Heinz Friedrich, Clubvorsitzender von 1980 bis 1986. Den muss man sich als eine Art Uli Hoeneß des DDR-Fußball vorstellen. Umtriebig, einfallsreich, leistungsorientiert. Nur leider weit weniger erfolgreich. Das Geld floss regelmäßig in Strömen, nicht ganz so regelmäßig flossen Punkte aufs Tabellenkonto. Weshalb diese ambitionierteste Ära des Erfurter Fußballs da endete, wo sie begann: im Mittelmaß der DDR-Oberliga.

Der Verein FC Rot-Weiß Erfurt hat es seinen Anhängern nur zu wenigen Zeitpunkten seiner Existenz leicht gemacht, ihn vorbehaltlos zu lieben. Warum viele es trotzdem tun, manche seit Jahrzehnten, dafür liefert dieses Buch viele eindrucksvolle, lesens- und liebenswerte Belege. Deshalb meine Empfehlung: Lest es und erwärmt Euer rot-weißes Herz!

Das Buch kann bei verschiedenen Erfurter Buchhandlungen käuflich erworben werden. Selbstredend auch über andere uns allen bekannte Kanäle. Eine Lesung mit Michael Kummer findet am 10. Mai um 20.00 Uhr bei Peterknecht statt.

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Nun zum Quiz:. Zu gewinnen gibt es drei Exemplare von, Überraschung, «111 Gründe, Rot-Weiß Erfurt zu lieben». Das ist in erster Linie als kleines Dankeschön für alle gedacht, die dieser kleinen, abgeschiedenen Insel im digitalen Meer über Jahre die Treue gehalten haben. Und, ich weiß, so manches Mal enttäuscht waren, dass es wieder keinen aktuellen Text gab.

Das Prozedere: Wenn Ihr Lust habt, die drei Fragen zu beantworten, dann schickt die Antworten an fedor.freytag@stellungsfehler.de. Einsendeschluss ist der 17. April 2016, 20.00 Uhr. Wer die meisten Fragen richtig beantwortet, gewinnt. Sollten mehr als drei Einsender alle oder die gleiche Anzahl von Fragen richtig beantworten, entscheidet die Reihenfolge des Eintreffens der Mail in meinem Postfach. (Im Sinne von: Der erste Einsender liegt vorn.) Ich setze mich dann mit den Gewinnern in Verbindung.

Hier die Fragen:

  1. Welcher Spieler der späteren Erfurter Meistermannschaft wurde 1951 nach einem Trainingslager der DDR-Nationalmannschaft für ein halbes Jahr von Spielen der Nationalmannschaft gesperrt? Begründung des Kontrollausschusses: Anstiftung zu einem Trinkgelage. (Wie cool ist das denn?, begeisterte Anmerkung FF, nicht quizrelevant)
  2. Wer schoss beim bis heute letztem Sieg in einem Ligaspiel bei Erzgebirge Aue das Führungstor zum 1:0 für den FC Rot-Weiß Erfurt?
  3. Am letzten Samstag war sie noch da. Wenn auch funktionslos. Wie aber heißt die Firma, die unsere langjährige Anzeigetafel gebaut hat?

Anmerkung: Da dies hier eine in jeder Hinsicht völlig private Veranstaltung ist, sind Rechtswege oder dergleichen natürlich ausgeschlossen. Sollten alle drei Fragen vor Ablauf des Einsendeschlusses von mindestens drei Teilnehmern korrekt beantwortet sein, veröffentliche ich die richtigen Antworten bereits vor Ablauf der oben genannten Frist, die in diesem Fall obsolet wäre.

Rot-Weiß Erfurt: Nachrichten vom Abstiegskampf

kammlott Ich kann mich noch lebhaft an den Abend des 16. April 2013 erinnern. Wir hatten soeben den insolvenzbedrohten Traditionsverein Alemannia Aachen locker mit 3:1 bezwungen. Das Ergebnis wurde den Kräfteverhältnissen auf den Platz nicht mal ansatzweise gerecht. Es waren 32 Spieltage absolviert. Eine Saison, in der wir vom ersten Spieltag an unten festklebten, würde ein versöhnliches Ende nehmen, das war die erfreuliche Essenz dieses Abends. Hurra, wir hatten 38 Punkte!

Die haben wir jetzt nach 32 Spieltagen auch. Und trotzdem laufen alle Anhänger des FC Rot-Weiß Erfurt mit angeknabberten Nägeln durch die Welt. Damals hatten wir sieben Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz, während es diesmal nur drei sind. Zudem ein Restprogramm, das uns fast ausschließlich auf Gegner treffen lässt, die keinen Deut weniger als wir entschlossen sein werden, den Abstieg in die Hölle der Regionalliga zu vermeiden.

Ich bin kein übermäßig großer Freund davon, die Realität durch «positives Denken» in ein virtuelles Lila-Laune-Land zu überführen. Trotzdem gibt es Anlass zu Optimismus. Stefan Krämers Mannschaft hat in Köln, nicht zum ersten Mal, nachgewiesen, dass sie mit Konzentration, Spielvermögen und taktischem Geschick, diesen beinharten sportlichen Überlebenskampf anzunehmen weiß. Ob das am Ende reicht, ist nicht ausgemacht, aber erfreulich vieles deutet darauf hin.

Die Mannschaft hat bei der Fortuna quasi von der ersten Sekunde an, einen verunsicherten Gegner noch weiter verunsichert, indem sie sofort und in allen Zonen des Spielfelds aggressiv presste. Dann, als dieser Druck etwas nachzulassen schien, nagelte Menz endlich den x-ten (und ersten gefährlichen) Standard unter die Latte. Zu Kammlotts Tor muss man nicht viel sagen. Außer, dass es schlichtweg großartig war, wie unser Stürmer, der – von einem Infekt geplagt – morgens kaum aus dem Bett kam, diesen Abwehrfehler nutzte.

Als nach dem Anschlusstor viele dachten, nun gehe es dahin, brachte Krämer (für den völlig fertigen Kammlott) Sebastian Szimayer und lag damit, nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal an diesem Nachmittag, völlig richtig. Das entscheidende dritte Tor wurde von diesem in Folge richtiggehend erzwungen. Mit seiner physischen Stärke und Präsenz kamen die (ohnehin schwachen) Innenverteidiger der Kölner bis zum Ende überhaupt nicht zurecht. Auch die etwas überraschende Einwechselung Uzans für den verletzten Tyrala erwies sich als gut durchdacht. Die Fortuna wollte dieses Spiel mit spielerischen Mitteln bestreiten und gewinnen. Dies durchkreuzte Krämer, indem er in kritischen Phasen mehr Physis ins Spiel brachte, erst Szimayer und dann den Mittelstürmer Uzan im zentralen Mittelfeld.

Fraglos, die ganze Mannschaft hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Trotzdem möchte ich noch auf die Leistung von Theodor Bergmann zu sprechen kommen. Niemandem war sonderlich wohl, als Brückner nach 40 Minuten humpelnd das Feld verlassen musste. Wie der für ihn kommende Bergmann aber in der 2. Halbzeit spielte, fand ich sehr überzeugend. Er ist ganz sicher kein Zehner und agierte dann auch eher auf einer Achterposition vor/neben Tyrala und Judt, während Benamar und Aydin öfter in die Mitte einrückten. Vom Typ her erinnert mich Bergmann ein bisschen an Julian Weigl vom BVB. Etwas schlaksig daherkommend verfügt er trotz seiner Jugend über ein sehr gutes Raumgefühl und trifft meist die richtigen Entscheidungen bei der Spielfortsetzung. Wann immer möglich, versucht er einen vertikalen Pass zu spielen, das war in den letzten Jahren nicht unbedingt eine Stärke der bei RWE eingesetzten zentralen Mittelfeldspieler. Mit einem Wort: Der Junge sollte öfters spielen. (Und bitte, bitte, bitte Torsten Traub: Ich möchte Theodor Bergmann in zwei Jahren nicht im Trikot von Zwickau oder Nordhausen sehen, nachdem man erneut an einem jungen Spieler das Interesse verloren hatte.)

Bergmann, Szimayer, Uzan. In Anbetracht von Sperren (Benamar) und Verletzungen (Tyrala, Brückner) ist es von hohem Wert, dass auf unserer Bank Spieler sitzen, die man auch in engen und hitzigen Spielen, also in allen noch vor uns liegenden, mit gutem Gewissen einwechseln kann.

Osnabrück kann kommen.

Einige lose Gedanken zur Situation des FC Rot-Weiß Erfurt

Befänden wir uns in einem Filmdrama, wäre jetzt der Zeitpunkt, an dem ein Mitglied der Familie dem Priester zuflüstert: «Danke für Ihr Kommen Hochwürden, aber Sie können erst mal wieder nach Hause gehen.» Der Patient Rot-Weiß Erfurt befindet sich nach wie vor in einem kritischen Zustand, aber die Letzte Ölung kann getrost verschoben werden.

Das verdankt sich in nicht geringem Umfang dem neuen Trainer des Vereins, Stefan Krämer. Er hat es in vergleichsweise kurzer Zeit verstanden, eine erschreckend hinfällige Mannschaft zu revitalisieren. Ich will damit nicht sagen, dass der Kampf gegen den Abstieg bereits gewonnen sei, allerdings deutet vieles darauf hin, dass wir uns in der nächsten Saison, dann in einem neuen Stadion, auf ein weiteres Jahr Dritte Liga freuen dürfen.

Was sind die Gründe für die sportliche Schubumkehr? Ich denke zunächst, dass Stefan Krämer ein außergewöhnlich talentierter Kommunikator ist. Quasi alles, was er seit seiner Berufung sagte (in Interviews, Pressekonferenzen, etc.), war geeignet, die öffentliche Meinung für sich und seine Arbeit einzunehmen. In der auf Weltniveau agierenden Unmut-Fabrik namens Erfurter Fußball eine Leistung, von nicht zu unterschätzendem Wert.

In der Spielidee sehe ich gar keine so grundlegenden Unterschiede zu unseren ersten Saisonspielen unter Christian Preußer. (Man erinnere sich an die unglückliche Niederlage in Magdeburg.) Auch Preußer wollte schnell vertikal spielen lassen, Räume verdichten, forderte Pressing und Gegenpressing von seiner Mannschaft. Zumindest war das die initiale Spielidee. Die aber in einer Mühle aus halb garen taktischen Änderungen, individuellen Defiziten der verfügbaren Spieler (vor allem in der Offensive) und immer größer werdendem Druck bis zur Unkenntlichkeit zermahlen wurde.

Mit anderen Worten: Stefan Krämer ist es bis hierher offensichtlich gelungen, Theorie und Praxis des Fußballs in Einklang zu bringen. (Hier lag wohl das größte Defizit seines Vorgängers.) Und nichts im Fußball ist erfolgsfördernder als Erfolg. Die Mannschaft glaubt dem Trainer, weil sich mit ihm Erfolge einstellen. Dazu benötigt es allerdings immer einen Anteil Glück. Die Spiele gegen Würzburg und Dresden hätten wir bei gleicher Leistung ebenso gut verlieren können. Daher sollten wir uns bei allem Optimismus nach wie vor Zurückhaltung auferlegen. Die Liga ist so unglaublich leistungsdicht, jedes Nachlassen der eigenen Konzentration, jede Pechsträhne (Verletzungen, Schiedsrichterentscheidungen, Chancenverwertung) haben das Potenzial, die Tore zur Hölle (aka Regionalliga) erneut weit aufzustoßen.

Die Fairness gebietet es, die Winterverpflichtungen von Daniel Brückner und Samir Benamar als gleichfalls essenziell für die Leistungssteigerung der Mannschaft zu notieren. Beides Spieler, die – mit unterschiedlichen Fertigkeiten ausgestattet – deutlich über Liganiveau agieren. Zumindest an guten Tagen. Daniel Brückner ist vielleicht nicht mehr so dominant in der Offensive wie in seiner ersten Zeit in Erfurt. (Als die Rechtsverteidiger der Gegner reihenweise zur Halbzeit ausgewechselt wurden.) Aber seine große Ruhe am Ball, seine Passsicherheit und die inzwischen hinzugekommenen defensiven Fähigkeiten machen ihn zu dem Spieler, der uns vorher fehlte. Gleiches trifft auf Benamar zu: technisch brillant, schnell und – im besten Sinn – unberechenbar.

Es ist bei Weitem nicht alles gut im Fußballspiel des FC Rot-Weiß Erfurt. Niemand weiß das besser als Stefan Krämer und er hat keinerlei Scheu es zuzugeben. Standards, Raumaufteilung, Umkehr- und Aufbauspiel – mit den nach wie vor vorhandenen Defiziten lassen sich ganze Schwarzbücher über Fußballtaktik füllen. Aber ihr kennt ja den alten Witz: Man muss nicht schneller sein als der Löwe. Für diese Saison genügt es, einfach nur schneller zu sein als drei andere Teilnehmer der Drittliga-Safari. Diesbezüglich darf man optimistisch sein, dass wir den Priester nicht so schnell erneut rufen müssen.

Überlegungen zur Trainerfrage

Ich habe im Oktober 2012 ein langes Interview mit Christian Preußer geführt. Damals war er Trainer der U19 und Chef unseres Nachwuchs-Leistungszentrums. Mir fiel die Akribie auf, mit der er sich allen Dingen seines Aufgabenbereichs offensichtlich widmete. (Und ja, sie gefiel mir diese Akribie, weil sie im Gegensatz zu der sonstigen Wurschtigkeit stand und steht, mit der in diesem Verein sonst so vieles betrieben wird.) Es saß mir ein junger, sympathischer, intelligenter Trainer gegenüber und ich hatte keinen Zweifel, dass er eines Tages seinen Weg im Profifußball gehen wird. An dieser Einschätzung halte ich bis heute fest.

Natürlich weiß ich, dass es gute Argumente gibt, die in der gegenwärtigen, zweifellos sehr schwierigen, Situation gegen ihn sprechen. Es ist auch keineswegs so, dass ich mit allen Äußerungen und Entscheidungen Christian Preußers als Trainer unserer Profimannschaft einverstanden bin, bzw. genauer formuliert, dass ich diese verstehe.

Die Mannschaft spielt überwiegend schlechten Fußball. Auf diesen kurzen Satz können sich wohl alle Anhänger des FC Rot-Weiß Erfurt schnell einigen. Aber er ist, meiner Meinung nach, nur halb richtig. Korrekter müsste er lauten: Die Mannschaft spielt überwiegend schlechten Offensivfußball. Hingegen sind das Abwehrverhalten und die Defensivleistung in vielen Spielphasen in Ordnung. Mir ist klar, dass dies für den Klassenerhalt zu wenig sein könnte, nichtsdestotrotz muss es erwähnt werden, will man zu einer halbwegs soliden Einschätzung der Situation gelangen.

Im Grunde spiegelt dieser Offensiv-Defensiv-Kontrast nur wider, in welcher Qualität es gelungen ist, die personellen Abgänge am Ende der Saison zu ersetzen. Und da ist zu konstatieren, dass fast alle verpflichtenden Defensivspieler gute bis sehr gute Leistungen zeigen, während der Nachweis stabiler Drittligareife bei den Transfers im Offensivbereich aussteht. Besonders weh tut das bei der Spätverpflichtung Marc Höcher, der außer einigen Standards bisher alles vermissen lässt, was man sich von ihm versprochen hatte.

Christian Preußer ist nach wie vor von der Qualität all seiner Neuverpflichtungen überzeugt. Ich kann ihm nicht grundsätzlich widersprechen, da mir die Trainings-Eindrücke fehlen. Aber ich habe Zweifel. Außer den bisher wenig überzeugenden Leistungen der neuen Offensivspieler ist es natürlich verheerend, dass Spieler bei denen man davon ausgehen durfte, dass sie über gutes Drittliganiveau verfügen, dieses nur sehr eingeschränkt abzurufen in der Lage sind. Die Leistungen von Menz und Tyrala sind bestenfalls als schwankend zu charakterisieren. Sie werden im zentralen Mittelfeld aufgeboten, der Do-or-Die-Zone des Fußballs. Ist man hier dem Gegner unterlegen, verliert man Fußballspiele. Es wird von essenzieller Bedeutung sein, und zwar für jeden Trainer dieser Mannschaft, diese beiden Schlüsselspieler wieder in eine Form zu trainieren, die sie nicht zur Belastung, sondern zu Leistungsträgern des Teams werden lässt. Andererseits muss man Preußer zugute halten, dass er mit Nikolaou eine sehr kreative Lösung aus dem Hut zauberte, dem man gewisse strategische Fähigkeiten auf dem Platz nicht absprechen kann. Er verfügt über ein gutes Zweikampfverhalten (ein großer Mangel bei Menz und Tyrala), hat aber auch eine passable Grundtechnik und (das ist auf der Position sein größtes Plus) er spielt fast durchweg die richtigen Pässe, kann enge Situation durch Spielverlagerung auflösen. Er wäre mit einem Sebastian Tyrala in guter Verfassung ein absolut wettbewerbsfähiges Duo im zentralen Mittelfeld.

Was mich irritiert ist das überlange Festhalten an Dingen, die offenkundig nicht erfolgreich sind. Hier wäre das 4-4-2-System zu nennen, welches gegen Stuttgart II zwar prima klappte. Aber nur, weil die Innenverteidiger des VfB die Kopfballablagen von Szimayer nicht verteidigen konnten und die Stuttgarter ganz generell einen schlechten Tag in der Defensive erwischt hatten. In quasi allen Spielen danach (bis man es gegen Osnabrück wieder mit nur einem Stürmer versuchte) wurde diese Taktik der langen Bälle wieder und wieder neu erprobt. Auch gegen Gegner bei denen a priori klar war, dass es nicht funktionieren würde, eben weil die Qualität der Innenverteidiger viel zu gut für diese doch recht simple Form des Fußballs ist. Es gab auch Spiele, in denen man diese Taktik zur Halbzeit hätte revidieren können und müssen. Wenn die Stürmer keine verwertbaren Bälle erhalten, weil das Passspiel im Mittelfeld im Grunde nicht vorhanden ist, macht es keinerlei Sinn einen gelernten Mittelstürmer durch einen anderen zu ersetzen. Ich denke, dass es von großer Bedeutung ist, die Passqualität im Angriffsdrittel drastisch zu erhöhen. Aus diesem Grund würde ich derzeit eher ein System bevorzugen, in dem nur ein nomineller («gelernter») Mittelstürmer aufgeboten wird. Ob man das dann als 4-4-2 oder 4-2-3-1 typisiert ist völlig nachrangig, wichtig ist, das die Anzahl der Passdreiecke (vulgo Anspielstationen) erhöht wird, um die Anzahl der Fehlabspiele zu verringern.

Sachen wie diese habe ich allerdings bereits kritisiert als Stefan Emmerling oder Alois Schwartz hier Trainer waren. Nicht wenige habe die jetzige Situation (Abstiegskampf) bereits vor der Saison prognostiziert. Und bei fast jedem Saisonspiel – selbst nach gewonnenen – wurde deutlicher, dass die Prognose nicht ausschließlich der chronischen Schwarzmalerei am Steigerwald geschuldet war. Nun ist also eingetreten, was zu befürchten war. Wir stehen – wenigstens gefühlt – auf einem Abstiegsplatz. Trotzdem rate ich dem Verein, sich dem schnellen Impuls einer Trainerentlassung zu verweigern. Sollten die Verantwortlichen der Auffassung sein, dass Christian Preußer fachlich gute Arbeit leistet, und sollte sein Verhältnis zur Mannschaft intakt sein, liegen keine Gründe vor, ihn zum jetzigen Zeitpunkt zu entlassen. Die Tabellensituation ist fraglos kritisch und gefährlich, noch aber hat die Mannschaft locker alle Möglichkeiten, ausreichend Punkte für den Verbleib in der Liga zu holen. Es ist jedoch völlig klar, dass sich die Frage nach der Qualität des behandelnden Arztes so lange stellt, wie der Patient auf der Intensivstation liegt. Insofern ist meine Meinung in dieser Frage durchaus abhängig von den Resultaten der nächsten Spiele (falls es die mit Preußer noch geben sollte), mehr aber noch von den dabei gezeigten Leistungen. Auch aus diesem Grund halte ich Ultimaten an den Trainer (sollte es sie denn wirklich geben) für kompletten Blödsinn.

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